Die Wellenreiter vom Eisbach

Surfin’Munich

Nichts für Ungeübte: Die Surferboys vom Eisbach im Englischen Garten.

Nichts für Ungeübte: Die Surferboys vom Eisbach im Englischen Garten.

Nanu, gibt´s hier was umsonst? Auf der Brücke zwischen Haus der Kunst und Bayerischem Nationalmuseum haben sich, wie jeden Tag im Sommer, Menschentrauben gebildet.

Viele stehen auf Zehenspitzen, um wenigstens einen kurzen Blick zu erhaschen auf das, was sich da zu ihren Füßen abspielt: Frauen und Männer – teils stecken sie in schützenden Neopren-Anzügen, teils tragen sie aber auch nur gewöhnliche Badesachen – stürzen sich dort unten mutig in die wilden Fluten des Eisbachs.

»Bewaffnet« sind sie lediglich mit einem Surfboard, auf dem sie mehr oder weniger gekonnt über eine bedrohlich hohe Welle balancieren. – Miami mitten in München. Surfin’ Munich Town.

»So eine künstliche, perfekt stehende Welle – das gibt es nur ganz selten«, schwärmt Wellenreiter David, der gerade klatschnass aus dem Wasser steigt. »Noch dazu mitten in der Großstadt!« David ist neu in München und surft erst seit zwei Wochen auf dem Eisbach. Zuvor kannte er Wellenreiten nur auf dem Meer: »Das ist ganz anders. Da muss man die Wellen anstarten oder anpaddeln.«

Trotzdem ist das Surfen auf der Eisbach-Welle kein bisschen leichter als das Wellenreiten auf dem Meer. Im Gegenteil: Unter der Brücke schießt das Wasser mit ungeheurem Druck aus einem Tunnel in das Bachbett. Nur 40cm oberhalb des Kanalausgangs befindet sich eine Schwelle, wodurch sich das Wasser etwa einen Meter hoch auftürmt. Auf der entstehenden Welle kann man sogar Schrägfahren und sogenannte »Turns«, also Wenden, üben.

Bis es – spätestens nach zwei, drei Minuten – jeden »Reiter« rückwärts vom Brett fegt. »Also nur etwas für Geübte!«, betonen alle Surfer, die am Ufer darauf warten, wieder an die Reihe zu kommen. Denn die Welle kann nie von zwei Surfern gleichzeitig »geritten« werden.

»Eigentlich möchten wir das hier gar nicht so sehr publik machen«, erklärt ein junger Mann in blauen Boxershorts, der seinen Namen nicht nennen möchte. Dabei deutet er auf ein großes Verbotsschild, das an einem Brückenpfeiler befestigt ist. Offiziell ist das City-Surfing auf dem Eisbach nämlich nicht erlaubt, wird aber stillschweigend geduldet – immerhin hat sogar einer der erfolgreichsten deutschen Brandungssurfer, der Münchner Quirin Rohleder, hier sein Handwerk erlernt – oder besser: perfektioniert. »Für Anfänger ist die Verletzungsgefahr aber wirklich zu groß«, beteuern die versammelten Eisbach-Surfer. »Deshalb sollte man nicht unbedingt dafür werben, dass noch mehr Leute hierher kommen.«

Zugleich geht es den Wellenreitern aber auch darum, ihre »heile City-Surf-Welt« zu erhalten. »Das hat als eine Art Subkultur angefangen, ganz ohne kommerzielle Hintergedanken, und so soll es auch bleiben«, bemerkt der Mann mit den blauen Boxershorts, bevor er sich mit seinem Brett erneut in die Fluten stürzt.

Artikel vom 21.08.2003
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