Justizminister Georg Eisenreich betont, Hass im Netz unterdrückt die Meinungsfreiheit

Erste Bilanz im Kampf gegen Hass im Internet

Justizminister Georg Eisenreich: "Hass und Hetze im Netz unterdrücken die Meinungsfreiheit. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima. Dass dagegen konsequent vorgegangen wird, ist mir ein persönliches Anliegen!" Foto: job

Justizminister Georg Eisenreich: "Hass und Hetze im Netz unterdrücken die Meinungsfreiheit. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima. Dass dagegen konsequent vorgegangen wird, ist mir ein persönliches Anliegen!" Foto: job

Bayern/München · Da "hat es mal den Richtigen erwischt", postete ein Internetuser nach dem Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Weil er damit eine Straftat billigte, wurde er inzwischen zu 3.500 Euro Strafe - in seinem Fall 70 Tagessätze - verurteilt. "Das Internet ist kein rechtsfreier Raum, wir schauen nicht weg", unterstrich Bayerns Justizminister Georg Eisenreich. Auch das Tatwerkzeug kann bei Hass und Hetze im Internet eingezogen werden - Tablet oder Smartphone sind dann auch bei geständigen Ersttätern weg.

Ob Beleidigungen, Verleumdungen, Volksverhetzung: Die bayerische Justiz nimmt Hate-Speech im Netz konsequent ins Visier, erklärte Eisenreich: "Hass und Hetze im Netz sind keine Bagatellen, sondern eine Gefahr für unsere Demokratie. Aus Worten können zudem Gewalt­taten werden. Daher reicht Löschen allein nicht aus. Wer die Meinungsfreiheit und die Demokratie schützen will, muss Hass im Netz konsequent bekämpfen."

1.648 Verfahren im Jahr 2020

Zum 1. Januar 2020 wurden von ihm deshalb Deutschlands erster Hate-Speech-Beauftragter zentral für die bayerische Justiz berufen und bei allen 22 bayerischen Staatsanwalt­schaften Sonderdezernate für die Bekämpfung von Hate-Speech eingerichtet. Für das Jahr 2020 gibt es daher erstmals eine gesonderte sta­tistische Auswertung: Die Hate-Speech-Spezialisten haben insgesamt 1.648 Verfahren wie den eingangs erwähnten wegen Hasskriminalität im Internet geführt.

245 Beschuldigte wurden bereits im Jahr 2020 angeklagt und gegen 102 Personen erging ein Urteil oder Strafbefehl. 462 Verfahren wurden eingestellt, z. B. mangels hinreichenden Tatverdachts oder Täter nicht ermittelbar. In 941 Verfahren dauern die Ermitt­lungen an. Der Minister dankte allen, die gegen Hate-Speech vorgehen: "Der Kampf gegen Hasskriminalität muss entschlossen geführt werden. Die ersten Erfolge sind dem großen Einsatz unserer Ermittlerinnen und Ermittler zu verdanken."

Der Staat schützt Mädchen und Frauen

Hass und Hetze im Netz treffen immer wie­der auch Frauen, die sich öffentlich engagieren. Sie werden allein wegen ihres Geschlechts Opfer sexualisierter Beleidigungen im Internet. "Das ist erniedrigend und beschämend", so Eisenreich. "Wir nehmen den Schutz von Mädchen und Frauen sehr ernst. Deshalb wird Bayern strafbare Hate-Speech gegen Frauen künftig gesondert erfassen. Damit nehmen wir die Täter noch gezielter ins Visier. Ich möchte Mädchen und Frauen ausdrücklich ermutigen: Zeigen Sie Hasskommentare an, die Sie im Netz erleiden müssen."

Vier Monatsgehälter Geldstrafe

"Die Meinungsfreiheit endet dort, wo strafbarer Hass beginnt. Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung oder das Verwen­den verfassungswidriger Symbole sind typische Straftatbestände der Hate-Speech. Etwa 80 Prozent der strafbaren Posts stammen aus dem rechten oder rechtsextremen Spektrum", erklärte Justizminister Eisenreich und warnte: "Volksverhetzung kann bereits bei Ersttätern Geldstrafen von 120 Tagessätzen (vier Monatsgehälter) zur Folge haben ? plus einen Eintrag ins Führungszeugnis. Bei Wiederho­lungstätern ist auch eine Freiheitsstrafe möglich."

Eisenreich kündigte an, die Betreiber von" sozialen" Netzwerken stärker in die Pflicht nehmen: "Wir können die Urheber von Hate-Speech nur effektiv verfolgen und bestrafen, wenn wir sie identifizieren können. Deshalb müssen Auskunftsersuchen unserer Straf­verfolgungsbehörden von Netzwerkbetreibern ohne Wenn und Aber beantwor­tet werden. Nur so können wir Hate-Speech wirksam bekämpfen und den Ein­zelnen und unsere Demokratie schützen." Die Betreiber der Seiten, die Hass und Hetze veröffentlichen, nehmen nach Ansicht des Justizministeriums die Ermittlungen und den Opferschutz nicht besonders ernst: "Facebook war oft nicht hilfreich", berichtete der Minister.

Die bayerische Justiz ist beim Kampf gegen Hass im Netz gut aufgestellt. Sie verfügt über schlagkräftige Ermittlungsstrukturen. Bei allen 22 bayerischen Staatsanwaltschaften wurden zum 1. Januar 2020 Sonderde­zernate für die Bekämpfung von Hate-Speech eingerichtet. Dadurch sind spezialisierte Staatsanwälte in ganz Bayern vor Ort. Daneben wurde bei der Zentralstelle zur Bekämpfung von Extre­mismus und Terrorismus (ZET) bei der Generalstaatsanwaltschaft München zentral für ganz Bayern zum 1. Januar 2020 ein eigener Hate-Speech-Beauf­tragter bestellt. Das soll ein klares Signal sein: Bekämpfung von Hate-Speech ist auch Extremismusbekämpfung.

Zahlreiche Vorschläge des bayrischen Justizministeriums wurden in Berlin aufgegriffen und teilweise auch bereits umgesetzt: Antisemitische Beweggründe und Ziele sollen als strafschär­fend zu berücksichtigende Tatmotivation ausdrücklich in die Regelung zur Strafzumessung im Strafgesetzbuch aufgenommen werden. Nachdem eine bayerische Bundesratsinitiative mehrheitlich beschlossen wurde, haben Bundestag und Bundesrat den bayerischen Vorschlag eins zu eins in den Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität übernommen und diesem inzwischen zugestimmt.

Strafverfolgungsbehörden brauchen daneben ausreichende Sanktions­möglichkeiten. Staatsminister Eisenreich hat sich dafür eingesetzt, dass die Rege­lungen im Strafgesetzbuch mit Bezug zur Hasskriminalität an die Besonderheiten des Netzes angepasst werden. Insbesondere die Anpassung des Tatbestandes der Beleidigung ist ein bayerisches Kernanliegen, für das er sich eingesetzt hat. Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, kann künftig mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden.

Darüber hinaus müsse das Beleidigungsstrafrecht nicht nur punktu­ell, sondern umfassend modernisiert werden. Die zentralen Rege­lungen des Beleidigungsstrafrechts wurden im Wesentlichen in den vergangenen 150 Jahren nicht mehr verändert. Um die rechtspoliti­sche Diskussion voranzubringen, hat Minister Eisenreich im No­vember 2019 einen bayerischen Diskussionsentwurf vorgelegt.

Artikel vom 09.02.2021
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