Modeschmuck des Art Déco

Wenn aus Milch Schmuck wird

Collier von 1932 mit Galalith-Stein. Foto: Arnoldsche Verlagsanstalt

Collier von 1932 mit Galalith-Stein. Foto: Arnoldsche Verlagsanstalt

München · Schmuck im Deutschen Museum? Im Mittelpunkt einer neuen Sonderausstellung im Deutschen Museum stehen ausgewählte Schmuckstücke des Art Déco aus Kunststoff und Chrom – Beispiel dafür, wie sehr chemische Erfindungen die Alltagskultur seit über 100 Jahren auch im künstlerischen und ästhetischen Sinne prägen.

Von 31. März bis 31. Oktober 2004 sind 120 Schmuckstücke aus der Werkstatt des Idar-Obersteiner Metallwarenfabrikanten Jakob Benkel zu sehen, dessen Schaffen deutlich vom Bauhaus Dessau beeinflusst war.

Schmuck zu kleinen Preisen und deshalb erschwinglich für viele – das war und ist das ökonomische Erfolgsgeheimnis des Modeschmucks. Während im 19. Jahrhundert »falsche« Juwelen als Kennzeichen armer Frauen galten und als »Dienstmädchenschmuck« naserümpfend kommentiert wurden, kam er in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts erstmals zur Hochblüte. Neue Materialien und Herstellungsverfahren beflügelten Kreativität und Gestaltungslust der Mode- und Schmuckdesigner. Der in der Ausstellung präsentierte Schmuck der Firma Jakob Bengel wurde hauptsächlich aus drei Materialien gefertigt: Chrom, Messing und Galalith. Der Galalith, von Bengel bevorzugt eingesetzte Kunststoff wurde 1897 in Deutschland erfunden. Er wurde aus Casein, dem wichtigsten Eiweißbestandteil der Milch und Formaldehyd hergestellt.

Die Ingredienzien dieses frühen Kunststoffs spiegeln sich auch in seinem Namen: Ausgehend von den griechischen Worten für Milch und Stein wurde er »Galalith« genannt, was übersetzt »Milchstein« bedeutet. Aus 100 Litern Magermilch ließen sich bis zu 2,9 Kilogramm Galalith herstellen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts flossen in Deutschland im wahrsten Sinne des Wortes beträchtliche Mengen Milch in die Galalith-Produktion: 1913 wurden im Deutschen Reich 30 Millionen Liter Milch in 1,5 Millionen Kilogramm Galalith verwandelt! Damit wurden 6 % des damaligen Milchaufkommens zu Kunststoff statt zu Käse. Die großen Vorteile des Galalith bestanden darin, dass seine Herstellung sehr einfach und kostengünstig war, dass er sich leicht verarbeiten ließ, und – mit Pigmenten eingefärbt – frappierend echt aussehende Schmuckstein-Imitate ergab: mit Blaupigmenten versetzt, sieht er, wie man sich in der Ausstellung überzeugen kann, tatsächlich wie Lapislazuli, aus mit Rotpigmenten wie Koralle, mit Gelbpigmenten wie Bernstein usw.

Artikel vom 14.04.2004
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