OB Reiters Wiesn-Sprüche sorgen für Pressewirbel

Scheindebatte um Münchner Olympiastadion

Unter Denkmalschutz: Olympiastadion. Foto: Anne Wild

Unter Denkmalschutz: Olympiastadion. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Der traditionelle Ausflug des TSV 1860 Münchner auf das Oktoberfest in das Zelt von Sponsor Hacker Pschorr wurde heuer – nach zwei Jahren Pandemiepause – symbolträchtig von der gesamten Stadtspitze in Gestalt von Oberbürgermeister Dieter Reiter und seinen Stellvertreterinnen Katrin Habenschaden und Verena Dietl begleitet. Alle drei erhielten von den Geschäftsführern der Münchner Löwen ein mit ihren Namen verziertes Vereinstrikot im Wiesndesign überreicht. Pressefotos wurden geschossen und Journalisten versuchten auf der Empore ein paar Promi-Stimmen zu erhaschen. Eine davon sorgte im Nachgang für gehörig Wirbel im lokalen Blätterwald.

Das Stadtoberhaupt Reiter geriet am Biertisch munter ins Plaudern und schwärmte Medienberichten zufolge vom Olympiastadion als künftigem Spielort für den TSV 1860 München. In einer etwas missglückten Metapher soll er erklärt haben, die Klubverantwortlichen würden, falls sie denn den Wunsch äußerten, wieder einmal ans Oberwiesenfeld ziehen zu wollen, bei ihm »Drehtüren einrennen«. »Ich war bei den European Championships draußen – im Grunde ist es ein Irrsinn, dass keiner in diesem Stadion spielt.« Schließlich investiert die Stadt München dort in den kommenden Jahren einen dreistelligen Millionenbetrag zum Erhalt des Bauwerks. Zuletzt waren die Löwen unter dem weltbekannten Zeltdach vor achtzehn Jahren in der Bundesliga am Ball, ehe sie als Zweitligist mit dem FC Bayern nach Fröttmaning zogen und dort finanziellen Schiffbruch erlitten.

Reiter, einmal in Fahrt, eröffnete den Pressevertretern weiter, er sei zu jedem Gespräch bereit und wolle dem TSV 1860 – so wird berichtet – das Olympiastadion zu den denkbar günstigsten Konditionen vermieten. Das Wiesn-Angebot des Oberbürgermeisters klingt nach Musik in den Ohren jener, denen das Städtische Stadion an der Grünwalder Straße zu klein und unkomfortabel erscheint und die, nach dem für den Klub brachial gescheiterten Wagnis Allianz Arena, fieberhaft auf der Suche nach einem neuen Eldorado sind, dem sagenhaften Goldland, wo für die Löwen Milch und Honig fließen. Der bierselige Traum platzte bereits am nächsten Tag. Auf eine Anfrage der Münchner Abendzeitung hin, verwies die Olympiapark GmbH auf die in der Bundesliga und Zweiten Liga vorgeschriebene Komplettüberdachung aller Zuschauerplätze. Das Olympiastadion käme damit nur auf eine Kapazität von maximal 35.000 Plätzen unter dem Dach, von denen allerdings wiederum die Hälfte in den kommenden Jahren aufgrund anstehender Sanierungsarbeiten nicht zur Verfügung steht. Die im Jahr 2023 beginnende Teilsanierung sowie die von 2025 bis 2027 geplante Hauptsanierung des Olympiastadions umfasst überwiegend bestandserhaltende Maßnahmen.

Ein Blick in zuletzt erfolgte Ratsbeschlüsse zeigt, das Referat für Bildung und Sport hat zusammen mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung, dem Referat für Arbeit und Wirtschaft und der Olympiapark München GmbH die Rahmenbedingungen für einen möglichen Profifußballbetrieb im Olympiastadion fachlich geprüft und eine Aufnahme erforderlicher Arbeiten in die Sanierungsplanung – unter anderem müsste eine neue Rasenheizung eingebaut werden – ausdrücklich verworfen. Das Münchner Olympiagelände steht mit seinen Sportanlagen seit 1998 unter Denkmalschutz. Der gesamte Olympiapark mit Olympischem Dorf wurde seinerzeit zum Ensemble erklärt, das Olympiastadion, die Olympiahalle, die Schwimmhalle und der Olympiaturm sind zusätzlich als Einzeldenkmäler geschützt. Eine Veränderung des Erscheinungsbildes der Zuschauertribünen im Olympiastadion ist ausgeschlossen.

In einer dem Stadtrat für seine Entscheidung zur Verfügung gestellten sogenannten Perspektivskizze schlug das Frankfurter Stadtplanungsbüro Albert Speer + Partner vor, das Rasenspielfeld näher an die überdachte Haupttribüne zu rücken, da die Gegengerade im Fußballspielbetrieb aus den genannten Gründen für Zuschauer ohnehin nicht genutzt werden könne. Die Maßnahme hätte allerdings zur Folge, dass die Rundlaufbahn zerstört würde – das Olympiastadion damit also seine eigentlich zugedachte Funktion als Leichtathletik-Wettkampfstätte verlieren würde.

Der zwischen 1967 und 1972 für die Austragung der XX. Olympischen Sommerspiele erbaute Olympiapark mit seinen Anlagen soll nach dem Wunsch des Münchner Stadtrats Aufnahme in die UNESCO-Weltkulturerbe-Liste finden. Ein entsprechender Antrag an das Welterbekomitee wurde zum 50-jährigen Jubiläum der Olympischen Spiele in München über den Freistaat Bayern eingereicht. Es hätte einen seltsamen Eindruck hinterlassen, zusammen mit dem Antrag die Zerstörung der Laufbahn im Olympiastadion zu verkünden.

(as)

Artikel vom 26.09.2022
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