Grüne wollen eine City-Maut einführen

Wegezoll auf Münchens Straßen

Stau total, aber trotzdem sind nur die Grünen für die City-Maut als Steuerungsinstrument.	Foto: fil

Stau total, aber trotzdem sind nur die Grünen für die City-Maut als Steuerungsinstrument. Foto: fil

Zahlen fürs Auto fahren? Kaum eine Forderung versetzt den deutschen Kraftwagenfahrer so sehr in Rage, wie die nach einer Maut. Jedes Mal, wenn ein Politiker diese Maßnahme vorschlägt, erhebt sich ein Sturm der Entrüstung über dem Land. Gleichzeitig warnt der ADAC vor dem „absoluten Chaos“ auf Münchens Straßen – das Verkehrsaufkommen bewege sich permanent am Limit.

Doch während die Auto-Lobby einen Ausbau der Straßen möchte, stellen die Münchner Grünen eine wagemutige Forderung. Sie wollen die City-Maut für München. Ähnlich wie in London sollen Autofahrer für das Befahren der Innenstadt zahlen.

Wobei damit nicht nur der offizielle Stadtkern gemeint ist, sondern der gesamte Bereich bis zum Mittleren Ring. „Wir stehen in München vielerorts kurz vor dem Verkehrskollaps“, sagt Jens Mühlhaus, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Stadtratsfraktion und einer der Maut-Väter. „In der Innenstadt entstehen dauernd Staus, die alle anderen Verkehrsteilnehmer ebenfalls behindern.“

Und dann ist da noch die Luft. „Der Schadstoffausstoß überschreitet in 60 bis 80 Straßen der Stadt die EU-Richtlinien für Luftqualität bei weitem.“ Da die Leute aber deswegen noch längst nicht auf das Fahrrad umsteigen, soll die Maut ein wenig nachhelfen. „Wir möchten, dass das Autofahren in der Stadt teurer wird als der öffentliche Nahverkehr“, erklärt Mühlhaus den Plan. Mindestens zwei Euro mehr als eine Fahrt mit der U-Bahn soll die Autofahrt kosten.

Anklang hat der Vorstoß der Grünen noch keinen gefunden. Auch nicht beim Koalitionspartner. Der Chef der Münchner SPD, Franz Maget, hält von der Diskussion wenig. „So eine innerstädtische Maut ist etwas für Notfallsituationen. Das kommt einer Kapitulation gleich: Wenn die Stadt keinen anderen Ausweg mehr weiß, lässt sie für die Straßenbenutzung zahlen.“

Bayerns Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) hält diese Idee ebenfalls für abwegig. Schuld am Münchner Verkehrschaos sei die von Rot-Grün durchgesetzte „Rote Welle“. Die Lösung für saubere Luft liege deswegen bei den Ampeln der Stadt: Die sollten öfter auf Grün stehen. Die meisten Abgase entstünden schließlich beim Stop-and-Go-Verkehr. Seine Forderung: Die Stadt solle sich lieber um eine schnellere Umsetzung der unterschiedlichen Tunnelbaumaßnahmen bemühen.

Genau da setzt Mühlhaus ein. „Die wenigsten Bürger spüren das, aber der Stadt geht das Geld langsam aus. Wir können uns immer mehr Projekte einfach nicht leisten.“ Das betrifft auch die zahlreichen Verkehrsprojekte. In der Maut sieht Mühlhaus die ideale Lösung des Problems – Autofahrer als Einnahmequelle. Allerdings will er nicht wahllos Haushaltslöcher stopfen. „Wir müssen den Bürgern das Geld auch zurückgeben, also die Straßen flicken, den zweiten S-Bahn-Tunnel bauen. Für all das sind im Moment die Mittel nicht da, und wir sehen sie auch nicht kommen.“

Doch nicht nur die anderen Parteien sehen die Pläne sehr skeptisch, auch der Einzelhandel in der Innenstadt befürchtet große Einbrüche. Seine Bedenken: Viele Verbraucher könnten auf die Einkaufszentren an der Stadtperipherie umsteigen, schließlich zahlt man dort keine Maut. Und auch Lieferanten würde das Leben um einiges schwerer gemacht. „Letztlich würde die Maut dem Wirtschaftstandort München mehr Schaden als Nutzen zufügen“, meint auch Wiesheu.

Daran haben die Grünen natürlich bereits gedacht. Sie stellen sich ein Rabattsystem für Kundendienste oder Handwerker vor, die auf ihr Auto angewiesen sind. Wie das genau funktionieren soll, ist allerdings noch nicht klar. Und so gehen auch die Grünen davon aus, dass die City-Maut noch auf sich warten lässt. „Das wird sicher noch mindestens fünf Jahre dauern“, meint Mühlhaus. Die Bereitschaft dafür sei einfach noch nicht da.

Während der Vorschlag an sich stark ans Mittelalter erinnert, als an jeder Isarbrücke jeder Reisende aufs Neue Zoll zahlen musste, ist die Methode immerhin auf dem Stand der Zeit: Als Abrechnungssystem favorisieren die Grünen das so genannte „Radio Frequency Identification-System“ (RFID), das bereits in Österreich für die LKW-Maut eingesetzt wird. Allerdings soll die Technologie für München deutlich abgemildert werden. Denn in Österreich funktioniert das System ähnlich wie eine Prepaid-Karte beim Mobiltelefon.

Das bedeutet, dass sämtliche Wege, die ein Lastwagenfahrer zurück legt, nachverfolgt werden können – für Werner Hülsmann vom „Deutschen Verein für Datenschutz“ ein schwerwiegendes Problem. „So etwas muss für Deutschland auf jeden Fall vermieden werden. Es darf keine zentrale Datensammlung entstehen, wie etwa bei Toll Collect.“ Das sehen auch die Grünen so. Das RFID funktioniert nach ihren Vorstellungen etwa wie eine gewöhnliche Telefonkarte, ohne dass dem Einzelnen eine bestimmte Nummer zugeordnet würde.

Die Chips wären also übertragbar und nicht mit einem bestimmten Wagen verbunden. Autos, die „schwarz“, d.h. ohne Chip fahren, werden durch die Radiostrahlen erkannt und fotografiert, wie beim zu schnellen Fahren auch. Klar ist allerdings nicht, was die Grünen genau mit der City-Maut erreichen wollen. Einerseits sollen weniger Autos durch die Stadt fahren. Andererseits will man aber an ihnen Geld verdienen, hofft also auf viele Fahrzeuge. „Man muss sich in der Zielsetzung auf jeden Fall klar werden“, räumt Jens Mühlhaus ein. „Unser Hauptinteresse ist natürlich, dass der Verkehr vermindert wird. Aber zu teuer wollen wir natürlich auch nicht werden.“

Ein wenig Selbstfindung ist also gefragt bei den Grünen und gleichzeitig Abhilfe in Sachen knappe Kassen und Verkehrskollaps. Von Meredith Haaf

Artikel vom 28.05.2004
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