Kfz-Innung setzt auf Frauen und Quereinsteiger

München · Neue Zielgruppen

Verändertes Berufsbild: Kfz-Mechatroniker gelten heute als Elektrik- und Elektronik-Spezialisten. Foto: Kfz-Innung München-Oberbayern

Verändertes Berufsbild: Kfz-Mechatroniker gelten heute als Elektrik- und Elektronik-Spezialisten. Foto: Kfz-Innung München-Oberbayern

München · Die Kfz-Innung München-Oberbayern ist mit knapp 2.000 Mitgliedsbetrieben die größte Handwerksinnung Deutschlands. In München betreibt sie ein eigenes Berufsbildungszentrum mit 27 hauptamtlichen technischen Ausbildern.

Die Nachwuchsgewinnung ist dennoch nicht einfach, wie Geschäftsführer Andreas Brachem berichtet, obwohl Arbeitsplätze im Kfz-Handwerk zu den krisensicheren Jobs gehören. Vor allem auch Frauen hat die Innung als wichtige Zielgruppe für Kfz-Nachwuchs entdeckt.

Wie die Kfz-Innung München-Oberbayern dem Fachkräftemangel entgegenwirkt und wo große Potenziale gesehen werden, erklärt Brachem im Gespräch mit Elisabeth Schönberger.

"Studium um jeden Preis"

Welchen Herausforderungen in Bezug auf den Fachkräftemangel sieht sich ihre Branche gegenüber?

Andreas Brachem: Kfz-Betriebe finden derzeit in allen Bereichen zu wenig Nachwuchskräfte. Das Berufswahlverhalten junger Menschen hat sich aufgrund geänderter gesellschaftlicher Prioritäten deutlich gewandelt. Es ist eindeutig ein Trend zur verschulten Bildung, zum Studium (oft um jeden Preis), wahrnehmbar. Gleichzeitig wurden die Studienangebote massiv ausgebaut. Andere Bildungswege, wie die der dualen Berufe, haben dadurch fälschlicherweise an Ansehen verloren. Hinzu kommt, wie man bei der Kfz-Innung deutlich merkt, ein Wettbewerb unter den dualen Berufen: Büro-, Handels-, Dienstleistungs- und ähnliche Berufe sind im Gegensatz zum klassischen Handwerk bei vielen jungen Leuten sehr viel beliebter, da oftmals flexiblere Arbeitszeiten möglich sind. Hier steht vor allem die Work-Life-Balance im Vordergrund. Obwohl Arbeitsplätze im Kfz-Handwerk zu den krisensicheren Jobs gehören, gilt es neben einem leistungsrechten Gehalt, die Leistungen junger Menschen anzuerkennen. Dies kann sich vor allem auch in zusätzlichen, nicht monetären Anreizen ausdrücken.

"Frauen sind wichtige Zielgruppe"

Welche Maßnahmen werden seitens der Innung ergriffen, um diese Herausforderungen zu meistern?

Andreas Brachem: In den letzten zwei Jahrzehnten wurde am Image von Kfz-Mechatronikern in den einzelnen Berufsfeldern durch Kampagnen gearbeitet. Bereits in den Schulen muss ein klares Bild von den Kfz-Berufen gezeichnet werden: Es sind keine Berufe mehr, für die viel körperliche Kraft nötig ist und man sich laufend schmutzige Hände holt. Abstraktionsvermögen, problemanalytisches Denken und viel Verständnis für Digitales machen das Berufsbild heute aus. Daher sehen wir zukünftig vor allem auch Frauen als wichtige Zielgruppe für Kfz-Nachwuchs. Unterstützung finden Interessierte auf dem Bewerberportal der Kfz-Innungen unter www.kfz-ausbildung-bayern.de

Hier können junge Menschen unkompliziert nach Ausbildungsstellen im Automobilbereich suchen. Schulabgängern mit (Fach-)Abitur bietet die Kfz-Innung mit ihrem Projekt „Abi und Auto“ einen Ausbildungsgang, welcher den Weg der Ausbildung hin zum Kfz-Meistertitel unterstützt und mit einem speziell zugeschnittenen Lehrangebot sogar verkürzt. Informationen findet man unter www.abi-und-auto.de

"Erleben und ausprobieren"

Was wünschen Sie sich von der Politik? Wie kann man junge Leute für die Ausbildung in einem Handwerksberuf begeistern?

Andreas Brachem: Die Begeisterung für Handwerk entsteht sicher durch das Erleben und Ausprobieren der jeweiligen Handlungsfelder. Hier ist der 2023 in Bayern für alle Schularten verpflichtend eingeführte „Tag des Handwerks“, an dem eintägige Schnupperangebote von den Schülerinnen und Schülern besucht werden, ein erster richtiger Ansatz, auch wenn es in der Umsetzung noch Verbesserungspotenziale gibt. Viele Innungen und Handwerksinstitutionen wie auch die Kfz-Innung München-Oberbayern betreiben eigene Berufsbildungszentren, in denen auch in größerem Stil überbetriebliche Schnupperpraktika angeboten werden könnten. Allerdings wäre hierfür eine deutliche finanzielle Unterstützung des Staats für die Durchführung solcher und ähnlicher Angebote der Berufsorientierung notwendig. Diese Unterstützung dürfte darüber hinaus nicht durch bürokratische Anforderungen konterkariert werden, wie so manche Angebote der Vergangenheit.

Artikel vom 08.08.2023
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