S-Bahn und „MVG“ suchen neue Wege

Nahverkehr vor dem Kollaps

Ein neuer S-Bahntunnel soll die Stadt durchqueren. Allerdings erst in sechs Jahren und zu einem Preis von etwa einer Milliarde Euro.	Foto: DB AG

Ein neuer S-Bahntunnel soll die Stadt durchqueren. Allerdings erst in sechs Jahren und zu einem Preis von etwa einer Milliarde Euro. Foto: DB AG

Max, der Maulwurf, macht bald Pause, aber nur für einige Zeit: stehen doch etliche Neuerungen bei Münchens öffentlichem Nahverkehr an. Die Bauarbeiten im Stammstreckentunnel der S-Bahn sind zwar kurz vor dem Abschluss und ermöglichen ab Dezember 2004 den teilweisen 10-Minuten-Takt.

Aber schon haben die Planungen für einen zweiten Tunnel begonnen und ebenso die Konzeption einer so genannten City-Spange der U-Bahn. Außerdem werden ab 1. April 2004 die MVV-Tarife erhöht.

Aufgehoben ist inzwischen die Tunnelsperrung zwischen Ostbahnhof und Hackerbrücke an den Wochenenden bereits seit dem 16. Februar 2004. Gearbeitet wird noch bis zum 3. April 2004, jeweils in den Nächten von Montag auf Dienstag bis zu den Nächten von Freitag auf Samstag. Danach heißt es wieder: Die ganze Woche freie Fahrt für alle S-Bahnen auf der Stammstrecke!

Diese ist, laut Bahnsprecher Horst Staimer, die meist befahrenste Zugstrecke Deutschlands. Und das bringt entsprechende Probleme mit sich, wie jeder Münchner weiß: Gibt es eine Störung in einem der unterirdischen Bahnhöfe oder auf der Strecke, dann ist der gesamte Innenstadtverkehr und die Durchquerung von West nach Ost lahmgelegt. Die Staugefahr steigt ab Dezember 2004 weiter. Dann sollen nicht mehr 24, sondern 30 Züge pro Stunde und Richtung den Tunnel passieren. Damit dieser Zwei-Minutentakt erreicht werden kann, wurde in den letzten Monaten heftig an den Signalanlagen unter Tage gebaut. Denn nur mit moderner Steuertechnik kann diese hohe Zugzahl erreicht werden – an der störungsanfälligen Nadelöhr-Problematik ändert das jedoch nichts.

Um die Engstelle zu entlasten, soll parallel zum bestehenden Tunnel eine zweite Röhre gebohrt werden – Fertigstellung allerdings nicht vor Ende des Jahrzehnts. Für den Bau haben kürzlich die ersten Probebohrungen stattgefunden.

Diese sollen Aufschluss über die geologische Beschaffenheit des Bodens geben – eine wichtige Grundlage für das nötige Planfeststellungsverfahren. Gebohrt wird vom Hauptbahnhof ab alle 500 Meter, die gesamte Neubaustrecke entlang. „Der Fortschritt der geplanten zweiten Strecke hängt vom Planfeststellungsverfahren ab“, so DB-Sprecher Staimer. Falls bei den Bohrungen keine größeren Probleme auftauchen, könne 2006 mit dem Bau begonnen werden. Liefe alles ohne weitere Schwierigkeiten, soll, so die Hoffnung der Bahn, die Strecke bis 2010 befahrbar sein.

„Mit dieser Entscheidung sind die Diskussionen um eine Südumfahrung als zweite Stammstrecke vom Tisch“, meint Staimer. Der DB-Sprecher glaubt an die Vorteile des Stammstreckensystems durch die Innenstadt: „Die Fahrgäste wollen ins Herz der Stadt fahren, das bedienen zu können, ist auch der Vorteil der Münchner S-Bahn. Egal, von wo der Fahrgast kommt, er wird immer am Marienplatz landen.“ Dort soll natürlich auch ein neuer Tunnelbahnhof entstehen.

Ein weiterer wird aller Voraussicht nach am Hauptbahnhof gegraben werden. Eine grobe Kostenschätzung für das Großprojekt liegt auch schon vor, von einer Milliarde Euro wird zurzeit gesprochen. Wie bei so vielen Verkehrsprojekten derzeit ist auch hier die Finanzierung noch unsicher. Neben all dem Nutzen eines zweiten S-Bahn-Tunnels werden sich aber auch Nachteile ergeben.

Schon heute läuft das meiste Fahrgastaufkommen über wenige Knotenpunkte, vor allem über Marienplatz, Odeonsplatz, Sendlinger Tor, Stachus und Hauptbahnhof. Dort wird am häufigsten umgestiegen, daran wird auch eine zweite Stammstrecke nichts ändern. So wird jedoch die Belastung für die jetzt schon stark frequentierte U-Bahn steigen. Noch mehr Fahrgäste werden die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen und auch zum neuen Stadion in Fröttmaning müssen Woche für Woche Zehntausende Fans transportiert werden.

Vor allem für Bahnpendler sind die Anfahrtswege häufig mit zwei Umsteigevorgängen auf kurzem Abschnitt verbunden: Wer etwa von einem Regionalzug aus dem Umland in Richtung Universität fahren will, steigt meist am Hauptbahnhof in die S-Bahn oder in die U4/U5 und muss zwei Stationen weiter, nämlich am Marienplatz oder am Odeonsplatz, erneut umsteigen, um dann die U3/U6 zu nehmen. Planer schätzen, dass bis 2005 über 200.000 zusätzliche Fahrgäste pro Tag die Linien U3 und U6 nutzen werden. Ein Kollaps droht. Der Geschäftsführer der „Münchner Verkehrsgesellschaft“ (MVG), Herbert König, hat nun ein Konzept für eine so genannte City-Spange vorgelegt, um das Aufkommen zu entzerren. König möchte zwischen Hauptbahnhof und Stachus aus der künftigen zweiten S-Bahnstammstrecke eine neue U-Bahnlinie ausfädeln lassen.

Von dort soll sie dann direkt, mit nur einer Haltestelle im Bereich der Pinakotheken, zur Münchner Freiheit laufen. Dort würde sie in die bestehende Trasse der U6 nach Norden in Richtung Fröttmaning-Garching münden. Kurzfristig ist auch diese Idee zur direkten Anbindung des neuen Stadions an den Hauptbahnhof nicht zu verwirklichen. Eine wesentliche Weichenstellung fände aber laut König noch in diesem Jahr statt: die Planung für die zweite S-Bahnstammstrecke. Würde eine mögliche Ausfädelung der City-Spange zwischen Hauptbahnhof und Stachus bereits jetzt eingeplant, würde die Realisierung der City-Spange, wann auch immer, ermöglicht,. Deshalb müsse das MVG-Konzept jetzt diskutiert und gegebenenfalls konkretisiert werden, so die Forderung der Verkehrsbetriebe.

Neben diesen positiven Aussichten für die Nutzer des Münchner Nahverkehrs drohen wieder einmal trübe Zeiten für den Geldbeutel: Die Tarife werden abermals geändert und in den meisten Fällen erhöht. Allerdings ergeben sich auch Vergünstigungen, zumindest für die Käufer der Tageskarte „München XXL“. Deren Preis steigt um 50 Cent auf 6 Euro, aber ihr Geltungsbereich wird erweitert. Außerdem kostet die Streifenkarte ab 1. April 9,50 Euro (50 Cent mehr). Für eine Kurzstreckenfahrt muss also künftig 1,10 Euro berappt werden. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 29.03.2004
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