Literatur-Tour mal anders: Mit Karl Valentin und der Straßenbahn unterwegs

Sonderzug gen Nonsens

Peter Böhme und Petra Preußner ließen Witziges von Karl Valentin wieder aufleben – in der Tram.

Peter Böhme und Petra Preußner ließen Witziges von Karl Valentin wieder aufleben – in der Tram.

»Ja, wos kummt denn da daher?«, ruft die ältere Dame verzückt als sie den Sonderzug der Straßenbahn Linie 19 in den Orleansplatz einbiegen sieht. Was da so Wundersames daherkommt ist die »Karl Valentin«-Tram, die im Rahmen des Ersten Bayerischen Literaturfestivals »Monacissimo« am vergangenen Samstag durch Haidhausen und Bogenhausen rollte.

Bekanntlich war der junge Karl Valentin, damals noch Valentin Fey, Schreinerlehrling in Haidhausen. Aber nicht lange. »Bald entwendete ich einen Nagel, schlug ihn in die Wand und hing an demselben das goldene Handwerk der Schreinerei für immer auf«, so Valentin – und verdingte sich nun als »Vereinshumorist« in diversen Lokalen im Viertel. 1908 ist er bereits so bekannt, dass er beim Malerfürsten Franz von Stuck einen »Privatauftritt« absolviert.

Den erleben auch die Menschen in der Sondertram bei Bier und Valentin-Brez’n. Höchstpersönlich begrüßt Karl Valentin (gespielt von Peter Böhme) alle Fahrgäste, während er verzweifelt versucht seine Jacke an der Haltestange aufzuhängen. Doch nicht nur Valentin hat den Weg in die vom Englschalkinger Kunstmaler Theo Frenken mit Valentinmotiven herausgeputzte Straßenbahn gefunden.

Auch Liesl Karlstadt (Petra Preußner) ist da und versucht Valentin davon zu überzeugen, dass die Mehrzahl von Semmelknödel tatsächlich Semmelknödel heißt. »Das kann gar nicht sein, denn aus einer Semmel macht man zwar einen Semmelknödel, aber aus zehn Semmeln werden Semmelnnn-Ködelnnn«, behauptet steif und fest der Karl.

»Wir wollten ihm zu Ehren etwas organisieren, da es viele Verbindungen zwischen Valentin und der Tram gibt«, erläutert Alfons Schweiggert, Mitglied der Turmschreiber, der immer wieder Valentin-Anekdoten erzählt. Der einzige, der auf der Fahrt nicht entspannt zu wirken scheint, ist der Fahrer, denn bei jedem Halt versuchen Leute einzusteigen. »Mei, des ist halt immer des gleiche, alle reden durcheinander, aber alle verstehen auch nichts«, plärrt dazu Liesl Karlstadt, während Valentin einen kräftigen Schluck Bier nimmt.

Und auch die Enkelin Karl Valentins ist unter den Gästen. Anneliese Kühn war acht Jahre alt, als ihr geliebter Großvater starb. Er hatte die kleine Anneliese so zum Fressen gern, dass er sich beispielsweise desöfteren gegen kannibalistische Anwandlungen wehren musste, so schreibt er in kleinen Geschichten für seine Enkelin. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten, vorbei an Max-Weber-Platz, Isartor und Effnerplatz, erreicht die Sondertram trotz aller valentinesken Eskapaden aber wieder wohlbehalten den Orleansplatz.

Schon drängen sich neue Fahrgäste in die Türen und noch lange hört man den mittlerweile zum Weiß Ferdl mutierten Peter Böhme : »Ja Leit, lasst’s halt d’Leit naus...« Kathrin Schubert/ Michaela Schmid

Artikel vom 08.10.2003
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