Forschungen weisen Grafinger Brauerei als eine der ältesten der Welt aus

Grafing schreibt Geschichte

Grafing ist schon lange eine Stadt mit großer Biertradition. Mit der nachgewiesenen urkundlichen Erwähnung um das Jahr 1060 zählt die Braustätte jetzt sogar zu den ältesten im Freistaat. Foto: Stadtarchiv Grafing

Grafing ist schon lange eine Stadt mit großer Biertradition. Mit der nachgewiesenen urkundlichen Erwähnung um das Jahr 1060 zählt die Braustätte jetzt sogar zu den ältesten im Freistaat. Foto: Stadtarchiv Grafing

Grafing · Als Bierland ist Bayern stolz auf seine Vielzahl von traditionsreichen Brauereien. Bis ins Jahr 1040 lässt sich in der Bayerischen Staatsbrauerei Weihenstephan die Kunst des Bierbrauens zurückverfolgen.

Die ehemalige Klosterbrauerei, die heute weltweit als Zentrum der Brautechnologie gilt, hat damit auch ihren Ruf als älteste Brauerei Bayerns gefestigt, in der durchgängig bis zur Gegenwart Bier gebraut wird.

Vor diesem Hintergrund ist es als kleine Sensation zu werten, was ein Forscher jetzt in der Bierstadt Grafing zutage gefördert hat. Die Geschichte der Ortsgründung ist dort eng mit einer frühen Braustätte verbunden. Im Rahmen neuerlicher Recherchen im Hauptstaatsarchiv München zeigte sich, dass die seinerzeit zum Benediktinerkloster Ebersberg gehörende Braustätte eine der ältesten im Freistaat ist.

Die Braustätte ist Teil des um 973 von Herzog Heinrich II. („der Zänker“) für seine Frau Gisela errichteten Landguts „Gisling“. Den Quellen zufolge entstand das Gut, das zur Keimzelle Grafings und des Grafinger Brauwesens wurde, am Urtelbach unweit des Kirchdorfs Öxing. Eine in Latein verfasste Urkunde legt nahe, dass dort bereits um das Jahr 1060 Bier gebraut wurde. Bisher war man davon ausgegangen, dass der erste urkundliche Nachweis eines früheren Wirtshauses mit Braustätte im Jahr 1536 die Biertradition in Grafing begründet hat.

Entdeckt hat den Fund Bernhard Schäfer. Der Kreisarchivpfleger und studierte Historiker ist Leiter des Stadtarchivs und des Stadtmuseums in Grafing. Als Forscher, Autor und Herausgeber zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen sowie als Ausstellungsmacher genießt er überregional ein hohes Renommee. Bereits 2003 hat Schäfer eine umfangreiche Ortschronik für Grafing erstellt. Wie er zu dem Aufsehen erregenden Fund kam, schildert er so: „Im Zuge der Renovierung des historischen Bräustüberls im Ortskern soll erstmalig ein Stammbaum die Ursprünge und Familientraditionen des Bierbrauens in Grafing veranschaulichen. Bei diesbezüglichen Recherchen in München ist mir eine Urkunde mit Details in die Hände gefallen, die eine Neudatierung zwingend erscheinen lassen.“

Wie Schäfer erläutert, ist die entscheidende Textstelle im Cartular des Klosters Ebersberg zu finden, dessen Original im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München aufbewahrt wird. Das Kloster war seit dem Jahr 1045 Besitzer des Landguts, das nach 976 von Gisling in Grafing umbenannt wurde. Wie in der Urkundensammlung nachzulesen ist, übereignete um 1060 der Priester Konrad der Benediktinerabtei Ebersberg ein Anwesen in Sulding. Als Ausgleich dafür erhielt er aus dem Landgut Grafing jährliche Naturalzuwendungen. „Interessant ist, dass dabei neben gepöckeltem Schweinefleisch sowie fünf Scheffel Roggen und einem Scheffel Weizen auch von ,cervesia plena‘, also von Vollbier, die Rede ist“, erklärt Schäfer. Der Historiker leitet daraus konsequenterweise auch zwingend die Existenz einer Braustätte ab.

Mit der urkundlichen Erwähnung um das Jahr 1060 zählt die Braustätte in Grafing jetzt zu den ältesten im Freistaat. Zeitlich früher angesiedelt sind nur die beiden urkundlich belegten Klosterbrauereien in Weihenstephan (1040) und Weltenburg (1050).

Überrascht von der Neudatierung zeigt sich Walter König, Geschäftsführer des Bayerischen Brauerbunds: „Rückdatierungen von Gründungsbelegen sind in der bayerischen Brauwirtschaft äußerst selten.“ Dennoch ist der historische Fund nicht der erste in Königs langjähriger Dienstzeit beim Bayerischen Brauerbund. So wurden im Zuge der Recherchen im Umfeld des 500. Jubiläums des Bayerischen Reinheitsgebotes von 1516 im Archiv der Stadt Bad Reichenhall entsprechende historische Dokumente gefunden. Diese enthielten nach Information Königs nicht nur die damaligen Regelungen zum Brauen von Weißbier, sondern rechtfertigten auch die Rückdatierung der Gründung der Bad Reichenhaller Bürgerbräu um 140 Jahre.

König betont, dass die große Anzahl der Braustätten, die daraus erwachsende Vielfalt der Bierspezialitäten, die kulturelle Verwobenheit des Bayerischen Bieres mit Festen und Bräuchen und gerade die hier dokumentierte lange Tradition des Bierbrauens in Bayern die Säulen bayerischer Bierkultur darstellen.“

Erfreut über die Entdeckung in Grafing ist ebenso Dr. Thomas Geppert, Landesgeschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbands DEHOGA Bayern: „Bier und Gastgewerbe gehen in Bayern seit Anbeginn Hand in Hand einen zum Teil parallel verlaufenden historischen Weg. Das flüssige Gold stellt als Lebensmittel in den bayerischen Gaststätten ein Kulturgut dar und ist damit Teil einer wesentlichen Komponente im sozialen Zusammenspiel, das in Bayerns Wirtshäusern stattfindet. Dass diese wesentlichen Wurzeln mit der urkundlichen Erwähnung in Grafing nun bereits bis in das Jahr 1060 zurückreichen, zeigt damit auch die dort besonders weit zurückreichende Keimzelle bayerischer Gastfreundschaft, die hier ihren Anfang in einem für Bayern so wesentlichen Gut findet.“

Für Grafings ersten Bürgermeister Christian Bauer (CSU) ist die Vordatierung der ursprünglichen Braustätte Grafings um fast 500 Jahre ein neuerlicher Beleg für die enge historische Verknüpfung des Orts mit dem Brauwesen: „Wir sind sehr stolz auf unsere reiche und weit zurückreichende Tradition als Bierstadt. Die enge Verbundenheit der ersten Braustätte mit der Keimzelle der heutigen Stadt Grafing drückt sich nicht zuletzt in dem kraftvollen Bären aus, der sowohl unser Stadtwappen wie auch das Signet unserer Brauerei, des Grafinger Wildbräus, ziert“.

Einen besonderen Auftrag sieht auch Gregor Max Schlederer in der historischen Sensation. Als Bräu übernahm er 2018 in siebter Generation die Geschäftsführung des Wildbräus. Mit der über 960-jährigen Geschichte des erfolgreichen Brauhauses in Grafing hat er die Braukunst quasi in der DNA. „Wir sind urbayerisch und pflegen unsere Tradition ganz im Sinne des Bayerischen Reinheitsgebots von 1516. Mit der stilechten Renovierung des historischen Bräustüberls quasi am Ursprungsort unserer Stadt geben wir Grafing ein Stück Gemeinschaftsgeist und historische Identität zurück.“

Zugleich versteht Bräu Gregor Max Schlederer seine Mission als Vertreter der jungen Generation auch darin, „mit unserem Bier ein Stück Heimat und das ursprüngliche bayerische Lebensgefühl mit seinen wilden Traditionen zu bewahren“. Gerade deshalb fühle er sich auch der Region und den vielen Vereinen sehr verbunden.

Artikel vom 17.11.2021
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