Neue Brücken gebaut

Ebersberg · Theaterprojekt bringt Hörende und Gehörlose zusammen

Schwierige Verständigung: Roland Kühnlein und Gerhard Leitner. Foto: altes kino

Schwierige Verständigung: Roland Kühnlein und Gerhard Leitner. Foto: altes kino

Ebersberg · „Echte Lebensgeschichten, einfühlsame Momente, bewundernswerte Charaktere und reale Emotionen treffen auf die nötige Prise Humor – das ist der ,WeltRaum‘“, sagt Sozialpädagoge Thomas Rauch. Das Ergebnis dieses Projekts, das er zusammen mit der Ebersberger Theaterpädagogin Andrea Kilian für das alte kino Ebersberg betreut, soll im Frühjahr in Form eines Stadtspaziergangs in Ebersberg der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Andrea Kilian formuliert das Ziel so: „Brücke schlagen zwischen Welten“.

Die Ebersberger Kleinkunstbühne hatte den „WeltRaum“ als Theaterprojekt konzipiert. Sie wollte mit Unterstützung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge eine möglichst diverse Gruppe von Menschen versammeln, die ihre Reflexionen über Unterschiede und Gemeinsamkeiten auf die Bühne bringt: die Welt in einem Raum. Corona zwang das Team, zu dem Violetta Ditterich und Max Weis vom alten kino gehören, den „WeltRaum“ neu zu denken. Die erste Phase mündete im Dezember 2020 in einer Buch- und Filmveröffentlichung, die von umfangreichem digitalem Material begleitet wurden und zeigten, wie sich Menschen trotz der Vereinzelung in der Pandemie verbanden und dabei spielerisch mit Vorurteilen und Stigmata aufräumten. „Das war wie ein Zeitzeugnis aus dem Jahr 2020, ein kleines Abbild davon, wie die Gesellschaft in diesen Monaten mit der Pandemie umgegangen ist“, sagt Violetta Ditterich.

Kinotag: Wann sind wo Kinotage?
Kinotage in München und Landkreise Nord – Ost – Süd - West
Geldbeutel schonen und Kinoatmosphäre genießen

Einige Teilnehmer aus dieser ersten Phase sind dem Projekt treu geblieben und ließen sich im vergangenen Jahr auf etwas Neues ein: biografisches Theater. Was beschäftigt sie? Welche Themen sind ihnen wichtig? Welche – teils sehr persönlichen – Momente sind sie bereit, mit einem Publikum zu teilen? „Was im ,WeltRaum‘ entsteht, entstammt nicht einer vorgefertigten Regie, sondern den Federn, Werten, Prägungen sowie Fantasien der Teilnehmer und Teilnehmerinnen“, erklärt Thomas Rauch.

In Gruppen und einzeln, anfangs digital, seit kurzem in Präsenz, mit Rollenspielen und Körperübungen, malend, singend und tanzend hat sich das knappe Dutzend Ebersberger mit Dialekt und Schulversagen, Gemeinschaft und Fremdgehen, Wasser und Werten, Geschwindigkeit und Bildern im Kopf beschäftigt. Aus diesen Schnipseln wollen sie nun gemeinsam einen Stadtspaziergang zusammensetzen, der die Gäste an verschiedenen Orten in Ebersberg persönliche Geschichten entdecken lässt, die Teil der Stadt sind. Arbeitstitel: „Hinter den Fenstern“. Zum Programm soll auch ein Gehörlosen-Hörspiel gehören. Der Stadtspaziergang soll für Nicht-Hörende und Hörende sinnlich erfahrbar sein.

Dieses ist auf eine Besonderheit der Gruppe zurückzuführen, die den ganzen Prozess prägt: Zwei der Teilnehmer sind gehörlos. „Ohne Gebärdendolmetscher wäre ein Austausch nicht möglich“, sagt Andrea Kilian und erklärt die besonderen Herausforderungen dieser Arbeit: „Gehörlose in einer Theatergruppe erfordern eine achtsamere Kommunikation von der ganzen Gruppe: Man muss langsamer sprechen, auch für die Dolmetscherinnen, manchmal das schnelle Geplapper der Hörenden einbremsen, immer wieder auch hinschauen und nicht nur hören.“ Der Prozess braucht Zeit.

Keiner der Hörenden hatte sich je mit Gehörlosen beschäftigt, die anfängliche Skepsis war groß. Überrascht und bestürzt haben sie in den vergangenen Monaten erkennen müssen, dass Hörende und Nicht-Hörende in Parallel-Welten leben. „Die Behinderung ist nicht sichtbar“, erklärt Andrea Kilian. So kommt es, dass es in den Gesprächen der Gruppe „immer wieder um das Thema Ausgrenzung geht“, sagt Andrea Kilian. „Ich hoffe, dass dieses Projekt die nicht-hörende Community sichtbar macht.“ Und Thomas Rauch fügt hinzu: „Das Projekt führt vor Augen, wie wichtig der Austausch in einer heterogenen und diversen Gesellschaft wie unserer ist.“ Das Fazit der beiden: „Das Projekt in seiner Form ist wohl als solches einzigartig.“

Artikel vom 25.02.2022
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...