"Lebensborn" in Steinhöring

Ein dunkles Kapitel aus der Geschichte des Landkreises Ebersberg

1936 eröffnete "Lebensborn" das Heim „Hochland“ in Steinhöring. Bis Kriegsende sollte hier der "arische" Nachwuchs "gezüchtet" werden. Foto: Bundesarchiv, CC-BY-SA 3.0

1936 eröffnete "Lebensborn" das Heim „Hochland“ in Steinhöring. Bis Kriegsende sollte hier der "arische" Nachwuchs "gezüchtet" werden. Foto: Bundesarchiv, CC-BY-SA 3.0

Steinhöring · Mit dem Ziel, Menschen mit Behinderung „Arbeit und ein sinnerfülltes Leben“ zu ermöglichen, gründete die KJF München vor fast 50 Jahren den Einrichtungsverbund Steinhöring. Das älteste Gebäude auf dem Steinhöringer Gelände hat eine wechselvolle Geschichte.

In der Zeit des Nationalsozialismus wurde hier der erste "Lebensborn" des sogenannten „Dritten Reiches“ eröffnet. Diese Einrichtung der SS war Teil der nationalsozialistischen Rassenhygiene und diente als Entbindungsheim für Frauen, die dem Bild der "arischen Mutter" entsprachen.

Zur gleichen Zeit wurde eine große Zahl von Menschen mit Behinderung und Menschen mit psychischen Erkrankungen im Rahmen der „Aktion Tiergarten 4“ systematisch ermordet.

Der Verein "Lebensborn" wurde 1935 auf Veranlassung Heinrich Himmlers gegründet. Die Organisation war als eingetragener Verein rechtlich selbstständig, um als juristische Person Eigentumsrechte an Heimen usw. erwerben und auch Nicht-SS-Angehörigen den Beitritt ermöglichen zu können. Organisatorisch blieb der Verein jedoch der SS unterstellt. Finanziert wurde er durch Zwangsabgaben der SS-Leute. Kinderlose hatten die höchste Abgabe zu entrichten, ab vier Kindern, egal ob ehelich oder unehelich, endete die Beitragspflicht. Diese Maßnahme sollte SS-Angehörige anregen, ihren „völkischen Verpflichtungen“ bezüglich Nachwuchsförderung nachzukommen.

Der Verein sollte unter anderem "rassisch und erbbiologisch wertvolle, kinderreiche Familien unterstützen," sowie "rassisch und erbbiologisch wertvolle ledige Mütter unterbringen und betreuen, bei denen nach sorgfältiger Prüfung (...) anzunehmen ist, daß gleich wertvolle Kinder zur Welt kommen".

Am 15. August 1936 eröffnete der Lebensborn schließlich sein erstes Heim, „Hochland“ in Steinhöring. Das Entbindungs- und Erziehungsheim verfügte anfangs über 30 Betten für Mütter und 55 für Kinder. Bis 1940 verdoppelte sich die Bettenzahl. Frauen, die sich um Aufnahme bewarben, sollten laut Satzung des Lebensborn „in rassischer und erbbiologischer Hinsicht alle Bedingungen erfüllen, die in der Schutzstaffel allgemein gelten“. Entsprechend mussten die Frauen die gleichen Anforderungen erfüllen wie jeder SS-Bewerber bei der Aufnahme in die SS und bei der Heirat. Im Laufe des Krieges wurden die Aufnahmekriterien reduziert, so dass schließlich etwa 75 Prozent der Anträge bewilligt wurden. Infolge des Krieges wuchs die „arische Elite“ nur mäßig. Daher wurde befohlen „arisch“ aussehende, blonde und blauäugige Kinder aus besetzten Gebieten zwecks „Eindeutschung“ zu entführen. Diese kamen dann in die Lebensborn-Heime.

In Steinhöring endete auch das Rassenprojekt. Als die US- Truppen anrückten, verbrannten die Angestellten die Originalpapiere und ließen die aus allen Heimen hierher evakuierten Kinder zurück. Bei vielen Kindern konnte die Identität nicht geklärt werden. Von den insgesamt 250.000 Kindern, die während des Krieges ihren leiblichen Eltern entrissen und geraubt wurden, sind gerade einmal 25.000 in ihre alte Heimat zurückgekehrt.

Vor einem US-Militärgericht wurde gegen 14 Beschuldigte verschiedener SS-Hauptämter verhandelt, darunter auch gegen vier ehemalige führende Funktionäre des Lebensborn. In den Anklagepunkten, die sich auf ihre Tätigkeit im Lebensborn begründeten, wurden alle Angeklagten freigesprochen. Ihre aktive Rolle bei der Verschleppung von etwa 250 osteuropäischen Kindern, ebenso wie ihre Beteiligung an der Tötung behinderter Kinder, wurde erst später bekannt.

Artikel vom 27.01.2021
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