Chef-Infektiologe Prof. Clemens Wendtner beantwortet Fragen rund um ein möglichst sicheres Weihnachtsfest

Covid-19 unterm Weihnachtsbaum

Prof. Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing und hat die ersten Covid-19-Patienten Deutschlands betreut. Foto: München Klinik

Prof. Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing und hat die ersten Covid-19-Patienten Deutschlands betreut. Foto: München Klinik

München/Landkreise · Seit letzter Woche ist das öffentliche Leben in Deutschland deutlich heruntergefahren. Doch Familien soll zwischen 24. und 26. Dezember ein gemeinsames Weihnachtsfest im engsten Kreis ermöglicht werden. Über den eigenen Hausstand hinaus sind in dieser Zeit Treffen mit bis zu vier weiteren Personen aus dem engen Familienkreis möglich.

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Allerdings bedeuten weihnachtliche Familienzusammenkünfte, die oft mit Reisegeschehen verbunden sind, auch ein erhöhtes Infektionsrisiko, das es im Sinne aller Beteiligten und gerade der eigenen Familie so gering wie möglich zu halten gilt.

Prof. Clemens Wendtner ist Chefarzt der Infektiologie in der München Klinik Schwabing und hat die ersten Covid-19-Patienten Deutschlands betreut. Der Mediziner beantwortet die häufigsten Fragen rund um Weihnachten in der Pandemie und gibt Tipps, wie sich das Fest in Anbetracht der bestehenden Infektionsrisiken möglichst sicher gestalten lässt.

Wir möchten an Weihnachten als Familie mit Schulkindern zu „Oma und Opa“. Wie schützen wir diese am besten?

Prof. Clemens Wendtner: Wer an Weihnachten Verwandte besucht, sollte dringend eine Selbstisolation vor Weihnachten in Erwägung ziehen, um das Ansteckungsrisiko zu verringern. Das gilt generell und insbesondere wenn die Angehörigen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-Verlauf haben, da sie beispielsweise älter sind oder eine Vorerkrankung haben.

Da die Inkubationszeit, also der Zeitraum von der Ansteckung bis zum Auftreten erster Symptome, bei Covid-19 5-6 Tage beträgt und darüber hinaus bis zu 45 Prozent der Covid-19-Erkrankungen ohne Symptome verlaufen, sollte der Isolationszeitraum im Idealfall 10 Tage oder mehr betragen. Denn die Viruslast und damit die Ansteckungsgefahr für andere Menschen ist in der Zeit bis zur Symptomentwicklung am höchsten. Nach zwei Wochen ist das Ansteckungsrisiko auch im Falle einer unentdeckten Infektion, die ohne Symptome verläuft, also deutlich minimiert.

Natürlich ist ein langer Isolationszeitraum nicht für jeden machbar. Dann sind weniger Tage der Selbstisolation besser als gar keine Isolation – man kann grundsätzlich sagen: Jeder Tag Selbstisolation gibt ein Stück mehr Sicherheit. Am Tag vor der Abfahrt zu Oma und Opa sollten alle Familienmitglieder nochmal überprüfen, ob sie symptomfrei sind – das heißt: kein Husten, keine erhöhte Temperatur, kein Kopfweh oder Durchfall, die Weihnachtsplätzchen riechen und schmecken noch wie sie sollen.

In jedem Fall gilt in diesem Jahr auf das eigene Bauchgefühl zu hören und Weihnachten nicht aus reinem „Traditionsdruck“ wie gewohnt zu feiern: Wer kein gutes Gefühl beim großelterlichen Weihnachtsbesuch hat, ist in diesem Jahr sicher nicht der Einzige, der ganz darauf verzichtet – und Oma und Opa stattdessen die Videotelefonie erklärt. So lassen sich auch neue Traditionen schaffen.

Wie viel „AHA“ braucht es unterm Weihnachtsbaum?

Prof. Wendtner: Da Maske tragen und durchgehend 1,5 Meter Abstand halten mit der Familie unter dem Weihnachtsbaum schwierig ist, ist es umso wichtiger, dass der Teilnehmerkreis bei der Weihnachtsfeier so klein wie möglich gehalten wird und sich alle Beteiligten vorab konsequent isolieren. Auch dann hört „AHA“ in diesem besonderen Jahr allerdings besser nicht unterm Weihnachtsbaum auf – wir dürfen gerade bei den uns nahestehenden Menschen nicht vergessen, was wir das ganze Jahr über so konsequent gelernt und verinnerlicht haben. Händewaschen und Handhygiene sollten auch an den Weihnachtstagen weiterverfolgt werden, zur Begrüßung haben sich ja mittlerweile Formeln fernab des Handschlags fest etabliert. Und nicht zuletzt gilt bei längerem Beisammensein auf engem Raum: Lüften, lüften, lüften.

Zu älteren Verwandten mit dem Zug oder mit dem Auto fahren – was ist „sicherer“?

Prof. Wendtner: Aus infektiologischer Sicht ist sicherlich das Auto das bevorzugte Verkehrsmittel für die Weihnachtstage. Dann sollte innerhalb des Fahrzeugs aber auch kein Kontakt zu Personen aus anderen Hausständen bestehen. Fahrgemeinschaften mögen kostengünstiger und umweltschonender sein, sind in der Pandemie aber ein Infektionsrisiko und machen die idealerweise vorangegangene Isolation hinfällig. Alle Familienmitglieder, die gemeinsam im Auto in die Weihnachtstage aufbrechen, sollten sich in den Vorweihnachtstagen achtsam verhalten und Kontakte soweit möglich reduziert haben sowie symptomfrei sein.

Sollte im Auto ein Risikopatient sein, kann es als zusätzliche Schutzmaßnahme sinnvoll sein, während der Fahrt Schutzmasken zu tragen und regelmäßig durch die Fenster zu lüften, um das Infektionsrisiko auch während der Fahrt weiter zu minimieren.

Wie schütze ich mich auf dem Weg in die Weihnachtstage im Zug?

Prof. Wendtner: Wer an Weihnachten mit der Bahn zur Familie reist, muss vermutlich auch dieses Jahr mit voll besetzten Zügen rechnen. Deshalb lohnt es sich in gute Schutzausrüstung zu investieren, da im Zug der Mindestabstand nicht immer eingehalten werden kann und viele Menschen auf längere Zeit in teils schlecht lüftbaren Waggons ein höheres Infektionsrisiko haben.

Zertifizierte Masken schützen nachweislich besser vor einer Infektion als beispielsweise selbstgenähte Masken oder Schals. Ich würde mindestens einen chirurgischen Einmal-Mund-Nasen-Schutz empfehlen, man sieht die typischerweise blauen Masken ja immer öfter. Diese können aber schnell durchfeuchten und dann ist der Schutz eingeschränkt. Für längere Fahrten ist daher eine FFP2-Maske sicherlich die noch bessere Wahl, die mindestens 94 Prozent der Aerosole aus der Luft filtert und den Träger sowie die Mitreisenden damit maximal schützt. Nach der Fahrt sollte man die Maske entsorgen und die Hände waschen und desinfizieren.

Ich mache am Montag einen Antigen-Schnelltest und besuche meine Verwandten an Weihnachten. Ist eine Ansteckung bei negativem Testergebnis ausgeschlossen?

Prof. Wendtner: Ein negatives Testergebnis in maximal 30 Minuten und im Anschluss sorgenfrei an Weihnachten die Urgroßmutter besuchen – so schön das wäre, entspricht das innerhalb unserer verfügbaren Testmöglichkeiten aktuell leider nicht der Realität. Der Goldstandard unter den Tests ist weiterhin der aufwändigere PCR-Test, der im Labor ausgewertet wird. Neben der geringeren Zuverlässigkeit sind die Schnelltests nur für maximal 24 Stunden „aussagekräftig“ – wer am Montag den Test macht und am Donnerstagabend zu Verwandten fährt, müsste den Test demnach am Donnerstagvormittag zur Sicherheit wiederholen.

Antigen-Schnelltests schlagen außerdem vor allem bei bereits bestehenden Symptomen an und können hier sinnvoll sein, um unspezifische Erkältungssymptome einzuordnen. In der aktuellen Situation würde ich aber dringend davon abraten mit Fieber, trockenem Husten und Co. die Verwandten zu besuchen – negativer Schnelltest hin oder her. Wer eindeutig krank ist, sollte sich auskurieren und im Sinne der Liebsten auf ein persönliches Treffen verzichten, denn neben Covid-19 gibt es weitere Viruserkrankungen, die man seiner Familie nicht gerne an den Weihnachtsbaum bringen möchte. Bei gesunden Menschen ist die beste Absicherung vor dem Familienbesuch immer noch die strenge vorherige Selbstisolation – wem das nicht genügt, der ist mit einem PCR-Test vor dem Weihnachtsbesuch als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme besser beraten. In vielen Hausarztpraxen ist das auf eigene Kosten möglich, es ist aber sicherlich zu empfehlen, hier frühzeitig Kontakt aufzunehmen.

Artikel vom 22.12.2020
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