Opposition »Bündnis Zukunft 1860« im Wahlkampf

Politische Klimmzüge beim TSV 1860 München

Kritik aus der Kurve: »Bündnis Zukunft 1860«. Foto: Anne Wild

Kritik aus der Kurve: »Bündnis Zukunft 1860«. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Eine sich »Bündnis Zukunft 1860« nennende Gruppierung tritt als Vereinigung von Kandidaten zu den Verwaltungsratswahlen bei der Mitgliederversammlung des TSV München von 1860 e. V. an. Die Mitglieder der Liste wollen künftig eine klubpolitische Rolle einnehmen. Darauf finden sich illustre Namen, die bereits während ihres Wahlkampfs für reichlich Furore sorgen.

Mit Klaus Josef Lutz (66) präsentiert das »Bündnis Zukunft 1860« einen Prominenten, der zu Jahresbeginn in den Schlagzeilen der Wirtschaftspresse stand. Bei der Münchener BayWa AG war es zu einem heftigen Krach gekommen. Lutz, der Aufsichtsratsvorsitzende des Agrarhändlers und Mischkonzerns, soll laut Medienberichten in einer außerordentlichen Sitzung des Kontrollorgans versucht haben, den Vorstandsvorsitzenden, Marcus Pöllinger, wegen eines mutmaßlichen Fehlverhaltens aus dem Amt zu schießen. In den Jahren von 2008 bis 2023 hatte Lutz selbst als Vorstandsvorsitzender das Großunternehmen gelenkt und die einst weitgehend auf den Agrarhandel beschränkte BayWa diversifiziert und internationalisiert, ehe er in den Aufsichtsrat wechselte.

Der Bayerische Rundfunk bezeichnete die Auseinandersetzung als »Schlammschlacht in der Top-Etage«. Dabei soll hinter den Kulissen des Agrarriesen nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit härtesten Bandagen gekämpft worden sein. Doch der Versuch des Juristen Lutz ging auf der Sitzung nach hinten los. Das Kontrollgremium wollte ihm in seiner Argumentation nicht folgen. Am Ende musste er per Rücktritt seinen Hut nehmen – der Vorstandsvorsitzende Pöllinger konnte bleiben. Es habe »keinerlei Verstöße gegen die Prinzipien guter Unternehmensführung« gegeben, hielt der Aufsichtsrat fest.

Die in der Sache gut informierte Fachzeitschrift Agrarzeitung titulierte Lutz, der seit 2021 auch als ehrenamtlicher Präsident der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern sowie des Bayerischen Industrie- und Handelskammertags fungiert, als »Sonnenkönig«. Das Wirken des gebürtigen Münchners in der BayWa AG sei geprägt gewesen von »Gutsherrenart«, »Selbstgefälligkeit« und »Eitelkeit«.

Als meinungsstarken »Vollblut-Bayern«, der »für die CSU schwärmt«, »vom Apfel bis zur Zeitung alles verkaufen kann« und befürchte, dass in Deutschland die Staatswirtschaft die Macht übernimmt (»Wir sind auf dem Weg in eine Art DDR 2.0«), charakterisierte die WirtschaftsWoche den Honorar-Professor mit Fachgebiet Agrarmanagement. Lutz warnt gern vor einem angeblichen »Öko-Sozialismus«, spricht von »Klima-Terroristen« und attestiert der Europäischen Union »politische Amtsanmaßung ohne fachliche Kompetenz« (Augsburger Allgemeine). Zu seinen politischen Lieblingsfeinden zählt die Partei Bündnis 90/Die Grünen, gegen die er regelmäßig öffentlich kräftig austeilt.

Als »eine ganz besondere Persönlichkeit«, die, »ausgestattet mit einer klaren Vision und einem starken Willen«, sich »voll und ganz für den TSV 1860 München einsetzen« möchte, beschreibt dagegen das »Bündnis Zukunft 1860« seinen Spitzenkandidaten, über dessen vereinspolitische Unterstützung man »sehr glücklich« sei. Wie Insider aus dem »Bündnis Zukunft 1860« berichten, gilt Lutz den Machern in der Initiative als künftiger Wunschpräsident. Mittlerweile im Rentenalter angelangt, soll der umtriebige Ex-Manager zunächst in den Verwaltungsrat einziehen, um dann zum »König der Löwen« gekürt zu werden.

Mitte Juni steht die Jahreshauptversammlung des TSV 1860 München an. Dort wollen Lutz und seine Mitstreiter Martin Gräfer (vom Hauptsponsor die Bayerische), Alexander »Xandi« Hofmann, Klaus Ruhdorfer, Thomas Baudisch, Thomas Hirschberger und Robert »Robby« Forster dem Kontrollorgan des gemeinnützigen TSV München von 1860 e. V. ein gänzlich anderes Gesicht verleihen. Nicht weniger als ein vereinspolitischer Umsturz soll es werden. Die Unternehmer Ruhdorfer (61) und Hirschberger (62) scheiterten 2018 mit einer als »Team Profifußball« bezeichneten Liste am Wählerwillen bei den Löwen. Nun nehmen sie mit dem »Bündnis Zukunft 1860« einen neuen Anlauf.

Damit es diesmal klappt, wurde von den Initiatoren für eine kolportierte sechsstellige Summe eine erfahrene Kommunikationsagentur beauftragt, die schon 2020 den früheren Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Schalke 04, Clemens Tönnies, in schwerer Lage vertrat. Dem bekannten Unternehmer waren in seinem fleischverarbeitenden Konzern Verstöße gegen den Arbeitsschutz und Tierquälerei vorgeworfen worden. Unter starkem öffentlichen Druck brachte die Bundesregierung in den Folgemonaten ein Gesetz auf den Weg, das insbesondere ein Verbot für Werkverträge und Leiharbeit in der Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung einführte. Kein leichtes Mandat für die Agentur.

Das »Bündnis Zukunft 1860« war der Öffentlichkeit und den Mitgliedern des TSV 1860 München vor einem halben Jahr zunächst als externe Denkfabrik angekündigt worden. Man suche keinen direkten Einfluss auf die handelnden Gremien, wolle nur beratend tätig sein, hieß es. Doch rasch mutierte die Initiative zu einer Wahlkampf-Maschine für den kommenden Urnengang. Kritische Beobachter hatten eine solche Entwicklung vorausgesehen. Welche Art von Wahlkampf die Kandidaten zu betreiben gedenken, wurde spätestens am Osterwochenende in einem Interview der Süddeutschen Zeitung mit Lutz, Ruhdorfer und Alexander Möst (42), dem »Strategen des Bündnis« (SZ), deutlich.

Mit mindestens eigenwilligen Theorien gingen die Bewerber um einen Sitz im Verwaltungsrat in die Offensive und schlugen dabei teilweise deutlich über die Stränge. Ruhdorfer brachten seine im Interview geäußerten Tiraden gegen den Wahlausschuss des Vereins sogar eine Abmahnung nebst Unterlassungserklärung ein, in der er sich verpflichtete, derartige Aussagen künftig zu unterlassen. Lutz verstieg sich gegenüber der Süddeutschen zu der Bemerkung, er wisse um Mittel und Wege, um in der Kurve für Ordnung zu sorgen. Dort wehen immer wieder kritische Fahnen, die den umstrittenen 1860-Investor Hasan Ismaik sowie seinen Statthalter Anthony Power mit durchgestrichenem Konterfei zeigen.

Einig ist man sich innerhalb des »Bündnis Zukunft 1860«, mit Ismaik und den Vertretern seines Beteiligungsunternehmens HAM International wieder enger zusammenrücken zu wollen. Vom Jordanier erhofft man sich frisches Kapital in Höhe von 15 Millionen Euro, um damit in die Zweite Liga zu gelangen, wo man die Beteiligungsverhältnisse neu ordnen will. Das geht aus einem als »Match-Plan« titulierten Strategiepapier des »Bündnis Zukunft 1860« hervor, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde.

Sich selbst glaubt das oppositionelle Bündnis als »letzte Chance für 1860«. Zumindest was den Profifußball anbelangt. Eine griffige Formel, die auch einige Medien bereitwillig übernahmen. Unter den aktiven Fans in der Westkurve des Grünwalder Stadions sieht man derlei Ambitionen gänzlich anders. »Das Bündnis Zukunft ist nicht die letzte Chance für Sechzig, sondern die letzte Patrone der HAM«, hieß es dort auf einem Spruchband beim Heimspiel gegen den FC Viktoria Köln.

(as)

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Artikel vom 22.04.2024
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