Lungenflügel als Kunst

Giesinger Pfarrei Heilig Kreuz feiert neue Kirchenfenster

Auf Basis von mehr als 1.000 Röntgenaufnahmen hat der Künstler Christoph Brech fünf Chor- und zwei Oratorienfenster für die Heilig-Kreuz-Kirche geschaffen. Foto: Wolfgang Pulfer

Auf Basis von mehr als 1.000 Röntgenaufnahmen hat der Künstler Christoph Brech fünf Chor- und zwei Oratorienfenster für die Heilig-Kreuz-Kirche geschaffen. Foto: Wolfgang Pulfer

Giesing · Ein Wahrzeichen Giesings ist vor kurzem aufgehübscht worden - und gemeint ist nicht das Grünwalder Stadion: Auf Basis von weit über 1.000 Röntgen-Thoraxaufnahmen hat der Künstler Christoph Brech fünf Chor- und zwei Oratorienfenster für die Heilig-Kreuz-Kirche am Giesinger Berg geschaffen.

Gemeindemitglieder stifteten Röntgenbilder

Brech hat die Fenster mit hunderten Paaren von Lungenflügeln gestaltet. Keines gleicht dem anderen. Bemerkenswert: Viele Gemeindemitglieder hatten dafür eigene Röntgenaufnahmen gestiftet. Die Lungenflügel korrespondieren mit den Engelsflügeln im Hochaltar. Die mit blauer Farbe auf hellblau gefärbtes Glas gedruckten und gebrannten Thoraxaufnahmen wirken schwebend, leicht und durchlässig.

„Der Mensch beginnt sein Leben mit dem ersten Atemzug und beendet es mit dem letzten“, erläutert Brech sein künstlerisches Konzept. „Gott haucht ihm den Atem ein – und alles, was Odem hat, lobe den Herrn.“ Doch auch das Kreuzmotiv ist vertreten: „Ebenso kann man im Anblick der Fenster sagen, jeder nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach – das Schlüsselbein bildet mit dem Rückgrat das Kreuz.“

Norbert Jocher, Leiter der Hauptabteilung Kunst im Erzbischöflichen Ordinariat München, sieht in Brechs Kunst „Metaphern des Lebens überhaupt, eines Lebens, das mit dem irdischen Tod nicht endet, wie auch die Verbindung zum Hochaltar mit der Kreuzigungsgruppe in der Mitte sichtbar macht“. In den transparent schimmernden Fenstern „mit ihrer im Ganzen fast heiteren Ornamentalität wird das erlöste Leben gefeiert, das uns Menschen in der Erlösungstat Christi hoffend verheißen ist“. Formale Bezüge – wie zum Beispiel der zum markant formal ausgeprägten Brustkorb Christi am Hochaltar – „verstärken und verdichten die verschränkenden Bezüge“, sagt Jocher.

Der Pfarrer von Heilig Kreuz, Monsignore Engelbert Dirnberger, verweist auf einen weiteren, geschichtlichen Zusammenhang: „Wilhelm Conrad Röntgen entdeckte die nach ihm benannten Strahlen 1895, neun Jahre nach der Weihe der Heilig-Kreuz-Kirche, womit auch historisch gesehen diese Motivquellen perfekt zur Kirche passen.“

Beinahe die komplette hochwertige, vor allem handwerklich anspruchsvolle künstlerische Ausstattung aus der Erbauungszeit der Kirche habe den Zweiten Weltkrieg überdauert, erklärt Norbert Jocher: "Lediglich die umfassende originale Farbverglasung, deren Ausführung sich bis in die 1930er Jahre hinzog, wurde zerstört." In der Nachkriegszeit wurde eine einschneidende Purifizierung der Kirche vorbereitet, allerdings nur in Teilbereichen ausgeführt.

Bei der jüngsten Gesamtsanierung des Innenraumes wurde daher die größtmögliche Annäherung an die bauzeitliche Erscheinung angestrebt. Die fehlenden Fenster und damit das für den Baukörper notwendige farbige Licht allerdings blieben verloren. Man entschloss sich deshalb 2014, kurz vor Vollendung der Innenrestaurierung, zu einem künstlerischen Wettbewerb für eine neue Farbverglasung, die thematisch, wie die zerstörte, das Kreuzesthema aufnehmen sollten. Keine der eingereichten Arbeiten aber überzeugte die Jury.

Nach einer Pause von zwei Jahren begann ein Neuansatz zur Realisierung der Farbverglasung mit dem international renommierten Künstler Christoph Brech. Die Arbeiten sollten sich auf den Chor von Heilig Kreuz beschränken, die lichte Verglasung im Langhaus wird weiterhin bleiben.

Artikel vom 23.10.2019
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