Gedenkveranstaltung in Haidhausen zur Grundsteinlegung der neuen Synagoge

Jeder Name ein Mensch

Dort wo Georg Elser 1939 ein Attentat auf Hitler unternahm, im ehemaligen Bürgerbräukeller, erinnern Menschen an die von den Nazis verfolgten Münchner Juden.

Dort wo Georg Elser 1939 ein Attentat auf Hitler unternahm, im ehemaligen Bürgerbräukeller, erinnern Menschen an die von den Nazis verfolgten Münchner Juden.

Sonntagmorgen um acht Uhr. Zugegeben, das ist eine Zeit, wo die meisten normalerweise noch in tiefem Schlummer weilen, schließlich ist Wochenende.

So denkt eigentlich auch Benjamin Andrae. Aber am kommenden Sonntag, 9. November, muss der 22-Jährige früh raus.

Denn der Student ist einer von 30 Haidhausern und Auern, die an diesem Tag eine besondere Aufgabe übernommen haben: Als Auftakt zur Grundsteinlegung für die neue Synagoge am St.-Jakobs-Platz, werden am Gasteig überwiegend junge Stadtteilbewohner Namen von Münchner Juden vortragen, die während des Naziregimes deportiert, ermordet oder in den Selbstmord getrieben wurden. Gleichzeitig erinnern auch Bürger der Stadtteile Altstadt-Lehel, Maxvorstadt und Neuhausen-Nymphenburg an das Schicksal von 2500 Opfern.

Seit fünf Jahren gedenkt die Israelitische Kultusgemeinde München und der Verein »Gegen Vergessen – Für Demokratie« damit der »Reichskristallnacht« am 9. November 1938, als in ganz Deutschland eine beispiellose Hatz auf jüdische Mitbürger begann. Bisher war die Veranstaltung an der ehemaligen Hauptsynagoge an der Herzog-Max-Straße.

»Eindrucksvoll«, beschreibt Helga König von »Gegen Vergessen – Für Demokratie« solche Namenslesungen, man erfahre nicht nur den Namen oder wann jemand deportiert wurde, sondern auch das Alter und den Beruf. Eine eigentümliche Sogwirkung entsteht, die sich diesmal an verschiedenen Orten mit historischer Bedeutung entfalten wird: 2500 Schicksale in zwei Stunden an vier Orten der Stadt.

In Haidhausen hat sich der dortige Bezirksausschuss Au-Haidhausen (BA 5), der das Ganze lokal organisiert, für die Gedenkplatte zu Ehren Georg Elser am Gasteig entschieden. Der Handwerker unternahm dort 1939 am heutigen Kulturzentrum, dem ehemaligen Bürgerbräukeller, vergeblich ein Attentat auf Hitler.

Dass die Lesung am Sonntagmorgen von acht bis zehn Uhr stattfindet, findet Adelheid Dietz-Will, Vorsitzende des BA 5, »schon hart«, hofft aber trotzdem auf zahlreiches Publikum. Und, müde oder nicht: »Für eine gute Sache« steht auch Benjamin Andrae gerne auf.

Der Zeitpunkt ist übrigens so früh, weil die Namenslisten am gleichen Tag beim offiziellen Festakt am St-Jakobs-Platz in den Grundstein der neuen Synagoge gelegt werden. Für alle Bürgerinnen und Bürger ist dort dann ab 15.30 Uhr ein umfangreiches, kostenloses Programm. Michaela Schmid

Artikel vom 05.11.2003
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...