Studie des DFB benennt mutmaßliche Auslöser

Spielabbrüche im Amateurfußball

Gewaltprävention: Amateurfußball im Fokus. Symbolbild: Anne Wild

Gewaltprävention: Amateurfußball im Fokus. Symbolbild: Anne Wild

München · Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat alle gewaltbedingten Spielabbrüche der Spielzeiten 2018/2019 und 2019/2020 im Amateurfußball wissenschaftlich untersuchen lassen. Die fertige Studie soll in diesem Sommer veröffentlicht werden. Vorab stellte die Tübinger Kriminologin Dr. Thaya Vester von der Eberhard Karls Universität den Anlaufstellen für Gewalt- und Diskriminierungsvorfälle der DFB-Landesverbände erste Ergebnisse ihrer Erhebung vor.

So erschreckend die Einzelfälle sind, gemessen an der hohen Anzahl an Spielen wirkt die Abbruchquote von 0,041 Prozent unter 2.349.976 untersuchten Partien gering. 973 durch die Schiedsrichter/innen veranlasste Spielabbrüche wurden mit Hilfe von 92 Variablen nach Auslösern und Ursachen sowie der Verfahrensdauer und dem Strafmaß analysiert. Im Schnitt wurde im Untersuchungszeitraum jede 2.415. Begegnung abgebrochen. Die Studie war vom DFB nach einem Beschluss der Konferenz der Präsidenten der Regional- und Landesverbände in Auftrag gegeben worden.

»Durch diese Studie haben wir nun deutlich bessere Informationen darüber, welche Faktoren eine Rolle spielten«, erklärt DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann auf der Website des Verbands. Er rät zur Vorsicht bei der Interpretation der Daten. »Schließlich basiert die Auswertung ausschließlich auf den vorliegenden Urteilen der Sportgerichte.« Das Material liefere dennoch »wertvolle Erkenntnisse«, um, »Maßnahmen zur Gewaltprävention wirkungsvoll zu optimieren und neue Ansätze zu entwickeln«. Zimmermann ist im DFB-Präsidium für das Schiedsrichterwesen zuständig und betont: »Auch wenn nur ein Bruchteil aller absolvierten Spiele gewaltbedingt abgebrochen wird, müssen wir uns diesem Thema noch intensiver widmen. Der Schutz der Unparteiischen und des Sports steht an oberster Stelle.«

In Vesters Studie wird nach endogenen (aus dem Inneren erzeugten) und exogenen (äußeren) Konfliktursprüngen unterschieden. Die statistisch häufigsten gravierenden Streitigkeiten aus dem Spiel heraus entstehen durch den Vorwurf der Parteilichkeit oder ausgelöst durch vermeintliche Fehlentscheidungen der Schiedsrichter/innen (29,8 Prozent). Die strittige Frage, ob ein Zweikampf nur hart geführt wurde oder ob ein grobes Foul vorlag, stand bei 26,1 Prozent der Spielabbrüche am Anfang der darauf folgenden Eskalationskette. Eine geringere Rolle spielen dagegen aus Interkulturalität herrührende Konflikte (4,7 Prozent) oder problematische Inszenierungen der Zuschauerschaft (4,2 Prozent).

Überproportional viele Spiele wurden während der letzten drei Minuten vor der Halbzeit abgebrochen. Im Spätherbst, der zweiten Hälfte der Hinrunde, sind ebenfalls mehr betroffene Partien als in den anderen Saisonvierteln zu verzeichnen. Bei 38,4 Prozent aller Fälle sahen sich die Unparteiischen persönlich in Gefahr. Auf Seite der Beschuldigten fielen insbesondere Einwechselspieler negativ auf. Doch nicht nur körperliche Gewalt spielt eine Rolle. Vester erklärt: »Um zu verstehen, worüber wir bei den schlimmsten Fällen reden, muss man auch die sprachliche Gewalt benennen.« In den Akten der Sportgerichte finde man übelste Beleidigungen, rassistische und frauenverachtende Diskriminierungen bis hin zu Morddrohungen.

Die Kriminologin vermisst eine einheitliche Sanktionslinie bei den Landesverbänden. Nur wenige würden Vergehen, die zu einem Spielabbruch führen, mit weiterreichenden Auflagen wie etwa Platzaufsicht oder Vereinssperre ahnden. Dass Wertungen gegen Mannschaften, die einen Abbruch verursacht haben, nicht bundesweit einheitlich ausfallen, sondern je nach Landesverband mit einem 0:2, 0:3, 0:5 oder 0:6 belegt werden, ist aus ihrer Sicht ebenfalls nicht hilfreich. Sie plädiert dafür zu sorgen, dass sich die Beteiligten aktiv mit ihrem Fehlverhalten auseinandersetzen müssen. Niedrige Geldstrafen im dreistelligen Bereich seien dafür kein geeignetes Mittel.

(as)

Artikel vom 09.02.2022
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