Bürgerinitiative sammelt Unterschriften

Lesung und Diskussion

München · Was ist hier los, fragten sich viele Passanten, die am vergangenen Donnerstag am Marienplatz vorbeikamen. Lief da eine Kundgebung?

Wohltönende Stimmen waren zu hören, und wer stehen blieb und genau lauschte, vernahm ungewohnte Töne: Tiefbayerisch und frech las der bekannte Schauspieler und Sprecher Wolf Euba eine Geschichte aus Oskar Maria Grafs »Bayerischen Decameron«.

Später erklomm Hans Pleschinski die Ladefläche des Pickups, von dem aus die erste »literarische Demonstrationslesung« der Bürgerinitiative »Bürgerbegehren« auf eine akut drohende Gefahr hinwies: Während draußen Literaten lasen, diskutieren drinnen im Rathaus die Stadträte, die Kulturreferentin und der Oberbürgermeister über die Zukunft der Münchner Stadtteilbibliotheken. Und um die fürchtet die Bürgerinitiative seit Sommer 2002. Damals kam das Gerücht auf, den Bibliotheken in Ramersdorf und Berg am Laim drohe die Schließung. Auf die ersten Proteste und Unterschriftensammlung besorgter Bürger hin erklärten die Leitung der Stadtbibliotheken und die verantwortlichen Politiker monatelang, nichts sei beschlossen. Doch Ende des Jahres wurde klar: Das Kulturreferat plante die Schließung von weit mehr als zwei Bibliotheken, nicht nur in Ramersdorf. Als Begründung wurde die städtische Finanzkrise ins Feld geführt.

Die Ramersdorfer Bibliotheksinitiative hat nun ein Bürgerbegehren in ganz München ins Rollen gebracht, eine Abstimmung, mit der Münchens Bürger sicherstellen können, dass Münchens hervorragendes Bibliothekssystem nicht kaputtgespart wird. Seit dem Start des Bürgerbegehrens in einer Veranstaltung am Aschermittwoch mit dem Liedermacher Konstantin Wecker trommeln die Bürgerinitiativler für die 30.000 Unterschriften, die sie zur Einleitung der Bürgerabstimmung über die Bibliotheken brauchen.

Die »literarische Demonstrationslesung« auf dem Marienplatz wurde von vielen namhaften Literaten Münchens unterstützt. Zur »Demonstrationslesung« kamen auch der langjährige deutsche PEN-Präsident, der Lyriker und Romanschriftsteller Gert Heidenreich und der Schriftsteller und Satiriker Joseph von Westphalen. Ihre Unterstützung für das Bürgerbegehren haben zugesagt: Die Filmregisseurin und Schriftstellerin Doris Dörrie, Uwe Timm, der Schauspieler und Regisseur Udo Wachtveitl, bekannt als Tatort-Kommissar Leitmayr und der Schriftsteller, Romancier und Essayist Carl Amery, der weiß, wovon er spricht: Er war vor seiner Zeit als freier Schriftsteller der Direktor der Münchner Stadtbibliotheken.

Die Ankündigung des Bürgerbegehrens hat SPD und Grüne im Münchner Stadtrat aufgeschreckt. An der Kulturreferentin vorbei vereinbarten sie daraufhin einen »Bibliothekenkompromiss«. Zur Zeit sollen angeblich nur zwei Bibliotheken geschlossen, sechs weitere zu drei sogenannten »Mittelpunktsbibliotheken« zusammengefasst werden. Doch die zukünftige Entwicklung ist weiter ungewiß. Deshalb sammelt die Initiative für die Erhaltung der Münchner Stadtteilbibliotheken unbeirrt Unterschriften.

Unterschreiben können Sie in der Nähe jeder Stadtbibliothek, in der Regel können Ihnen die Bibliothekare Auskunft geben, wo Sie sich eintragen können. Sie erhalten die Unterschriftenlisten auch über die Internetadresse www.buecherbegehren.de oder wenden sich an: Ulrich Chaussy, Bernauer Straße 34, 81669 München, Telefon 6 80 38 28. Nur eine starke Bürgerlobby kann sicherstellen, dass das System der bürgernahen Stadtteilbibliotheken möglichst unbeschadet erhalten bleibt.

Artikel vom 26.03.2003
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