Eine Pandemie in Zahlen

Eine Zwischenbilanz der München Klinik nach 10 Monaten

Nur mit Schutzkleidung geht es zu den Covid-19-Patienten. Foto: München Klinik / Klaus Krischock

Nur mit Schutzkleidung geht es zu den Covid-19-Patienten. Foto: München Klinik / Klaus Krischock

München · Die Situation ist herausfordernd und die Kapazitäten sind begrenzt, daher begrüßt die München Klinik den ausgerufenen Katastrophenfall vor dem Hintergrund der besseren Verteilmöglichkeit der Covid-Patienten ausdrücklich.

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Die Situation ist herausfordernd und die Kapazitäten sind begrenzt, daher begrüßt die München Klinik den ausgerufenen Katastrophenfall vor dem Hintergrund der besseren Verteilmöglichkeit der Covid-Patienten ausdrücklich.

„Während in der ersten Welle durch den Lockdown mehr qualifizierte freiwillige Helfer zur Verfügung standen, zerreißen sich unsere Mitarbeiter aktuell zwischen Covid-Intensivstation, der 100jährigen Covid-Patientin mit Demenz und dem Herzinfarkt im Notfallzentrum. Durch den am Wochenende ausgerufenen Katastrophenfall in Bayern ist es jetzt endlich möglich, dass neben den Notfallversorgern und einigen wenigen Häusern nun grundsätzlich alle verfügbaren Klinken zur Unterstützung verpflichtet werden können. Die Lage ist ernst und deshalb ist es wichtig, dass die Last in der Versorgung auf noch mehr Schultern – also mehr Krankenhäuser verteilt wird – und auch diese verschiebbare Operationen zurück fahren und Covid-Patienten auf Normal- und auch auf Intensivstation behandeln. Fest steht, in der aktuellen Ausnahmesituation einer Pandemie mit hohen Patientenzahlen, brauchen die lokalen Gesundheitssysteme vielerorts die Unterstützung von allen und nicht nur von ausgewählten Kliniken. Durch den Katastrophenfall ist diese wichtige Steuerungsmöglichkeit – wie auch in der ersten Welle im Frühjahr – nun glücklicherweise wieder geschaffen worden.“, erklärt Dr. Axel Fischer, Vorsitzender der Geschäftsführung der München Klinik.

Die München Klinik behandelt aktuell knapp 170 Patienten mit Covid-19 – davon 30 auf Intensivstation – und damit insgesamt genauso viele Patienten wie in der Hochphase der ersten Welle. Zwar wird aktuell noch der größere Anteil dieser Patienten auf Normalstationen behandelt, aber auch dafür benötigt es die personellen Kapazitäten, die dann an anderer Stelle fehlen.

Die München Klinik versorgt bereits seit Januar Covid-19-Patienten – hier wurde am 27. Januar der erste Covid-19-Patient der Firma Webasto am Standort Schwabing eingeliefert und vom Team der Infektiologie rund um Chefarzt Prof. Clemens Wendtner versorgt. Eine Pause gab es für das ärztliche, pflegerische und therapeutische Klinikpersonal der München Klinik im Rahmen der Pandemieversorgung an allen Standorten seitdem nicht.

Am Standort Schwabing wurden ohne Pause zwischen den Wellen auch im Sommer durchgehend Covid-19Patienten auf Normalstationen und der Intensivstation versorgt. An allen Standorten mussten die in der ersten Welle verschobenen Eingriffe, Operationen und Therapien Stück für Stück nachgeholt werden. Die München Klinik zieht eine Zwischenbilanz nach 10 Monaten Covid-19-Versorgung:

Über 1.300 Covid-Patienten in 10 Monaten

In der München Klinik wurden bis heute über 1.300 Covid-19-Patienten versorgt (zusätzlich weitere knapp 3.000 Verdachtsfälle) – davon mit rund 600 Patienten die meisten am Standort Schwabing. Hier wurde das Haus 3 mit Normal- und Intensivbereichen eigens zur optimalen Covid-19-Versorgung aus- und umgebaut – an allen Standorten wurden eigene Bereiche zur Covid-Versorgung geschaffen und Behandlungspfade strikt getrennt.

In Harlaching wurden rund 370 Covid-Patienten versorgt, in Bogenhausen rund 230 Covid-Patienten und in Neuperlach rund 160 Covid-Patienten. „1.300 Covid-19-Patienten in 10 Monaten – das ist eine beeindruckende Zahl und lässt gleichzeitig nur erahnen, was unsere Kolleginnen und Kollegen seit Januar tagtäglich leisten. 10 Monate Covid-19-Versorgung bedeutet für das Krankenhauspersonal seit 10 Monaten eine Doppelbelastung. Denn parallel zu Covid-19 kommen seit 10 Monaten weiterhin Babys auf die Welt, Schlaganfälle werden versorgt, Krebspatienten therapiert. Mit Blick auf die Medienberichterstattung scheint Covid-19 andere Erkrankungen verdrängt zu haben – das ist mit Blick ins Krankenhaus nicht so. Wir versorgen alle, die dringend unsere Hilfe benötigen. Das ist unsere Aufgabe als größtes Haus in München und die stemmen wir gemeinsam mit anderen Kliniken. Es macht mich stolz, was wir seit 10 Monaten für München und die Münchner leisten – und stimmt mich mit Blick in die Zukunft auch mit großer Sorge. Eine solche Doppelbelastung lässt sich nicht für immer aushalten. Unsere Mitarbeitenden wünschen sich, wie wir alle, einen schnellen Rückgang zur Normalität. Ich wünsche mir für unsere Kolleginnen und Kollegen, dass das Infektionsgeschehen bald eingedämmt werden kann und die Maßnahmen und AHA-Regeln weiterhin eingehalten werden und greifen“, so Dr. Fischer.

Rund 270 der insgesamt in der München Klinik versorgten Covid-19-Patienten mussten auf der Intensivstation behandelt werden – damit wurden über 1.000 Patienten auf Normalstationen (sogenannten Pandemiestationen) versorgt. Das entspricht einem Anteil an Intensivpatienten in der München Klinik von 17 Prozent – das heißt, dass in der München Klinik im Schnitt jeder fünfte Patient auf der Intensivstation behandelt wurde. Mit rund 110 Patienten wurden die meisten Covid-Intensivpatienten in Schwabing betreut. Die Sterblichkeit der behandelten Covid-19-Patienten liegt in der München Klinik insgesamt bei 9 Prozent. Das liegt unter der ermittelten deutschlandweiten Sterblichkeit einer Publikation in Lancet Respiratory Medicine, wonach in Deutschland im Frühjahr jeder fünfte stationär behandelte Covid-19-Patient verstorben ist. Von den Intensivpatienten schafften es in der München Klinik 28 Prozent nicht. Das liegt im bundesweiten Durchschnitt, wonach jeder vierte CovidIntensivpatient verstirbt.

Die meisten Fälle im Alter zwischen 45 und 64 Jahren

In der München Klinik wurden mehr Männer (rund 800) als Frauen (rund 600) mit Covid-19 versorgt. Die meisten Patienten sind im Alter zwischen 45 und 64 Jahren. Rund 460 Covid-19-Patienten können in der München Klinik dieser Altersgruppe zugeordnet werden, die gemäß ihrem Alter nicht der Risikogruppe für schwere Covid-19Verläufe entsprechen.

Erst die zweitgrößte Patientengruppe bilden die 75 bis 84-Jährigen, und damit nach ihrer Altersstruktur die Risikopatienten, mit rund 370 Patienten. Auch jüngere Menschen wurden in der München Klinik versorgt: Im Alter zwischen 15 und 44 Jahren wurden ebenfalls über 250 Covid-19-Patienten in der München Klinik versorgt und rund 50 Kinder im Alter bis 14 Jahren. „Wir sehen im Krankenhaus Covid-19Patienten jeden Alters – wobei die Patienten heute im Schnitt jünger sind, als noch im Frühjahr. Denn auch bei jüngeren Menschen können Vorerkrankungen vorliegen und einen schweren Verlauf begünstigen – gleichzeitig scheinen sich ältere Menschen gut zu schützen. Wir als Gesellschaft sollten sie dabei weiterhin bestmöglich unterstützen, die Kontakte reduzieren und die AHA-Regeln weiterhin einhalten. Das macht sicherlich keinen Spaß, aber rettet Menschenleben“, sagt Prof. Clemens Wendtner, Chefarzt der Klinik für Infektiologie in der München Klinik Schwabing.

Fast alle Patienten der München Klinik kommen aus München oder dem Landkreis München.

Schwere Fälle dauern mehrere Monate

Im Schnitt bleibt ein Covid-19-Patient 10 Tage zur stationären Behandlung in der München Klinik. Die Verweildauer auf der Intensivstation beträgt im Schnitt 15,5 Tage, wobei schwerstkrankte Menschen mehrere Wochen bis Monate in der Klinik versorgt werden müssen.

Zum Vergleich: Die durchschnittliche Verweildauer auf der Intensivstation für Non-Covid-Patienten beträgt in der München Klinik 4 Tage – das zeigt, wie aufwändig die intensivmedizinische Versorgung von Covid-19-Patienten im Vergleich zu anderen Krankheitsbildern ist. Schwerste Fälle wurden bis zu 60 Tage oder länger in der München Klinik versorgt.

Die Pflegekräfte der München Klinik haben allein in der ersten Covid-Welle im Frühjahr über 26.000 Mehrarbeitsstunden im Vergleich zum Vorjahr angesammelt.

Rund 380 Stunden muss ein beatmeter Covid-19-Intensivpatient in der München Klinik durchschnittlich beatmet werden – durch High-flow-Therapien kommt die Beatmung heute seltener zum Einsatz als in der Anfangszeit der Pandemie.

Von 270 Intensivpatienten wurden 170 Patienten beatmet – mit einer Beatmungszeit von insgesamt über 50.000 Stunden. Damit hat sich die Beatmungszeit für alle Intensivpatienten (Covid und Non-Covid) in der München Klinik im Vergleich zum Vorjahr insgesamt um 15.000 Stunden auf 268.000 Beatmungsstunden erhöht. Jeder vierte Intensivpatient braucht außerdem eine Dialyse – denn Covid-19 greift mehrere Organe an, darunter auch die Nieren.

Die Versorgung erfordert aufwändige Maßnahmen im Bereich Mitarbeiter- und Patientenschutz: Rund 2,2 Millionen reguläre Mund-Nasen-Schutze und über 430.000 FFP3- und FFP2-Masken wurden in der München Klinik seit Beginn der Pandemie bis heute verbraucht, die Kosten allein hierfür belaufen sich auf rund 3 Millionen Euro – hinzu kommen Schutzkittel, Schutzbrillen und Handschuhe. Außerdem hat die München Klinik die eigenen Testkapazitäten nach und nach ausgebaut.

Insgesamt wurden an der München Klinik bis heute über 147.000 PCR-Testungen von Mitarbeitenden und Patienten durchgeführt. Aktuell werden täglich bis zu 1.600 PCR-Tests für Patienten und für die engmaschige Mitarbeitertestung durchgeführt. Jüngst wurden zusätzlich Antigen-Schnelltests von bis zu 8.000 Stück pro Woche eingeführt. Diese Zahl soll sich bis Januar durch den Aufbau zusätzlicher Laborkapazitäten deutlich erhöhen.

Bis zu 100 Fachkräfte versorgen einen Schwerkranken

Auf der Schwabinger Intensivstation sind zur Versorgung von 8 Covid-Intensivpatienten pro Schicht 6 Pflegekräfte und 2-3 Ärzte und Ärztinnen im Einsatz – das bedeutet, dass pro Tag ein Team von rund 30 Menschen diese 8 Intensivpatienten versorgt.

Die Versorgung von Covid-19-Patienten ist höchst aufwändig – beispielsweise das regelmäßige Umlagern vom Rücken auf den Bauch, damit die Lunge besser belüftet wird. Schwerkranke Patienten sind an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen, sie werden über eine Trachealkanüle beatmet, über eine Magensonde ernährt und in den Venen sind mehrere Infusionskatheter. Alle Kabel und Schläuche müssen bei der Lagerung bleiben, wo sie sind – dazu werden mindestens 5 Intensivfachkräfte benötigt, einer am Kopf und jeweils zwei an den Seiten. Das Umlagerungsmanöver dauert rund 45 Minuten. Um Eingriffe vornehmen zu können werden schwerkranke Patienten einmal pro Tag vom Bauch auf den Rücken und im Anschluss an den Eingriff wieder zurückgedreht.

Zusätzlich werden die Covid-19Patienten sowohl auf den Intensiv- als auch auf den Normalstationen therapeutisch betreut. Auf der Intensivstation findet während der Beatmung eine passive Atemtherapie statt, Physio- und Ergotherapeuten bewegen zusätzlich die Gelenke der Patienten und unterstützen mit speziellen Lagerungen und Atemreizen die Atmung und Köperwahrnehmung. So werden schwerstkranke Patienten, die mehrere Wochen im Krankenhaus versorgt werden, im Schnitt von rund 100 Mitarbeitenden verschiedener Berufsgruppen versorgt. In der Hochphase im Frühjahr hat die München Klinik rund 200 Covid-Patienten gleichzeitig versorgt, davon 70 Patienten auf der Intensivstation.

Artikel vom 16.12.2020
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