Wohin führen die rätselhaften Kreidezeichen?

München · Zweites Wohnzimmer

Hier sieht man die Kreidesprüher in Aktion. Doch wo genau führen die Pfeile auf dem Gehweg hin? Foto: KJR

Hier sieht man die Kreidesprüher in Aktion. Doch wo genau führen die Pfeile auf dem Gehweg hin? Foto: KJR

München · In letzter Zeit sind in der Stadt auf vielen Geh- und Radwegen rätselhafte Zeichen und Schriften zu sehen. Pfeile in bunten Kreidefarben und der Satz "Wir sind da, wo bist du?".

Daneben stehen Begriffe, die nicht vielen etwas sagen dürften: "ABIX" zum Beispiel oder "Fezi". Auch "KJT 2Club" und "'s Dülfer" kann man lesen. Diese farbigen Markierungen sind über die ganze Stadt verteilt, von der Au bis nach Pasing und vom Hasenbergl bis nach Giesing. Und überall sind sie verschieden.

Wer nun von "RIVA NORD" liest oder von "Gleis 24", denkt wohl zunächst an die Nordküste oder einen Bahnhof. Bei "Come in" wird die Sache schon etwas leichter, denn dies ist ja unschwer als Einladung aufzufassen – und damit liegt man auch schon fast richtig.

Ein bisschen wie eine Schnitzeljagd

Des Rätsels Lösung ist Folgende: Kinder und Jugendliche aus den 50 Freizeitstätten des Kreisjugendrings München-Stadt (KJR) haben den Namen des Freizeittreffs in ihrer Umgebung aufgesprüht und Pfeile, die den Weg dorthin weisen. "Ein bisschen wie eine Schnitzeljagd", sagt ein Mädchen mit einer Dose Sprühkreide in der Hand, als sie die nun grün gefärbte Schablone vom Gehweg ablöst. Sie und viele andere Kids und Teens wollen mit der Aktion "Wir sind da, wo bist Du" Gleichaltrige einladen, in die Kinder- und Jugendtreffs zu kommen, in denen sie selbst viel Spaß und neue Freundschaften gefunden haben. Ins "RIVA NORD" an der nördlichen Stadtgrenze in der Ingolstädter Straße 243 beispielsweise oder ins "ABIX" im Hasenbergl. Oder man folgt der Einladung ins "Come in" am Rudolf-Vogel-Bogen 4 in Neuperlach. Auch zum neuesten Jugendtreff, dem "Gleis 24", kann man sich anhand der aufgesprühten Zeichen führen lassen: Man findet ihn dann in der Erna-Eckstein-Straße 24 nahe dem Pasinger Bahnhof.

Spiel, Spaß, Entspannung – und Mitbestimmung

50 Freizeitstätten betreibt der Kreisjugendring im Auftrag der Stadt und damit fast die Hälfte der insgesamt über 100 Münchner Einrichtungen. Damit ist er der größte Anbieter von Offener Kinder- und Jugendarbeit in München. Die Freizeitstätten stehen allen Kindern, Teenies und jungen Erwachsenen offen. Hier können sie kickern, tanzen, chillen, Billard oder Tischtennis spielen, Partys feiern, Freunde treffen, rappen, breaken, sprayen, Actionsport ausprobieren oder einfach mal abhängen. Und das Beste daran: Alles ist kostenlos! Nur für besondere Aktionen wie Ausflüge und Ferienfahrten fällt ein Unkostenbeitrag an.

Was in den Freizeitstätten passiert und wie es durchgeführt wird, bestimmen die Kinder und Jugendlichen kräftig mit – etwa bei den Hausregeln, beim Programm und bei den Angeboten. "Partizipation ist uns besonders wichtig", erklärt Stephanie Knott, Abteilungsleiterin beim KJR. Gemeinsam mit vier Kollegen ist sie für die 50 Freizeitstätten des KJR verantwortlich, in denen rund 400 Pädagogen an fünf bis sechs Tagen der Woche für die Kinder und Jugendlichen da sind.

Offen für 290.000 in der ganzen Stadt

Etwa 290.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 6 und 25 Jahren gibt es in München und für nicht wenige von ihnen spielen die Offenen Treffs eine wichtige Rolle. "'Das Freizi ist mein zweites Wohnzimmer.' Diesen Satz hören wir besonders von Jugendlichen immer wieder," berichtet Stephanie Knott. Hier können die jungen Leute unter sich sein, ohne Aufsicht der Eltern, und doch gut betreut. Die Pädagogen haben für sie stets ein offenes Ohr. Etwa, wenn es im Freundeskreis knirscht, es in der Schule hakt oder Zoff mit den Eltern gibt. Und natürlich bei einem ganz wichtigen Thema in diesem Alter: der Liebe. "Auch, wenn ich so etwas schon 20.000 Mal ghört habe; der erste Liebeskummer ist nun mal der erste Liebeskummer," sagt Heiko Neumann, der das "Intermezzo" in Fürstenried leitet. "Wenn sie uns brauchen, sind wir für die Jugendlichen da!" Hilfe gibt es auch bei anderen wichtigen Anliegen, etwa bei Fragen zum Lernstoff in der Schule, auf der Suche nach der richtigen Ausbildungsstelle oder bei der Bewerbung.

Beratung, Aufklärung und Information

Das "Jugendinformationszentrum JIZ" in der Sendlinger Straße 7 hat sich dabei ganz der Aufklärung, Beratung und Information verschrieben – von Auslandsaufenthalt über Coming-Outs bis zur Rechts- und Wohnberatung finden hier junge Menschen eine Antwort auf fast alle Fragen und in jedem Fall die richtige Anlaufstelle.

Einige der Einrichtungen haben sich auf ganz bestimmte Themen spezialisiert: Das "Café Netzwerk" im Jungen Quartier Obersendling (Schertlinstraße 4) bietet zum Beispiel alles rund um Tablets, Smartphones, Spielkonsolen, 3D-Druck und Virtual Reality an. Im "Musischen Zentrum" in der Maxvorstadt (Georgenstraße 13a) tauchen Kinder und Jugendliche in die Welt der Farben und Klänge ein. Dort kann man tanzen, Theater spielen oder Musikinstrumente kennenlernen; zu entdecken gibt es außerdem Zaubertricks, Mode oder Yoga. Das "Soundcafe" in Schwabing neben dem Ungererbad (Traubestraße 5) unterstützt besonders Nachwuchsbands mit Übungsräumen, Bandcoaching und der Auftrittsmöglichkeit bei rund 30 Konzerten im Jahr. "Jedes der 50 Häuser hat ein eigenes Profil", erklärt Stephanie Knott. "Uns ist auch wichtig, dass wir Kindern und Jugendlichen eine große Vielfalt bieten." Mit "Maulwurfshausen" in Neuperlach, dem "ABIX" im Hasenbergl, der "Oase" in Neuhausen und dem Gelände beim Laimer Jugendzentrum betreibt der KJR zudem vier Abenteuerspielplätze. Diese Hüttendörfer haben eine ganz eigene Magie, hier können Kinder nicht nur spielen und toben, sondern mit Brettern, Säge, Hammer und Nägeln ihre eigenen Hütten bauen und nebenbei lernen, das Werkzeug gekonnt einzusetzen.

Ursprünge liegen in der Nachkriegszeit

Die ersten Freizeitstätten entstanden übrigens kurz nach dem Krieg, damals als "GYA-Heime", die von der amerikanischen Besatzungsmacht eingeführt worden waren. Mit diesen "German Youth Activities" wollten die Amerikaner die Jugend an demokratische Beteiligung heranführen – eine Tradition, welcher der KJR aus Überzeugung treu geblieben ist. Einer der ersten davon, der Jugendtreff am Biederstein in der Gohrenstraße 6, feierte kürzlich sein 70. Jubiläum. Die Feier zeigte, wie sich Jugendkultur in sieben Jahrzehnten verändert hat: Aus Rock'n'Roll und Rockmusik in den Fünfzigern und Sechzigern wurde in den 80er Jahren Rap, HipHop, Breakdance und Graffiti, in den Nullerjahren kam dann 'K-Pop' dazu, also koreanische Popmusik, und heute sind Afrobeats angesagt.

Wer reinschnuppern will in die vielfältige Welt der Freizeitstätten, braucht nun einfach nur den bunten Pfeilen zu folgen, die derzeit überall zu finden sind. Sie führen bis zum jeweiligen Haus. Oder man sucht, falls der Regen die umweltfreundlichen Kreidefarben schon wieder weggewaschen hat, online nach den Angeboten im eigenen Stadtviertel: Auch unter www.kjr-m.de/Freizeiteinrichtungen findet man die richtige Adresse.

Artikel vom 23.05.2023
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