Retrospektive des italienischen Regisseurs Antonioni

Labyrinthische Leere der Stadt

Subtile Blicke und Entgrenzungen im Werk des italienischen Regisseurs Antonioni.	Foto: Filmmuseum

Subtile Blicke und Entgrenzungen im Werk des italienischen Regisseurs Antonioni. Foto: Filmmuseum

Altstadt · Noch bis 29. Mai zeigt das Filmmuseum im Stadtmuseum, St.-Jakobs-Platz 1, das Gesamtwerk eines der bedeutendsten lebenden Filmregisseure: Michelangelo Antonioni, dessen Lebenswerk bei den Filmfestspielen Venedig 2002 anlässlich seines 90. Geburtstags geehrt wurde.

Aus gleichem Anlass restaurierte und organisierte die Cinecittà Holding in Rom unter der Leitung von Carlo di Carlo die Filmkopien und erstellte zudem englische Untertitel. Nach Venedig, Wien und Luxemburg ist München nun die einzige deutsche Stadt, in der die Filmreihe zu sehen sein wird. Antonionis Kurzfilme der 40er Jahre sind noch vom Geist des Neorealismus geprägt, doch schon sein erster Langfilm, »Cronaca di un amore« (1950), konzentriert sich mit feinen Zwischentönen auf die Gefühlslagen und Rituale der Bourgeoisie statt auf Armut und die Arbeiterklasse. Im Laufe seiner Entwicklung entfernt sich Antonioni immer mehr von den Formen des klassischen Kinos. Die Entfremdung seiner Figuren voneinander und von der Realität äußert sich zunächst über subtile Blicke, Beobachtungen und Kamerabewegungen. Die dramatische Erzählung tritt nun, zugunsten einer ganz eigenen Gestaltung von Zeit und Raum, immer stärker in den Hintergrund. Antonionis sechster Film »L’avventura« wurde 1960 in Cannes von der Kritik zwar spontan als Meisterstück gefeiert, vom Publikum jedoch als skandalös abgelehnt. Mit diesem und den folgenden Werken »La notte« (1961), »L’ecclise« (1962) und »Il deserto rosso« (1964) avancierte der Regisseur binnen kürzester Zeit zum meistdiskutierten Künstler des internationalen Films. Dieser Status verdankte sich nicht nur seinem radikalen Stil, sondern auch dem Zeitgeist der 60er Jahre. Die kühlen, fotografisch und szenisch ausgefeilten Ansichten von Monica Vitti, Jeanne Moreau, Marcello Mastroianni und Alain Delon definieren ein konkretes Lebensgefühl: einsame Figuren auf ihrem Weg durch die geheimnisvolle, labyrinthische Leere der Städte und Vorstädte. Seine internationale Karriere in den späten 60er und 70er Jahren (mit Filmen wie »Blow up« und »Zabriskie Point«) führte Antonioni noch unmittelbarer an die junge Gegenwartskultur heran. In dieser Zeit entstand auch ein epischer Dokumentarfilm über China sowie »Professione reporter« (1975) mit Jack Nicholson und Maria Schneider – ein existentialistisches Roadmovie über die Suche nach Identität und Wirklich-keit. Seit einem Schlaganfall Mitte der 80er Jahre widmet er sich nur mehr sehr sporadisch der Filmarbeit. Carlo di Carlo, Leiter der Filmrestaurierungen und enger Freund Antonionis, wird am Donnerstag, dem 24. April um 19.00 Uhr bei der Vorführung von »L´avventura« im Filmmuseum anwesend sein und über seine Arbeit berichten. Begleitend sind im Kinofoyer Fotos von Gerhard Ullmann aus Antonionis Filmen zu sehen.

Artikel vom 25.04.2003
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