Kleiner Ort mit großer Geschichte - Benefizabend am 6. März

Bayern · Letztes Schtetl in Europa

Im Lauf von zwölf Jahren lebten in Föhrenwald tausende Menschen in einer Art jüdischen Enklave, abgeschirmt von der Außenwelt. Foto: hw

Im Lauf von zwölf Jahren lebten in Föhrenwald tausende Menschen in einer Art jüdischen Enklave, abgeschirmt von der Außenwelt. Foto: hw

Bayern/München · Zur Geschichte des „Schtetl“ Was viele nicht wissen, nach dem Zweiten Weltkrieg entstand bei Wolfratshausen das Lager Föhrenwald, das größte und am längsten bestehende Lager für jüdische DPs (Displaced Persons). Heimatlos gewordene Juden warteten hier auf ihre Ausreise unter anderem nach Israel und Canada.

Manche von ihnen blieben nur für wenige Tage, andere leben dort Jahre, denn das Lager wurde erst 1957 aufgelöst bzw. der katholischen Kirche übergeben, die hier die bestehenden Räumlichkeiten für katholische Heimatvertriebene nutzte. Viele der jüdischen Flüchtlinge waren bereits zu alt oder zu krank, um nach Israel übersiedeln zu können. Sie fanden hier ein zweitweises Zuhause.

Ein im Oktober 2018 eröffnetes Museum in Wolfratshausen-Waldram (früherer Ortsteil Föhrenwald) zeigt, wie das Leben damals in Föhrenwald verlief. Bevor 1945 die Flüchtlinge hier Quartier nahmen, wurde der abgelegene Ortsteil ab 1940 als NS-Siedlung für Zwangsarbeiter genutzt, die in einer nahe gelegenen Rüstungsfabrik arbeiten mussten. An diese Geschichte(n) erinnert in Waldram heute nur noch das alte Badehaus, das von einer Bürgerinitiative vor acht Jahren vor dem Abriss gerettet und dank vieler Unterstützer und jeder Menge ehrenamtlichen Engagements zum Museum umgebaut wurde. Die besondere Geschichte vom Lager in Föhrenwald drohte in Vergessenheit zu geraten, was der Verein eindrucksvoll zu verhindern wusste.

Benefizabend am Sonntag, 6. März

Zwei Tage vor dem internationalen Frauentag, am Sonntag, 6. März, um 18.00 Uhr lädt das BADEHAUS zusammen mit dem Lions Club Wolfratshausen-Geretsried und dem Historischen Verein Wolfratshausen zu einer besonderen Veranstaltung ein: das Gitarrenduo „The Picking Projekt“ mit Clemens Baumgartner und Andreas Oberniedermayr sowie die vierköpfige Band mit Sängerin „almost unplugged“ geben ein Benefizkonzert für den Erinnerungsort BADEHAUS.

Umrahmt wird die Musik von multimedialen Kurzvorträgen zur Geschichte von Föhrenwalder Frauen aus dem Kalender „Wolfratshausener Weibsbilder“, den der Historischen Verein Wolfratshausen für 2022 herausgegeben hat mit Porträts von Channa Birnfeld, Elisabeth Greif, Yetta Katz, Anna Kubat, Willemijn Petroff-van Gurp, Frania Rubinek, Chava Weinberg und Irmentraud Wohlfahrt.

Für den Benefizabend bereitet der Lions Club Wolfratshausen-Geretsried ein Buffet vor. Der Eintritt kostet 9 Euro, erm. 5 Euro. Eine Anmeldung ist erforderlich.

Zur Geschichte

Die Menschen, die von 1945 bis 1957 in Föhrenwald lebten, hatten sich ihre eigene jüdische Welt, ihr „Schtetl“ erschaffen. Eine Synagoge gab es ebenso wie Schulen, Krankenstationen, einen Sportverein, ein Kino und ein Waisenhaus, denn viele Kinder hatten ihre Familien verloren . Für Deutsche war der Zutritt zum „Schtetl“ indes verboten. Eine kleine, heile Welt sollte hier helfen, Wunden zu heilen, die die Verfolgung geschlagen hatte. Auch Überlebende des Dachauer Todesmarsches fanden hier eine zeitweilige Zuflucht. Zunächst stand es unter der Leitung der Amerikaner, die es Anfang der 50er Jahre dann an die Deutsche Regierung übergaben. Die Sprache im Schtetl war Jiddisch, das von nahezu allen Einwohnern dort gesprochen wurde.
Aber nicht nur das religiöse Leben wurde wieder aufgenommen, sondern auch das politische, denn viele bereiteten sich dort auf die Auswanderung nach Israel vor. Anhand von vielen Einzelschicksalen wird der Weg, den der heutige Ortsteil Waldram durchschritten und durchlitten hat, aufgezeigt.
Im Erinnerungsort Badehaus geht es nicht um zahlreiche namenlose Schicksale, sondern um ganz konkrete Personen. Geöffnet hat das Museum jeweils samstags und sonntags von 13 bis 17 Uhr, Der Eintritt kostet 5 Euro für Erwachsene und 3 Euro für Jugendliche. Für Schulklassen und Gruppen werden zu gesonderten Zeiten auch gerne Führungen nach Absprache angeboten. Unter der E-Mail info@erinnerungsort-badehause.de oder unter Tel. 081712572502 kann man hierzu Kontakt aufnehmen.
hw

Artikel vom 13.02.2022
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