Der Verein »Lichterkette« lud zur »Deutschstunde« und viele wollten dabeisein

Lerne für den Frieden

Die »Biermösl Blos’n« betätigten sich in der Alabamahalle als Deutschlehrer.

Die »Biermösl Blos’n« betätigten sich in der Alabamahalle als Deutschlehrer.

Ein eher ungewöhnliches Publikum versammelte sich am vergangenen Montag in der Alabamahalle: Keine tanzwütigen Horden drängten sich vor dem Eingang der Diskothek auf dem Domagkgelände. Stattdessen gab sich allerlei Münchner Kultur- und Kabarettvolk die Klinke in die Hand, hatte doch der Verein »Lichterkette e.V.« zur ersten »Deutschstunde« eingeladen.

So heißt eine Reihe von Benefizveranstaltungen, die der Verein organisiert. Profitieren sollen Projekte, die Einwanderern in Deutschland Sprachunterricht geben.

Denn, so Lichterketten-Gründer Gil Bachrach: »Sprache ist der Integrationsfaktor Nummer Eins. Wer als Ausländer die Landessprache nicht kennt, bleibt ausgeschlossen.« Die 750 Gäste, die an diesem Abend zur ersten »Deutschstunde« gekommen sind, haben Sprachunterricht allerdings nicht nötig. Und eigentlich wäre ja auch Nachhilfe im Bayerischen geboten, bestimmen doch der Schauspieler Jörg Hube und das bayerische Musiker-Trio »Biermösl Blosn« den Lehrplan. Hube liest aus Lion Feuchtwangers Roman »Erfolg« aus dem Jahr 1926.

Für Kinder ist Bayerisch vielleicht weniger wichtig, aber Hochdeutsch auf jeden Fall. Ob auf dem Spielplatz oder später in der Schule, wer nicht versteht ist Außenseiter, hat Probleme. Deswegen kommt der Erlös des Abends dem Münchner »Schlau-Projekt« zu Gute, das sich um Schulbildung von Flüchtlingskindern kümmert.

Michael Stenger, der Leiter des Projektes, schildert die Situation dieser Kinder, die hauptsächlich aus dem Nahen Osten, aus Afghanistan und Afrika geflüchtet sind.

»Diese Mädchen und Jungen kommen traumatisiert an, alleine, ohne Familie. Bekommen das selbe Asyl-Verfahren wie ein Erwachsener und landen im Loch der Perspektivlosigkeit: Keine Schule, keine Fahrkarte und kein Asyl.« 70 Jugendliche werden momentan vom »Schlau-Projekt« unterrichtet. Zuerst geht es dabei um die Grundfertigkeiten der deutschen Sprache, mit der Zeit aber wird der Lehrplan dann an den der bayerischen Schulen angeglichen.

Auch Ehrengast Oberbürgermeister Christian Ude mahnt eindringlich – aber nicht nur was die deutsche Sprache angeht: »Ausländerfeindlichkeit ist in München immer noch Thema. Die Bemühungen der »Lichterkette« sind deshalb von beklemmender Aktualität.« Ganz aktuell muss sich Ude aber auch einen kleinen Seitenhieb gefallen lassen.

»Die Stadt München hat ja bereits die erste Deutschstunde geliefert und gleich mal ein paar Bibliotheken still gelegt...« heißt es da aus den Reihen der Biermösl Blosn. Und das ist nur halb so lustig gemeint wie es klingt. Meredith Haaf

Artikel vom 02.10.2003
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