Dr. Lena Farnhammer klärt über neueste Erkenntnisse auf

Ebersberg · Geburten und Corona

Während der Untersuchungen tragen sowohl die Oberärztin Dr. Lena Farnhammer als auch die Schwangere immer eine Mund-Nasen-Bedeckung. Foto: kk/sf

Während der Untersuchungen tragen sowohl die Oberärztin Dr. Lena Farnhammer als auch die Schwangere immer eine Mund-Nasen-Bedeckung. Foto: kk/sf

Ebersberg · Wie gefährlich ist Corona für Schwangere und deren ungeborene Kinder? Wie soll mit infizierten Müttern umgegangen werden? Ist eine Impfung für Schwangere möglich? Bislang konnten diese Fragen nur vage beantwortet werden.

Nun hat die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) eine neue Leitlinie für medizinisches Personal veröffentlicht, deren Empfehlungen auf aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen basieren. Dr. Lena Farnhammer, Oberärztin in der Abteilung Gynäkologie und Geburtshilfe der Kreisklinik Ebersberg, erläutert in einem Interview die wichtigsten Eckpunkte.

Die größte Angst werdender Mütter ist, im Fall einer Corona-Infektion eine Fehlgeburt zu erleiden. Ist diese Angst begründet?
Dr. Lena Farnhammer: Zahlreiche internationale Studien und Erfahrungen von betreuenden Ärzten haben gezeigt, dass bei werdenden Müttern, die sich mit Covid 19 infiziert hatten, in der kritischen Zeit zwischen der ersten bis 24. Woche weder ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten noch für Fehlbildungen der Kinder besteht. Allerdings konnte eine erhöhte Frühgeburtenrate festgestellt werden, die zu 21 bis 27 Prozent höher lag als vor der Pandemie. Unklar ist jedoch bis dato, ob dies durch die Krankheitssymptome der Mutter wie Atemnot, Bluthochdruck und andere ausgelöst wurde oder durch die Corona-Infektion des Kindes.

Können sich Kinder im Mutterleib mit Corona anstecken?
Dr. Lena Farnhammer: Laut einer aktuellen US-amerikanischen Studie, die im August dieses Jahres in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlicht wurde, können Mütter Corona an ihr Ungeborenes übertragen. Überreste des Virus wurden im Stuhl von Frühgeborenen nachgewiesen, die PCR-Tests waren jedoch negativ und die Kinder waren ansonsten gesund. Welche Auswirkungen das später auf das Kind haben könnte, muss noch erforscht werden. Anderen Quellen zufolge wird das Virus in nur etwa drei von hundert Fällen von der Mutter an das Ungeborene weitergegeben. Noch seltener ist eine Ansteckung nach der Geburt im Kreißsaal – vorausgesetzt, die allgemein gültigen Hygieneregeln werden eingehalten.

Worauf sollten sich mit Corona infizierte Schwangere während der Geburt einstellen?
Dr. Lena Farnhammer: Zunächst einmal: Eine Corona-Infektion kurz vor dem Geburtstermin ist kein Kriterium für eine Einleitung der Geburt. Alles kann seinen normalen Gang gehen und die DGGG empfiehlt auch eine Spontan-Geburt, soweit es der Gesundheitszustand der Mutter erlaubt. Nur von einer Wassergeburt wird abgeraten. Die Mutter muss im Kreißsaal auf jeden Fall einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Das gilt auch für diejenigen Frauen, bei denen das PCR-Testergebnis noch nicht vorliegt, denn über die Aerosole, die beim Atmen ausgestoßen werden, kann das Klinikpersonal angesteckt werden. Das ist auch der Grund, warum wir in solchen Fällen kein Lachgas zur Schmerzlinderung anbieten können. Per Schnelltest negativ getestete, symptomfreie Gebärende dürfen – auch wenn das Ergebnis des PCR-Tests noch nicht vorliegt – ohne Maske und medizinische Einschränkungen entbinden.

Darf eine Begleitperson bei der Geburt dabei sein?
Dr. Lena Farnhammer: Prinzipiell ja, aber sie muss einen höchstens 24 Stunden alten, negativen Schnelltest vorlegen und einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Nach einer gerade erst überstandenen Covid-Infektion sind zwei negative PCR-Tests an zwei aufeinanderfolgenden Tagen Voraussetzung. Sollte sich zum Beispiel der Papa kurz vor der Geburt mit Corona infizieren und in der Klinik positiv getestet werden, muss er nach Hause gehen. Schwangere, die sich in der Klinik vorstellen oder zu einer geplanten Einleitung oder einem geplanten Kaiserschnitt in die Klinik kommen, müssen ebenfalls einen negativen PCR-Test vorlegen. In Studien hat sich gezeigt, dass der überwiegende Anteil der Frauen, die zur Entbindung stationär aufgenommen werden sollten und positiv auf Covid 19 getestet wurden, keine Symptome hatte. Sich gesund zu fühlen, ist also keine Garantie dafür, es auch zu sein.

Ist Stillen möglich, wenn die Mutter mit Corona infiziert ist?
Dr. Lena Farnhammer: Ja, das ist sogar ausdrücklich erwünscht, damit das Kind über die Muttermilch Antikörper aufnehmen kann. Der Immunschutz wiegt mehr als das Infektionsrisiko. Allerdings sollte die Mutter während des Stillens einen Mund-Nasen-Schutz tragen, auf das Küssen des Babys verzichten und auf eine besondere Brusthygiene achten.

Ist eine Impfung während der Schwangerschaft ohne Risiken möglich?
Dr. Lena Farnhammer: Schwangere Frauen haben nach neuesten Erkenntnissen im Vergleich zu nicht-schwangeren Frauen im gleichen Alter ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf. Deshalb sollten sich Frauen mit Kinderwunsch am besten vor der Schwangerschaft impfen lassen. Aber auch während der Schwangerschaft hat – bis auf sehr wenige Ausnahmen – eine Impfung keine negativen Folgen für die Mutter und ihr Ungeborenes. Wenn eine Frau, die von ihrer Schwangerschaft noch nichts weiß, sich innerhalb der ersten drei Monate hat impfen lassen, ist das kein Grund für einen Schwangerschaftsabbruch! Empfohlen werden jedoch zwei Impfungen im Abstand von drei bis sechs Monaten erst ab dem vierten Schwangerschaftsmonat, und zwar mit dem mNRA-basierten Impfstoff Comirnaty, der auch für Kinder und Jugendliche ab zwölf Jahren zugelassen ist. Ein Impfschutz lässt sich sogar noch im Wochenbett aufbauen, der dann vor schweren Verläufen schützt.

Das Gespräch führte Sybille Föll

kk/sf

Artikel vom 04.10.2022
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