Stolpersteine zum Gedenken an deportierte Juden gesetzt

Schwabing · Der Geist bleibt

Zum Gedenken an jeden der sieben deportierten Bewohner aus der Isabellastraße wurde ein Stolperstein ins Pflaster eingelassen. Foto: mha

Zum Gedenken an jeden der sieben deportierten Bewohner aus der Isabellastraße wurde ein Stolperstein ins Pflaster eingelassen. Foto: mha

Schwabing · Es war ein Tag der Trauer und der Freude zugleich. In Schwabing wurden weitere sieben sogenannte Stolpersteine im Angedenken an von den Nazis deportierte Menschen jüdischen Glaubens gesetzt. Trauer ob der in einer Zeit, deren Brutalität und Geistlosigkeit wir uns heute kaum mehr vorstellen können, einfach aus ihrem Alltag gerissenen, verschleppten und ermordeten Menschen. Freude, weil man wieder an sieben Opfer mit einem der goldfarbigen Gedenksteine erinnern kann.

Der Vorsitzende der Initiative Stolpersteine in München, Terry Swartzberg, hielt eine feierliche Ansprache und würdigte die ehemaligen Hausbewohner mit einem Kaddish, dem jüdischen Gebet für die Verstorbenen.

2.000 Opfer in Schwabing

Allein in Schwabing, wo viele Juden zuhause waren, gab es 2.000 Opfer zu beklagen. Um diese und viele weitere aus der Vergessenheit zu holen, wurde die Initiative Stolpersteine ins Leben gerufen. Es werden 10 mal 10 Zentimeter große Messingplatten mit den Namen der Opfer vor deren Wohnhäusern ins Pflaster oder in die Treppenabsätze vor den Haustüren in den Boden eingefügt, welche die Passanten an das Schicksal der ehemaligen Hausbewohner erinnern. Das Wohnungsunternehmen Vonovia unterstützt die Aktion bei der Suche nach Opferhäusern, indem sie ihr alle Adressen zu Recherchezwecken zur Verfügung stellt.

Erste Stolpersteine noch illegal verlegt

Die ersten Stolpersteinverlegungen, die im Jahr 2004 von circa 50 Freunden der Initiative vorgenommen wurden, waren noch "illegal", da die Stadt dies damals nicht genehmigt hatte. Sie wurden sogar von der Stadt wieder herausgerissen. Mittlerweile gibt es jedoch fast 100.000 Stolpersteine in Europa.

Stolpersteine auch als Ersatz für Grabstein

Viele Angehörige empfinden die Stolpersteine auch als Ersatz für einen Grabstein - ein Ort, an dem sie trauern können. Sie können ihre Verstorbenen genau dort aufsuchen, wo sie gelebt haben und ihren Namen auf dem Stein lesen. Wichtig ist dabei auch, dass es sich bei den Stolpersteinen nicht um eine staatlich verordnete Aktion handelt.

Schicksal einer Münchner Familie

Die ersten beiden in der Isabellastraße verlegten Stoplersteine erinnern an Max Brück und seine Frau Else. Sie hatten 1920 in der bis zum Jahr 1938 bestehenden Synagoge geheiratet und wohnten seit 1922 in dem Haus. In der Reichskristallnacht 1938 schlug man bei dem Schuhgeschäft von Max Brück die Scheiben ein und es wurde wie viele andere Geschäfte von anderen, nichtjüdischen, Besitzern für billiges Geld übernommen. Max Brück deportierete man zunächst zusammen mit weiteren 1.000 Juden nach Dachau, wo sie schwere Misshandlungen erfuhren, über die viele bis an ihr Lebensende schwiegen, denn man hatte ihnen dort verboten darüber zu reden... Im April 1940 konnte er zusammen mit seinem 19-jährigen Sohn Eugen, dem der dritte Stolperstein in der Reihe gewidmet ist, ohne Papiere nach Frankreich fliehen, wurde dann aber dort im Durchgangslager Drancy interniert. Beide wurden zwei Jahre später nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Else Brück, der Frau von Max und Eugens Mutter, gelang ein Jahr zuvor die Flucht nach New York, wo sie noch lange lebte und in Georgia im Alter von 101 Jahren verstarb. Doch auch die Auswanderer in die USA hatten es schwer, denn sie waren zum einen schwer traumatisiert und zum anderen mussten sie sich in einer völlig neuen Welt zurechtfinden.

Artikel vom 16.03.2023
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