Tradition erhalten

CSU fordert: Aufbahrungsraum in Oberföhring soll bleiben

 Das denkmalgeschützte ehemalige Oberföhringer Gemeindehaus in der Muspillistraße 8: Im Erdgeschoss finden traditionell Aufbahrungen statt.  Foto: gem

Das denkmalgeschützte ehemalige Oberföhringer Gemeindehaus in der Muspillistraße 8: Im Erdgeschoss finden traditionell Aufbahrungen statt. Foto: gem

Oberföhring · Idyllisch im alten Oberföhriger Ortskern gelegen, hat ein Haus in der Muspillistraße eine besondere Funktion: Traditionell werden im Erdgeschoss Tote vor ihrer Beisetzung auf dem angrenzenden Friedhof aufgebahrt. Damit könnte nun bald Schluss sein. Die CSU im Stadtrat möchte dies jedoch verhindern.

Der Aufbahrungsraum in Oberföhring soll dauerhaft erhalten bleiben: Das fordert die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat in einem Antrag an Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD). "Es muss hier alles unternommen werden, um die Streichung der vertraglich vereinbarten Dienstbarkeit im Grundbuch zu verhindern und der Kirchengemeinde weiterhin die Nutzung des Aufbahrungsraums zu ermöglichen", heißt es in dem Schreiben. Die Möglichkeit einer Aufbahrung in der Muspillistraße 8 habe eine lange Geschichte, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht – "eine Tradition, die jetzt komplett aufgegeben werden soll", bedauert die CSU.

Das Anwesen neben dem Friedhof St. Lorenz hatte die damals noch eigenständige Kommune Oberföhring 1872 erworben, um dort ein neues Gemeindehaus mit einem Leichen- und Wärterzimmer, einer Remise für Löschgerätschaften der Feuerwehr, vier Zimmern für Arme sowie einem Beratungszimmer zu errichten. Noch bis 1979 benutzte die Freiwillige Feuerwehr Oberföhring das in die Denkmalliste eingetragene Gebäude mit dem "bauernhausartigen Satteldachbau" als Gerätehaus.

Im Mai 2016 bot die Stadt München das inzwischen leerstehende und stark sanierungsbedürftige Haus mit einem Startpreis von 670.000 Euro an und fand schließlich einen Käufer – wobei der neue Eigentümer dem Städtischen Bestattungsamt die kostenlose Nutzung der zwei Zimmer im Erdgeschoss zur Aufbahrung der Toten zusichern musste. In den Medien wurde das Gebäude wegen seiner ungewöhnlichen Nebennutzung als "Gruselhaus von Oberföhring" bekannt. Damals kam es im Schnitt einmal pro Monat vor, dass Verstorbene auf Bitte von trauernden Angehörigen eine Nacht im Haus aufgebahrt wurden, bevor sie auf dem Oberföhringer Friedhof beigesetzt wurden. Die Aufbahrungsräume haben einen eigenen Zugang vom Friedhof aus.

Wichtiger Teil der Dorfstruktur

Nach Ansicht der CSU stellt der Aufbahrungsraum einen wichtigen Teil der ehemaligen Oberföhringer Dorfstrukturen und Bräuche dar. Diese lange Tradition in Münchens am frühesten urkundlich erwähnten Stadtteil ist nun aber in Gefahr. So seien im Nachgang zum Verkauf mit dem neuen Eigentümer Unstimmigkeiten über die von der Stadt zu übernehmenden Renovierungskosten entstanden, führt die CSU aus: "Jetzt steht die Option im Raum, dass die entsprechende Dienstbarkeit aus Kostengründen aus dem Grundbuch gestrichen und damit die Bestattungstradition am Friedhof Oberföhring unwiederbringlich beendet wird."

Bei diesem Thema sollten wirtschaftliche Aspekte aber keine Rolle spielen, erklären die Stadträte Jens Luther, Fabian Ewald und Michael Dzeba: "Dass der Erhalt des Aufbahrungsraums wirtschaftlich nicht profitabel gestaltet werden kann, stand bereits vor dem Verkauf des Gebäudes fest und darf auch nicht Maßstab der Erwägungen sein." Ein würdevolles und wohnortnahes Abschiednehmen von den Verstorbenen müsse weiterhin möglich sein, ergänzen die Lokalpolitiker.

Die nächstgelegene Alternative der Stadt für die Trauernden wäre die Aussegnungshalle am Nordfriedhof, der jenseits der Isar und des Englischen Gartens liegt. Der Weg zum Nordfriedhof sei gerade für ältere Mitbürger sehr beschwerlich und langwierig und somit nicht zuzumuten, betont die CSU. Die Toten sollen weiter in Oberföhring aufgebahrt werden. Benjamin Schuldt

Artikel vom 19.01.2022
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