So wichtig wie damals

Untergiesing · 70 Jahre Unterkunftsheim an der Pilgersheimer Straße

Seit 70 Jahren eine Institution in Untergiesing: das Unterkunftsheim an der Pilgersheimer Straße. Foto: Thomas Friedl

Seit 70 Jahren eine Institution in Untergiesing: das Unterkunftsheim an der Pilgersheimer Straße. Foto: Thomas Friedl

Untergiesing · Am 29. Februar 1952 wurde das Haus an der Pilgersheimer Straße des Katholischen Männerfürsorgevereins München (KMFV) als Deutschlands modernstes Obdachlosenheim eröffnet. Heuer feiert es sein 70-jähriges Jubiläum – und ist immer noch ebenso wichtig wie damals.

Als Fels in der Brandung ist das Haus erste Anlaufstelle für wohnungslose Männer, welche die Unterstützungsbedarfe des Einzelnen abklärt, vorübergehende Unterkunft gewährt, individuell berät und passgenaue weiterführende Angebote vermittelt.

In der Nachkriegszeit wuchs die Zahl wohnungsloser Männer von Tag zu Tag. Seit seiner Gründung im April 1950 war der KMFV unermüdlich auf der Suche nach neuen Quartieren, um dieser Situation zu begegnen. Hierzu zählten Baracken und Bunker. So konnten bis Ende 1950 genau 346 Bettplätze für die Unterbringung obdachloser Männer zur Verfügung gestellt werden. Trotz aller Anstrengungen war Adolf Mathes, dem Gründer des KMFV, klar, dass die Kapazitäten bei weitem nicht ausreichten, damit alle Hilfsbedürftigen aufgenommen werden konnten.

Mehr als nur eine Unterkunft

Vor diesem Hintergrund wurde am 29. Februar 1952 das neu gebaute Haus an der Pilgersheimer Straße mit 338 Betten dem KMFV von der Landeshauptstadt München zur Verwaltung und Betreuung übergeben. Im Haus wurden neben der Unterkunft ambulante Hilfen wie Beratung, Essensausgabe und Versorgung mit Kleidung angeboten. Hierdurch konnten zahlreiche Arbeitsvermittlungen durchgeführt und bei Behördenangelegenheiten geholfen werden.

Das Haus sollte Auffang- und Sichtungsstation sein, um die Hilfebedarfe des Einzelnen zu klären und in weiterführende Einrichtungen vermitteln. Dabei sollte der Aufenthalt so kurz wie möglich und so lang wie nötig sein. Dies ist bis heute so geblieben.

Adolf Mathes war klar, dass Fürsorge mehr sein muss als nur die „Weiterfristung primitiver Not“. Dementsprechend begann er in der Folge mit der Umsetzung seines Plans eines dezentralisierten Hilfesystems. Hierdurch wurde die Entwicklung bis hin zum heutigen, ausdifferenzierten und deutschlandweit einmaligen Hilfesystem für wohnungslose Menschen in München angestoßen.

Für die Gesamteinrichtung Haus an der Pilgersheimer Straße bedeutete dies, dass auch hier im Laufe der Jahre einige neue Arbeitsbereiche zusätzlich zum städtischen Unterkunftsheim für Männer mit hinzukamen. Mit dem Sozialen Beratungsdienst wurde eine Clearingstelle geschaffen, deren Ziel es ist – neben der individuellen Beratung der Klienten – die Arbeit in der Wohnungslosenhilfe zu koordinieren und eine enge Zusammenarbeit aller Beteiligten zu erreichen, um Mehrfachbetreuung und -unterstützung durch verschiedene Stellen zu vermeiden. Durch die Arztpraxis für Wohnungslose und später die Münchner Straßenambulanz konnte die medizinische Versorgung von wohnungslosen Menschen in München weiter verbessert werden.

Aktuell gibt es 179 Plätze

Mit dem Umbau des Hauses 1985 und einer Umstellung, um modernen Standards zu entsprechen, wurde die Platzzahl des Hauses an der Pilgersheimer Straße zunächst auf 153 Plätze reduziert. Seit dem Anbau 2005, der eine weitere Verbesserung der Standards auf Doppel- und Einzelzimmer ermöglichte, verfügt das nahe des Kolumbusplatzes gelegene Haus nunmehr über 179 Plätze. Gestern wie heute ist der Bedarf ungebrochen. Dies ist nicht zuletzt auch auf den Wohnungsmarkt in München zurückzuführen – es steht schlicht nicht genügend Wohnraum für alle zur Verfügung. Vor diesem Hintergrund ist das Haus an der Pilgersheimer Straße heute mindestens so wichtig wie am ersten Tag.

Artikel vom 09.03.2022
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