Die Lizenzen laufen aus

Erding/Landkreis · Der Wett- und Glücksspielbranche droht ein Erdbeben

Kleine Einheiten wie diese bleiben nach aktuellem Informationsstand verschont: Diese Spielhalle hier hat nur zwölf Geräte aufgestellt. Foto: kw

Kleine Einheiten wie diese bleiben nach aktuellem Informationsstand verschont: Diese Spielhalle hier hat nur zwölf Geräte aufgestellt. Foto: kw

Erding/Landkreis · Der Wett- und Glücksspielbranche im Kreis Erding droht ein Erdbeben: Allein vier Wettbüros gibt es in der Herzogstadt, eine weitere in Dorfen, wie Recherchen des Sempt-Kurier ergaben. Sie alle profitieren erst einmal von einer krachenden Prozessniederlage: Der Hessische Verwaltungsgerichtshof hat die zunächst angedachte bundesweite Begrenzung auf 20 Wettanbieter verworfen.

„Tipwin“, „Bett3000“ und wie sie alle heißen buhlen um die Gunst der Kundschaft, die hier ihr Glück versuchen oder, was viel wahrscheinlicher ist, ihr Geld verlieren soll. Dass das Wohltätigkeitsveranstaltungen sind wird wohl niemand im Ernst annehmen. Damit ist man aber auch schon bei jenen hochaktiven Nichtregierungsorganisationen, die sich mit dem Thema „Spielsucht“ befassen, und die eine intensive Lobbyarbeit betreiben, verbunden mit einer nicht weniger intensiven Öffentlichkeitsarbeit. Dass die ganze Branche trotz energischer Bemühungen das Schmuddel-Image nicht los wird gehört nahtlos hierher.

Die Zeiten, in denen Spielotheken dunkle Spelunken waren, in denen sich allerlei Volk herumtreibt, das das Tageslicht zu scheuen scheint, mit lustlosen „geringfügig beschäftigten“ Aufsichtskräften an der Theke sind vorbei. Das Personal heute ist konsequent geschult, muss zwingend alle zwei Jahre beispielsweise eine Nachschulung zum Thema „Spielsuchtprävention“ mitmachen.

Der Bayerische Automatenverband hat allerdings Nachschulungsbedarf, was den Gang in die Öffentlichkeit angeht. Dass die Mitarbeiter sogar eine Erste-Hilfe-Schulung haben erfuhr die Redaktion erst in den Spielhallen, nicht aber dort. Fit ist der Verband, was die anstehenden Veränderungen angeht, und die sind drastisch: „Es wird eine Reduzierung geben“, so der Verbandsjurist Christian Segedi, der sich (noch) vorsichtig ausdrückte.

Zum Hintergrund: Der Glücksspielstaatsvertrag läuft Mitte des kommenden Jahres aus. Die Lizenzen für die genannten Wettbüros laufen dann erst einmal aus, denn sie basieren auf einer „Experimentierklausel“. Ob sie dann wieder zugelassen werden ist offen, niemand wagt eine Prognose, Anfragen der Redaktion blieben schlicht unbeantwortet. Was allerdings zu beobachten ist, ist jetzt schon ein Rückzug mancher Akteure.

Der Redaktion liegen Berichte eines Unternehmers vor, der allerdings nicht namentlich genannt werden will: „Das ist kein Geschäft mehr. Ich habe alles verkauft.“ Den Bauausschüssen landauf landab kann es nur Recht sein, denn diese haben regelmäßig massives Bauchgrimmen, wenn entsprechende Nutzungsänderungsanträge auf den Tisch kommen.

Deutlicher dagegen ist, was den Spielhallen droht. Zwölf Geräte maximal pro Spielhalle, pro zwölf Quadratmeter Hauptnutzfläche ein Gerät, das ist schon lange so, und so sind die großen Spielhallen aufgebaut: Vier einzelne Spielhallen können sich da um einen Thekenbereich für die Aufsicht, eine bescheidene Gastronomie, gruppieren. Macht 48 Geräte unter einem Dach, wobei der Wechsel von Spielhalle zu Spielhalle über die jeweilige Haustür erfolgen muss.

„Das wird mit Sicherheit aufhören“, orakelt Segedi, der auch noch nicht genau weiß, was herauskommen wird bei der Neuverhandlung der Bundesländer. Aber die Unternehmer haben schon reagiert: Einige Spielhallen reduzieren die Nutzfläche um 50, andere um 25 Prozent. Der Redaktion liegen aus einem Nachbarkreis schon entsprechende Baugesuche vor, und das wird ganz sicher auf Erding noch zukommen.

Und nicht nur das: „Sicher ist schon, dass die Einzelbespielung kommen wird“, so der Verbandsjurist weiter. Das bedeutet: Ein Gast kann nur an einem Gerät spielen, das dafür von der Aufsicht frei geschaltet werden muss. Das soll der Spielsucht entgegenwirken, zwingt die Spielstättenbetreiber aber zu Investitionen im fünfstelligen Bereich. Die ersten Geräte sind bereits jetzt schon entsprechend ausgestattet. kw

Artikel vom 25.09.2020
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