Ein Kommentar von Alfons Seeler

Selbstdemontage eines »Fußballgotts«

Angekündigter Abschied aus Giesing: Sascha Mölders. Foto: Anne Wild

Angekündigter Abschied aus Giesing: Sascha Mölders. Foto: Anne Wild

München/Giesing · Die ebenso hohe wie verdiente Niederlage des TSV 1860 München im Spiel gegen den Tabellenführer Magdeburg ist ein Einschnitt in der Entwicklung der Mannschaft. Trainer Michael Köllner sieht sich gezwungen, eine harte Kurskorrektur zu vollziehen. Für Schlagzeilen sorgt indessen Sascha Mölders. Dem Altstar und Kapitän war vom Trainer und den Geschäftsführern des Klubs zu Wochenbeginn eröffnet worden, er zähle in den verbleibenden beiden Spielen vor der Winterpause vorübergehend nicht zum Kader und solle individuell trainieren. Mölders machte die Entscheidung umgehend durch ein Instagram-Posting öffentlich. Seither tobt in den Zeitungen und Sozialen Medien eine Schlacht um die Deutungshoheit.

Letzte Saison war Mölders noch der Leitwolf des Teams und spielte sportlich eine herausragende Runde. Dass sich eine solche Leistung bei einem mittlerweile 36-Jährigen nicht beliebig wiederholen lässt, ist wenig überraschend. Die Verantwortlichen planten deshalb ursprünglich, den Routinier in seinem letzten aktiven Jahr öfter von der Bank kommen zu lassen, um gegen müde gelaufene Gegner noch einmal für Belebung im Spiel zu sorgen. Der normale Lauf der Dinge. Jüngere treten in die Fußstapfen von Älteren. Die von Mölders sind bekanntlich besonders groß. Doch der schillernde Kapitän hat den Anspruch, immer zu spielen und gibt in der Kabine und auf dem Platz aggressiv den Ton an. Wer gehofft hatte, Mölders würde die nachkommenden Talente im Kader in ihrer Entwicklung unterstützen und bereitwillig seine große Erfahrung an sie weitergeben, sah sich enttäuscht.

Viele Anhänger der Weiß-Blauen haben den gebürtigen Essener in ihr Herz geschlossen. Seine rustikale Spielweise und eine Attitüde als Working Class Hero kamen gut an auf den Rängen in Giesing. Mölders denkt, spricht und verhält sich nach dem Eindruck nicht weniger Fans wie »einer von uns«. Das schafft Identifikation. Die Ausrufung zum »Fußballgott« ist eine Auszeichnung der Westkurve, die nicht jedem zuteil wird. Dass Mölders im fortgeschrittenen Sportleralter mit 22 Treffern in der vergangenen Spielzeit Torschützenkönig der Dritten Liga wurde und bei der Abstimmung zum Fußballer des Jahres auf dem neunten Platz landete, noch vor Größen wie Reus, Stindl, Boateng oder Kroos, tat ein Übriges, um seinen Ausnahmestatus zu festigen.

Medien rissen sich um den extrovertierten Spieler mit dem Herzen auf der Zunge und präsentierten ihn als ein in der Branche vermeintlich rar gewordenes Original. Seine Tätigkeit als Kolumnist beim Kicker-Sportmagazin, seine Nebenbeschäftigung als Experte beim Spartensender DAZN – nie zuvor wurde dem kantigen Mittelstürmer eine solche Aufmerksamkeit entgegengebracht wie im Spätherbst der Karriere. Eine eigene Merchandise Kollektion, in der Mölders sich vom T-Shirt bis zum Adventskalender selbstironisch als »Wampe von Giesing« vermarktet, sollte seine Anziehungskraft stützen und monetarisieren. Weit über die Grenzen Bayerns hinaus wurde er von vielen als »echter Typ« empfunden.

Mölders bietet Unterhaltungswert. Doch es gibt eine Kehrseite des Phänomens. Und mit dieser hatten seine Vorgesetzten und Mitspieler beim TSV 1860 München seit dem Sommer immer häufiger zu kämpfen. Galt der Routinier in der Vergangenheit bereits als nicht einfacher Charakter, der Wettbewerbern um einen Stammplatz schon mal unmissverständlich klar macht, wo er sie in der internen Rangordnung sieht, soll die gewachsene Popularität des Kapitäns zu einer Hybris geführt haben, die ihn zur Belastung werden ließ. Medien berichten, Mölders habe mit Schmähungen und unverhohlenen Drohungen gegen Teamkollegen und den Trainerstab für eine ungute Arbeitsatmosphäre gesorgt. Hinzu sollen eigenmächtige Entscheidungen auf dem Spielfeld gekommen sein. Die ausdauernde Reklamation von Sonderrechten würde sich destruktiv auf das Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühl in der Mannschaft auswirken, heißt es.

In Erinnerung bleiben wird Mölders als ein kämpferischer Stürmer mit guter Trefferquote im Dienst des TSV 1860 München. Zur Klublegende der Weiß-Blauen wird es nicht reichen, denn dazu hätte er auf den letzten Metern seine persönlichen Befindlichkeiten dem Erfolg des Teams unterordnen müssen. Mölders soll bereits eine vorzeitige Auflösung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrags angekündigt haben.

Artikel vom 09.12.2021
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