Herrenmode vom Rokoko bis heute

Sind Männer fantasielos?

Warum nicht mal Tapete tragen: Anzug »NO2« von 2002.

Warum nicht mal Tapete tragen: Anzug »NO2« von 2002.

Bislang war Herrenmode ein Stiefkind im Bereich muscaler Präsentationen sowie wissenschaftlicher Publikationen. Jetzt rehabilitiert das Modemuseum im Stadtmuseum dieses zu Unrecht vernachlässigte Thema durch die groß angelegte Ausstellung »Von Pfau zu Pfau – Herrenmode vom Rokoko bis heute«, die derzeit bis 18. April 2004 am St.-Jakobsplatz 1 zu sehen ist.

Mit zahlreichen Exponaten aus eigenen Beständen – Kleidungsstücken und Accessoires wie Hemden, Hüte oder Hosenträger, aber auch Karikaturen, welche die Eitelkeit von »Dandys« und »Modegecken« satirisch aufs Korn nehmen – wird ein spannendes Kapitel europäischer Mode- und Kulturgeschichte aufgerollt.

Dabei geht es nicht um eine chronologische Gesamtdarstellung der Entwicklung der Herren-Couture von ihren Anfängen bis heute. Vielmehr soll an typischen Trägergruppen das Wechselspiel zwischen Extrovertiertheit und Konservatismus beleuchtet werden, um das Vorurteil männlicher Phantasielosigkeit zu entkräften.

Viele der wertvollen Stücke hatten prominente Besitzer: so ist ein Hausrock König Ludwigs I. ebenso zu entdecken wie der Trachtensmoking des Malers Ruppert Stöckl oder ein Mantel des Pianisten Claudio Arrau.

Die Schau setzt mit der exzentrischen höfischen Männermode im Frankreich Ludwigs XIV ein, die stilbildend für den Rest Europas werden sollte. Bunte Fräcke des Rokoko und bestickte Biedermeier-Westen demonstrieren modische Variationen früherer Epochen.

Erst mit der Gründerzeit setzte der Trend zum schwarzen Anzug ein, der bis heute anhält – auch wenn auf den Laufstegen von Mailand, Florenz und Paris phantasievolle Formen und originelle Farbkombinationen für Männer dominieren. Wie stark das Wechselspiel der Mode auch das 20. Jahrhundert prägte, lässt sich an der Spanne zwischen den lockeren, sportlichen Schnitten der Gesundheitsreform um 1900 erkennen, die sich zu schmalen Silhouetten der 20er und breiten Schultern in den 30er Jahren veränderten und bis zur legeren Jugend- und Freizeitmode der 50er Jahre reichten.

Besonders nach dem 2. Weltkrieg setzte ein permanentes Auf und Ab stilistischer Trends ein, die von zeitgeschichtlichen Ereignissen inspiriert wurden – sei es die musikalische Revolution der Beatles, welche sich in poppigem Blumendesign auf männlichen Brüsten niederschlug oder die kriegerischen Auseinandersetzungen im letzten Jahrzehnt, die Tarnanzüge im Military-Look »in« werden ließen.

Mit Entwürfen unter anderem von Moschino und Versace führt diese Mode-Schau auch Positionen der Avantgarde vor, die einmal mehr beweisen: Männermode muss nicht einfallslos und öde sein.

Artikel vom 02.10.2003
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...