Im Mai wird der Ausländerbeirat neu gewählt

Lobby für Ausländer

Cumali Naz, bisheriger Vorsitzender des Ausländerbeirates möchte in der nächsten Wahlperiode ein Wahlrecht bei Bürgerversammlungen erreichen.	Foto: ABR

Cumali Naz, bisheriger Vorsitzender des Ausländerbeirates möchte in der nächsten Wahlperiode ein Wahlrecht bei Bürgerversammlungen erreichen. Foto: ABR

280.000 Menschen ohne deutschen Pass leben in München. Das sind immerhin mehr als 20 Prozent der Gesamtbevölkerung der Landeshauptstadt. Die Ausländer leben oft schon seit Jahrzehnten, manchmal sogar in zweiter oder dritter Generation in der Fremde.

Sie arbeiten hier, ihre Kinder besuchen deutsche Schulen, haben deutsche Freunde. Viele sind perfekt integriert in der Landeshauptstadt, trotzdem bleiben sie Ausländer und politisch gesehen ziemlich machtlos.

Wählen dürfen sie nicht, außer wenn sie aus der EU stammen oder die doppelte Staatsbürgerschaft haben. Trotzdem haben auch die 280.000 Münchner Ausländer eine eigene politische Lobby – den Ausländerbeirat. In der Woche vom 3. bis 9. Mai werden 230.000 Wahlberechtigte diesen wiederwählen können.

Bis Mitte März konnten Wahlvorschläge abgegeben werden, mittlerweile stehen die Kandidaten für das 40-köpfige Gremium fest: Insgesamt 692 Frauen und Männer, verteilt auf 34 Listen, haben sich um das überparteiliche Ehrenamt beworben. „Überrascht, aber erfreut“, sei man gewesen, erklärte Gottfried Grill, der Geschäftsstellenleiter des Beratergremiums. Bisher sei nämlich Umfragen zu Folge die Bekanntheit des Gremiums zwar hoch gewesen, allerdings lag die Wahlbeteiligung vor sechs Jahren bei lediglich zehn Prozent.

Das soll sich in diesem Jahr ändern: Oberbürgermeister Christian Ude als Wahlleiter verfügte, dass die Wahl über eine ganze Woche abzuhalten sei. Außerdem soll eine breit angelegte Kampagne nach Ostern alle ausländischen Bürger über 18 Jahren und die erst nach 1998 eingebürgerten (Neu-) Deutschen mobilisieren. Schon jetzt müsste jeder Wahlberechtigte per Post eine Wahlbenachrichtigung bekommen haben.

Das Kreuzchen kann gemacht werden im Kreisverwaltungsreferat, im Rathaus, in den Bezirksinspektionen Pasing und Giesing und im Olympiazentrum. Um das Ganze so einfach wie möglich zu gestalten, darf das Wahllokal frei ausgesucht werden. Aufpassen müssen allerdings doppelte Staatsbürger und eingebürgerte Deutsche: Sie müssen sich bis zum 17. April erst noch in das Wählerverzeichnis eintragen lassen.

Gesetze wie Satzungen und Verordnungen kann das Gremium freilich nicht erlassen, das darf nur der Stadtrat. Der Ausländerbeirat ist im Moment nur ein beratendes Gremium, das dafür ausführlich: Der Stadtrat ist verpflichtet, den Ausländerbeirat bei allen Belangen anzuhören, die Nichtdeutsche betreffen. Außerdem können die 40 Mitglieder Empfehlungen und Forderungen an den Stadtrat und die Stadtverwaltung abgeben. Zudem hilft die Geschäftsstelle in der Burgstraße bei der Suche nach Sprachkursen oder kulturellen Veranstaltungen.

Das Gremium versteht sich als Lobby für alle Ausländer und soll Kontakte herstellen zwischen allen Münchner Bürgern, über ehrenamtliches Engagement informieren und nicht zuletzt über die gleiche Behandlung aller Menschen in der Stadt wachen. Integrationsprojekte oder Kulturfeste können vom Ausländerbeirat gefördert werden.

Cumali Naz, Vorsitzender des Beirats, stellte unlängst fest, dass „wir indirekt die städtische Politik beeinflussen. Allerdings haben wir grundsätzlich natürlich nur Rede-, kein Stimmrecht“. Trotzdem hat der Beirat in den letzten sechs Jahren mehr als 150 Anträge im Stadtrat gestellt – und nicht wenige wurden umgesetzt. So wurde etwa eine Beschwerdebeauftragte für Ausländer bei der Stadt eingerichtet. Außerdem gibt es mit dem so genannten „Büro Mova“ eine Ausbildungsplatz-Initiative für benachteiligte Auszubildende in Betrieben. In die Öffentlichkeit tritt das Gremium als regelmäßiger Mitveranstalter der „Tage des ausländischen Unternehmens“ oder des „AnderArt-Kulturfests“ auf.

Nicht immer treffen die Forderungen des Ausländerbeirats auf Gegenliebe: Etwa bei der Forderung, einen Frauenbadetag in städtischen Bädern einzuführen. Muslimische Frauen würde es oft ihr Glauben verbieten, zusammen mit Männern zu baden, so die Begründung des von Türken und türkischstämmigen Menschen dominierten Beirates. Deswegen forderte man, den Samstag als Frauenbadetag zu etablieren.

Vor allem CSU-Stadträte und -Bezirksausschussmitglieder protestierten vehement gegen die Forderung, sogar regelmäßige Versammlungen vor den Türen der Schwimmbäder wurden organisiert. Aktivitäten, die Naz süffisant bewertet: „Da ging Parteipolitik eben vor frauenspezifische Belange“. Den Frauenbadetag gibt es mittlerweile trotzdem. Zwar immer mittwochs, und nur im Hallenbad Giesing/Harlaching, aber immerhin.

Als Ziele für die nächste Legislaturperiode sieht Naz, der sich für die „Türkische Einheitsliste“ erneut der Wahl stellt, vor allem die Sprachförderung von Ausländerkindern im Vorschulalter, außerdem würde er in Schulen mit vielen ausländischen Kindern gerne einen Beauftragten für interkulturelles Lernen installieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Mitentscheidungsrecht bei Bürgerversammlungen, hier haben Ausländer momentan noch das Nachsehen.

Von Filippo Cataldo

Stichwort: Ausländerbeirat

Seit mittlerweile dreißig Jahren gibt es einen Ausländerbeirat in München. Am 4. April 1974 beschloss der Stadtrat in seiner Vollversammlung die Einrichtung eines solchen Gremiums. Damals noch über Wahlmänner gewählt, sollte sich der Beirat vor allem um die bessere Integration der Gastarbeiter kümmern. 1991 wurde das Gremium erstmals direkt von den ausländischen Münchnern gewählt, so auch wieder in der ersten Maiwoche. Gewählt wird der Ausländerbeirat wie der Stadtrat – jeder Wähler kann 40 Stimmen vergeben, wobei einem Kandidaten höchsten drei Stimmen gegeben werden. Weitere Informationen gibt es unter www.auslaenderbeirat-muenchen.de oder 0 89 / 23 39 25 54.

Artikel vom 10.04.2004
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