Verhängnisvolle Begegnung im Schlosspark

"Mördermuschel" in Nymphenburg

Abstand halten kann Leben retten. Der Grasfrosch und die Teichmuschel sind sich auf tragische Weise zu nahe gekommen. Foto: Kathrin Glaw

Abstand halten kann Leben retten. Der Grasfrosch und die Teichmuschel sind sich auf tragische Weise zu nahe gekommen. Foto: Kathrin Glaw

Nymphenburg · Die Leichen wurden von zwei Mitarbeitern der Staatlichen Naturwissenschaftlichen Sammlungen Bayerns entdeckt. Zunächst sahen sie nur die Beine eines toten Frosches im Wasser. Erst bei genauerem Hinschauen erkannten die Biologen, dass Kopf und Vorderkörper des halbwüchsigen Grasfrosches in einer fest verschlossenen Teichmuschel steckten. Was war da passiert?

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"Ich denke, dass nur eine außergewöhnliche Verkettung unglücklicher Umstände zu diesem Ereignis geführt haben kann" meint Frank Glaw von der Zoologischen Staatssammlung (ZSM) in München. Vermutlich war der Frosch aus Versehen in die Höhlung der Teichmuschel geschwommen. Die Muschel fühlte sich durch den Eindringling bedroht, begann sich zu schließen und klemmte den unglücklichen Lurch fest zwischen ihren Schalenhälften ein.

„Ein seltener Fund!“

Die unter Naturschutz stehenden Teichmuscheln der Gattung Anodonta fristen als harmlose Filtrierer am Gewässergrund ihr friedliches Dasein. Ihre Bewegungsmöglichkeiten beschränken sich im Wesentlichen darauf, ihren muskulösen Fuß auf dem Boden vorzustrecken und den Körper nachzuziehen sowie auf das Öffnen und Schließen ihrer Schalen mit kräftigen Schließmuskeln. So kam es, dass der Frosch von den Schalenrändern fast entzwei geschnitten wurde.

Warum die unfreiwillige „Mörder-Muschel“ den schließlich in Verwesung übergehenden "Fang" nicht wieder freigab, bleibt unklar. Der Frosch ist ihr jedenfalls nicht gut bekommen, denn auch die Muschel war zum Fundzeitpunkt offenbar bereits tot.

„Ein seltener Fund!“ bestätigt auch der Weichtierexperte Michael Schrödl von der ZSM. Sowohl Amphibien als auch Süßwassermuscheln gehören zu den heimischen Tiergruppen, die am stärksten im Bestand zurückgehen. Dass sich ihre Vertreter unfreiwillig gegenseitig dezimieren dürfte die absolute Ausnahme sein. Viel schwerer wiegen menschgemachte Verluste von Lebensräumen und die Verschmutzung von Gewässern.

Dieser Vorfall erinnert stark an Mythen über die Riesenmuschel (Tridacna gigas), die in den Korallenriffen des indopazifischen Raums verbreitet ist. Mit einer Länge von bis zu 140 cm und einer Masse von maximal 400 kg ist sie die größte heute lebende Muschelart der Welt. Auch sie filtriert Plankton aus dem Wasser und beherbergt außerdem photosynthetisch aktive Einzeller, die zur Energieversorgung der Muschel beitragen.

Tief in das Korallenbett eingesenkt, kann auch diese Muschel bei Berührung oder Störung ihre riesigen Schalenhälften schließen, um sich zu schützen. Dabei sollen schon Arme oder Beine unvorsichtiger Taucher und Perlensucher eingeklemmt worden sein, so dass diese sich nicht mehr befreien konnten und ertranken.

Derartige Geschichten haben der Riesenmuschel den ungerechtfertigten Namen Mördermuschel eingebracht. Tatsächlich handelte es sich bei den wenigen glaubwürdigen und gut dokumentierten Vorfällen dieser Art ebenfalls durchweg um tragische Unfälle und keineswegs um eine böse Absicht der Muschel. Menschen hingegen verarbeiten Riesenmuscheln zu begehrten Delikatessen, so dass diese mittlerweile vom Aussterben bedroht sind.

Artikel vom 01.05.2020
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