Sohn von NS-Verbrecher Bormann spricht im Edith-Stein-Gymnasium

»Ein Leben gegen Schatten«

Haidhausen · Der Sohn des zweitmächtigsten Mannes im NS-Staat, Martin Bormann, besuchte am 18. Juli, das Edith-Stein-Gymnasium, um über sein Leben und Erleben zu sprechen.

Wie lebt man als Sohn eines der größten Nazi-Verbrecher mit der Schuld des Vaters? Martin Bormann jun. hat versucht, diese Problematik im Rahmen seines zweistündigen Vortrags aufzuarbeiten.

Er war der Einladung des Geschichtsgrundkurses unter der Leitung des Lehrers Christoph Schneider gefolgt. In der Aula des Edith-Stein-Gymnasiums faszinierte und erschütterte Bormann zugleich etwa 200 Schülerinnen, Eltern und geladene Gäste. In den Mittelpunkt des Vortrages rückte Bormann seine Kindheitserfahrungen als Patenkind Hitlers und den Umgang mit seiner Vergangenheit nach dem Krieg. Im Sommer 1936 zieht die Familie Bormann von Pullach bei München auf den Obersalzberg bei Berchtesgaden.

Schon 1933 begannen die Nazis, das Gebiet als »Berg des Führers« umzugestalten. Der Berghof sollte einerseits als ein privater Ort zur Erholung und Entspannung dienen, andererseits aber auch die Möglichkeit zu vertraulichen und der Repräsentation genügenden Treffen mit ausländischen Diplomaten geben.

Der Vater, anfangs nur als Bauherr und Chef der Privatkasse Hitlers eingesetzt, gewann während des Zweiten Weltkrieges zunehmend des »Führers« Vertrauen und damit Bedeutung in Partei und Staat. Auf dem Höhepunkt seiner Macht gelangte er 1944 als Hitlers Sekretär und Stellvertreter.

Er war an der Organisation des Holocaust beteiligt und zeichnete den »Nero-Befehl« gegen, mit dem die Wehrmacht während ihres Rückzuges die gesamte Infrastruktur Russlands zerstörte und damit den Tod von Millionen von Zivilisten verursachte.

So klingt die Bezeichnung Sekretär verharmlosend, gilt Bormann doch als einer der größten Massenmörder der Weltgeschichte. Bis zur Befreiung Berlins durch die Russische Armee bleibt er bei Hitler, schreibt noch das Testament und den letzten Eintrag in das Tagebuch des Führerhauptquartiers, organisiert die Verbrennung von Adolf Hitler und Eva Braun und verschwindet am 2. Mai 1945 spurlos. Gerüchte und abenteuerliche Berichte häufen sich, Zeugenaussagen sind widersprüchlich, eine Leiche taucht nicht auf.

Er wird zum meistgesuchtesten Mann der Welt. 1947 verurteilen ihn die Richter im Nürnberger Prozess in Abwesenheit zum Tode. In der Nähe der Lehrter Brücke finden 1972 Bauarbeiter ein Skelett, Gerichtsmediziner identifizieren es als die sterblichen Überreste von Martin Bormann. Die Suche ist beendet.

Der Sohn verbrachte ab dem 10. Mai 1940 seine Schulzeit in Feldafing in der Reichsschule der NSDAP. Nach dem Krieg findet er seinen Frieden im Christentum, wird Priester und arbeitet von 1961 bis 1967 als Missionar in Afrika.

Später wird er Religionslehrer und hält Vorträge im ganzen Bundesgebiet. Immer wieder muss er gegen Vorurteile ankämpfen. Er führt ein Leben gegen den Schatten seines Vaters.

Nach dem zweistündigen Vortrag bot sich die Gelegenheit mit Martin Bormann, direkt ins Gespräch zu kommen, wo er bereitwillig allgemeine, aber auch sehr persönliche Fragen von zahlreichen Schülern und Gästen beantwortete.

Artikel vom 31.07.2002
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