Baden ohne Wasser

Landschaftsökologin Doris Nebel zum Thema "Waldbaden"

Waldbaden kann praktisch jeder und funktioniert in jeder Landschaft, in jedem Park und sogar auf dem Balkon und in den heimischen vier Wänden. Foto: Privat

Waldbaden kann praktisch jeder und funktioniert in jeder Landschaft, in jedem Park und sogar auf dem Balkon und in den heimischen vier Wänden. Foto: Privat

München · Zugegeben, nicht wenige Trends aus Asien setzen sich früher oder später auch bei uns durch. Einer dieser ganz aktuellen Trends ist das so gennante "Waldbaden". Gerade in Pandemie-Zeiten sehnen sich viele Menschen nach Zerstreuung und Ablenkung vom allgegenwärtigen Corona-Desaster. Und "Raus in die Natur" - das geht immer.

Das Münchner Wochenblatt hat sich mit Dipl. Landschaftsökologin Doris Nebel über den Waldbaden-Trend unterhalten.

Liebe Frau Nebel, was hat es mit dem Waldbaden auf sich?

Doris Nebel: So wie wir in der Sonne baden und uns entspannen, können wir auch in der Atmosphäre des Waldes baden. Ich erweitere den Begriff auch gerne auf "Landschaftsbaden", da es nicht auf den Wald und Bäume begrenzt ist und in jeder Landschaft, in jedem Park und sogar auf dem Balkon oder mit den Zimmerpflanzen praktiziert werden kann. Es geht darum die Wahrnehmung mit allen Sinnen zu öffnen, langsamer zu werden (entschleunigen) und eine Beziehung aufzubauen.

Wie funktioniert das Waldbaden?

Doris Nebel: Ich gebe eine Reihe von “Einladungen”, die die aufmerksame Wahrnehmung mit allen Sinnen fördern. Dies sind Vorschläge - gleichzeitig erlauben sie den Teilnehmern auch ihren eigenen Impulsen zu folgen um eine ganz individuelle Erfahrung mit dem Wald und seinem Wesen zu ermöglichen. Der Wohlfühl- und Entspannungseffekt steht im Vordergrund. Es geht nicht darum Pflanzen zu identifizieren und beim Namen nennen zu können, sondern mit allen Sinnen in dieser Welt und in diesem Moment anzukommen, sowie eine Beziehung und Kommunikation mit dem Wald und seinen Wesen einzugehen.

Was macht das Waldbaden mit uns?

Doris Nebel: Es wirkt zum einem durch die Stoffe, die wir durch die Lunge und die Haut aufnehmen und einatmen gesundheitsfördernd und immunisierend. Außerdem stresslindernd und entspannend auf das Nervensystem, der Parasympaticus wird gestärkt. ADHS Symptome werden vemindert, die Konzentrationsfähigkeit erhöht. Physiologisch hat man unter anderem die ausgleichende Wirkung auf den Blutdruck festgestellt - senkend oder erhöhend - je nach Bedarf. Es senkt den Cortisolspiegel und beruhigt die Herzfrequenz. Die Begegnung mit den Tieren und Pflanzen regt möglicherweise die Neugierde und den Forscherdrang an, so dass man mehr über das Tier oder die Pflanze erfahren möchte. So hat dieser entspannte Aufenthalt im Wald eine nachhaltige Wirkung, die auch dazu führt, dass wir Anteil nehmen an der Natur, und es ein persönliches Anliegen wird für sie zu sorgen. Wenn wir die Vernetzung von Zusammenhängen erkennen und da ist die Natur eine wunderbare Lehrerin, dann kann es dazu führen, dass wir auch unser Verhalten verändern und mit einem anderem Bewustsein durch unser Leben gehen. Das schließt viele Aspekte ein, zum Beispiel auch die Ernährung und Gesundheit.

Woher kommt dieser Trend überhaupt?

Doris Nebel: 1980 in Japan: Die Entwicklung hin zu einer technisierten Gesellschaft, die zu immer mehr Krankheiten wie Krebs und Autoimmunkrankheiten führte. So starteten sie verschiedene Projekte um herauszufinden wie sie dieser Epidemie begegnen könnten. Darunter auch die Frage wie der Wald auf die Gesundheit der Menschen wirkt. Die Bäume senden Duftstoffe aus, Terpene um sich selbst vor Angriffen von Pilzen und ähnlichem zu schützen. Wir Menschen nehmen diese Terpene durch den Atem und die Haut auf und sie wirken auch als Killerzellen in unserem Körper und können ihn damit gegen Krankheiten wie Krebs immunisieren. So stellten die Japaner durch ihre Studien fest, dass das blosse “Baden im Wald” (“Shinrin Yoku”) unsere Immunabwehr unterstützt. Inspiriert davon und auch von der Wildnispädagogik hat die ANFT (Association of Nature and Foresttherapy) diese Praxis noch erweitert. Denn bei der von Amos Clifford und seinem Team entwickelten Forest Therapy liegt der Fokus auch auf der Naturverbindung, die die Beziehung beinhaltet, die wir zu unserem Körper und Sinnen, den Pflanzen, Tieren und den Elementen der Natur haben.

Was meine Sie, haben die Leute wegen der Pandemie einen anderen Bezug zur Natur?

Doris Nebel: Ja, ich glaube schon. Es entsteht mehr Wertschätzung für den Raum der Natur als ein Ort wo man zur Ruhe kommen und einen Ausgleich schaffen kann. Ich glaube, dass es vor allem auch für die Kinder sehr wichtig ist, einen Raum zu betreten wo mann sich noch normal und ohne Masken aufhalten und begegnen kann. Dazu kommt natürlich die gesundheitsfördernde, abwehrsteigernde und stressvermindernde Wirkung, die wir in diesen Zeiten ganz besonders brauchen können.

Kann man Waldbaden alleine oder auch in der Gruppe machen?

Doris Nebel: Ja, das geht Beides. In der Gruppe hat man die Möglichkeit sich über die Erfahrungen auszutauschen, aber die Erfahrung macht jede/r überwiegend für sich allein. Es geht darum mit allen Sinnen und ganzer Aufmerksamkeit den Wald zu erfahren und ihn nicht als Kulisse zu benutzen, wie wir es häufig gewohnt sind.

Haben Sie einen "Lieblingswald"?

Doris Nebel: Ja, in der Nähe meines Wohnortes gibt es ein Naturschutzgebiet, dort halte ich mich fast täglich auf. Erst gehe ich im Moorsee baden und dann in der Landschaft baden.

Wie oft gehen Sie in der Woche Waldbaden?

Doris Nebel: Täglich am liebsten 2 bis 3 Stunden, wenn ich wenig Zeit habe, dann auch nur 1 Stunde.

Live-Anleitung zum Wald- und Landschaftsbaden
Alle die jetzt Interesse am Waldbaden haben, sollten sich den 27. März vormerken. Von 13.45 bis 16.15 Uhr gibt Doris Nebel eine Live-Anleitung zum Wald- und Landschaftsbaden über die Online-Plattform Zoom. Das soll natürlich nicht in der Wohnung stattfinden. Jeder Teilnehmer sucht sich einen schönen Platz im Freien, wo er ungestört mit allen Sinnen die Natur um ihn herum wahrnehmen kann. Dies darf der eigene Garten oder Balkon sein, genauso ein ruhiger Platz im Park, im Wald oder in der Heide. Durch einfache Wahrnehmungs-Übungen, die alleine durchgeführt werden, kommt jeder für sich ins Hier und Jetzt. Zwischendurch und am Ende besteht die Möglichkeit zum Austausch. Es wird kein Teilnehmer-Beitrag erhoben. Eine Spende zur Förderung der Umweltbildungsarbeit des Heideflächenvereins wird erbeten. Anmeldung online bei unter http://heideflaechenverein.de (Rubrik "Veranstaltungen").

Artikel vom 19.03.2021
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...