Diskussion mit Björn Engholm

»Schule muss Spaß machen!«

Laim · Eine provokante Frage hatte über 80 Besucher in den Laimer Bürgertreff »Interim« gelockt: »Macht Schule unsere Kinder dumm?« wollte die neue SPD-Bundestagskandidatin Stephanie Jung wissen.

Seit Monaten wird über das schlechte Abschneiden deutscher Schüler in der PISA-Studie diskutiert, getan wurde bisher wenig.

Stephanie Jung hatte deshalb Björn Engholm, den ehemaligen Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein auf ihr rotes Sofa eingeladen, um zusammen mit den Bürgern über Wege aus der Bildungsmisere zu diskutieren.

Der SPD-Politiker war mehrere Jahre Staatssekretär im Bonner Bildungsministerium und bis zum Regierungswechsel 1982 Bundes-Bildungsminister.

»Es ist kein Wunder, dass deutsche Schüler bei der PISA-Studie nur mittelmäßig abgeschnitten haben«, kritisierte Engholm gleich zu Beginn der Veranstaltung. So würden die Kultusminister seit mehr als 20 Jahren nur an »technokratischen und formalen Bedingungen des Unterrichts herumbasteln«. »Wir müssen uns wieder mit den Inhalten des Unterrichts befassen«, forderte der SPD-Politiker.

Daran müsse sich auch der Freistaat beteiligen, auch wenn bayerische Schüler bei PISA deutschlandweit am Besten abgeschnitten haben. »Auch für Stoiber und seine Landesregierung gibt es keinen Grund, sich frohen Mutes zurückzulehnen«, so Engholm. In Bayern herrsche nämlich ein so großer Selektionsdruck, dass nur etwa jeder fünfte Schüler eines Jahrgangs das Abitur erhalte, in Hessen ist es jeder Dritte.

Deshalb sei Bayern in zunehmendem Maße auf den Zuzug Hochqualifizierter aus anderen Bundesländern angewiesen, um den wachsenden Bedarf an gut qualifzierten Schulabgängern decken zu können. »Daher müssen wir das Problem deutschlandweit über alle Parteigrenzen hinweg gemeinsam angehen«, forderte Engholm.

Um dem Bedarf an gut qualifizierten Menschen für den Arbeitsmarkt gerecht zu werden, müssten sich möglichst viele Schüler zum höheren Schulabschluss qualifizieren. Als positives Beispiel nannte die Bundestagskandidatin Jung »Finnland«, das bei der PISA-Studie Bestnoten erhielt. Hier gäbe es eine ausgesprochen gute Förder- und Motivationskultur.

Die finnischen Schüler würden nicht wie in Deutschland früh in verschiedene Schularten getrennt, sondern alle lange nachhaltig gefördert, um so eine breite Basis für Spitzenleistungen zu schaffen. »Wer fordert, muss erst fördern« brachte Jung es auf den Punkt. »Lernen macht Spaß, wenn erfahrbar wird, dass die individuelle Leistung etwas wert ist«, zeigt sich Jung überzeugt. Deshalb dürften sich Leistungsstandards nicht an reinem Faktenwissen orientieren und nur die Einzelleistungen der Schüler bewertet werden.

Stattdessen müsse vernetztes Denken und Handeln im Schulalltag stärker gefördert werden, um die Sinneswahrnehmung der Kinder zu schärfen. Schon Goethe und Schiller hätten sich, so die Bundestagskandidatin, lebhaft über eine ästhetische Erziehung auseinandergesetzt. Heute aber werde bei kreativen Fächern wie Kunst und Musik und besonders beim Sportunterricht als erstes gespart.

Einig waren sich Jung und Engholm mit den Zuhörern, dass in Deutschland wesentlich mehr Geld in die Bildung investiert werden müsse. Und das bereits ab dem Kindergarten. Nur so könnten junge Menschen so gut qualifiziert werden, dass sie für das wirtschaftliche wie auch das gesellschaftliche Leben gerüstet sind.

»Wir brauchen dabei nicht bei Null anfangen«, war sich Jung sicher. »Europa ist eine eigene Kulturregion und bei vielen unserer Nachbarstaaten können wir uns wertvolle Anregungen holen, um unseren Unterricht aufzuwerten«.

Artikel vom 18.07.2002
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