Bundesweite Herzwochen auch in der Kreisklinik Ebersberg

Ebersberg · Turbulenzen im Herz

Prof. Dr. Martin Schmidt, Chefarzt der Kardiologie in der Kreisklinik Ebersberg. Foto: kk/sf

Prof. Dr. Martin Schmidt, Chefarzt der Kardiologie in der Kreisklinik Ebersberg. Foto: kk/sf

Ebersberg · Laut der Deutschen Herzstiftung leiden rund 1,8 Millionen Menschen an Vorhofflimmern, der häufigsten andauernden Herzrhythmusstörung. Diesem Thema widmen sich die diesjährigen, bundesweiten Herzwochen vom 1. bis 30. November, an denen sich auch die Kreisklinik Ebersberg beteiligt. Im Vorfeld sprachen wir mit dem Chefarzt der Kardiologie, Prof. Dr. Martin Schmidt, über die Erkrankung.

Prof. Schmidt, wie äußert sich Vorhofflimmern?
Prof. Dr. Martin Schmidt: Das hängt meistens davon ab, wie lange es andauert. Ist das Herz mehrere Stunden oder Tage aus dem Takt, nehmen Betroffene oft ein unangenehmes Herz- und Pulsrasen oder einen unregelmäßigen Herzschlag wahr, sie fühlen sich unruhig und die körperliche Leistungsfähigkeit kann abnehmen. „Stolpert“ der Herzschlag nur ab und zu, wird das oft kaum wahrgenommen. Insbesondere ältere Menschen haben aber gerade bei länger andauerndem Vorhofflimmern kaum Symptome. Das ist das Tückische an dieser Herzrhythmusstörung, wenn sie noch nicht erkannt wurde.

Ist sie lebensbedrohlich?
Prof. Dr. Martin Schmidt: Nicht direkt, aber es besteht die Gefahr, dass sich Blutgerinnsel im linken Vorhof des Herzens beziehungsweise im linken Vorhofohr bilden und das wiederum kann zu einem Schlaganfall führen. Das Herz hat einen komplexen Mechanismus. Die Kontraktion des Herzmuskels wird über elektrische Signale gesteuert. Der linke Vorhof wird von den Lungenvenen mit Blut versorgt und leitet es weiter in die linke Herzkammer, die es in den Körperkreislauf pumpt. Tritt aus den Lungenvenen heraus eine „Signalstörung“ auf, kann es zum Vorhofflimmern kommen. Das Blut kann nicht mehr aktiv aus dem linken Vorhof weitergeleitet werden und es können sich Blutgerinnsel im linken Vorhofohr bilden, die nach ihrem Lösen mit dem Blutstrom ins Gehirn gelangen können.

Wie diagnostizieren Sie Vorhofflimmern?
Prof. Dr. Martin Schmidt: Eindeutig kann es nur durch ein EKG festgestellt werden. Und da die Symptome oft nicht dauerhaft oder regelmäßig auftreten, sollte ein Langzeit-EKG durchgeführt werden. Bei der Früherkennung werden uns künftig sogenannte Wearables helfen, also kleine Computersysteme, die direkt am Körper getragen werden, etwa Smart-Watches. Sie ersetzen jedoch kein EKG!

Wie lässt sich das Vorhofflimmern beheben?
Prof. Dr. Martin Schmidt: Lange stand zur Rhythmus- und Frequenzkontrolle die Behandlung mit Medikamenten im Vordergrund. Ihr Erfolg ist jedoch begrenzt. In den vergangenen Jahren hat in medizinischen Fachkreisen die Ablation, also das Veröden von Herzmuskelgewebe, welches für die Leitung unerwünschter, elektrischer Signale verantwortlich ist, eine Aufwertung erfahren. In der EAST-AFNET-4-Studie von 2020 ließ sich bei frühzeitiger Therapie mit einer Ablation in Kombination mit der Gabe von Antiarrhythmika und dem Ziel, den normalen Herzrhythmus, genannt „Sinusrhythmus“, zu erhalten, das Risiko für Schlaganfälle und auch die Sterblichkeitsrate im Vergleich zur reinen Herzfrequenzkontrolle mit Medikamenten um etwa ein Fünftel senken. Eine Ablation ist insbesondere bei Patienten mit deutlichen Symptomen wie zum Beispiel häufiger Wechsel des Herzschlags, Herzfrequenzsprünge und Angstattacken empfehlenswert, oder wenn das Vorhofflimmern trotz medikamentöser Therapie immer wieder auftritt. Denn die Folge können strukturelle Veränderungen des Herzens wie die Bildung von Narbengewebe im Vorhof sein, dadurch kann der Herzmuskel im Lauf der Zeit immer schwächer werden.

Welches Ablations-Verfahren wenden Sie in Ebersberg an?
Prof. Dr. Martin Schmidt: Bevorzugt wird bei uns die Kryoballon-Ablation. Dabei führen wir durch einen Katheter einen kleinen Ballon zu der betroffenen Stelle im Gewebe, der mit Lachgas gefüllt wird und das Gewebe auf etwa minus 80 Grad Celsius herunterkühlt. Nach etwa drei Minuten ist es vereist. Der gesamte Eingriff, bei dem der Patient mit Medikamenten in einen künstlichen Schlaf versetzt wird, dauert etwa eine Stunde. Die Patienten können meist schon am Tag nach der Behandlung nach Hause entlassen werden. Die Ablation kann aber auch mit Hitze erfolgen. Dabei leiten wir durch einen Katheter Hochfrequenzstrom, meist Radiofrequenzenergie, um das Gewebe punktuell auf zirka 40 bis 50 Grad Celsius zu erwärmen. Dieses Verfahren kommt in Verbindung mit einem dreidimensionalen Ortungssystem im Herz, das der besseren Navigation des Katheters dient, meist zum Einsatz, wenn aufgrund eines Rezidivs eine Nachbehandlung erforderlich ist.

Kann bei jedem Menschen Vorhofflimmern auftreten?
Prof. Dr. Martin Schmidt: Es gibt einige Risikofaktoren, die diese Erkrankung begünstigen. Dazu gehören in erster Linie Übergewicht und Bluthochdruck. Auch Diabetes mellitus, Schlafapnoe, der Konsum von Zigaretten und Alkohol sowie Stress, aber auch extremer Ausdauersport zählen dazu. Ebenso steigt im höheren Alter das Risiko für Vorhofflimmern. Die beste Vorbeugung ist ausreichend, moderate Bewegung, eine ausgewogene Ernährung, ein normales Körpergewicht sowie der Verzicht auf Rauchen und Alkohol.

Vorträge über Vorhofflimmern in der Kreisklinik

Im Rahmen der Herzwochen bietet die Kreisklinik Ebersberg am Dienstag, 8. November, um 18 Uhr, im Speisesaal Vorträge zum Thema „Vorhofflimmern“ für alle Interessierten an.

Teilnehmer benötigen keine Voranmeldung für die Veranstaltung. Einlass ist ab 17.30 Uhr. Am Empfang der Kreisklinik muss ein Nachweis vorgelegt werden, dass eine der 3G-Regeln erfüllt ist. Außerdem müssen Besucher eine FFP2-Maske tragen und den Mindestabstand einhalten.

Artikel vom 03.11.2022
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