Raus in den Wald

Zwei Brüder berichten über ihr FÖJ im Naturkindergarten Haidhausen

Dreimal die Woche fahren die Kinder des Naturkindergartens Haidhausen mit der Tram in den Perlacher Forst. Sonst sind sie in den Maximiliansanlagen unterwegs. Foto: privat

Dreimal die Woche fahren die Kinder des Naturkindergartens Haidhausen mit der Tram in den Perlacher Forst. Sonst sind sie in den Maximiliansanlagen unterwegs. Foto: privat

Haidhausen · Paul streift durch die Wälder von Britisch-Kolumbien in Kanada. Er ist umgeben von Ahorn, Hemlocktannen, Riesenlebensbäumen und Küstendouglasien. Er liebt die Ruhe und die Kraft, die von diesen Bäumen ausgeht.

„In Kanada habe ich gelernt, was Wälder sind!“, grinst Paul. Obwohl er schon immer gerne draußen in der Natur unterwegs war, hat es eine Gruppe von 16 Kindern gebraucht, um ihn hierhin zu bringen, in die unendlichen Wälder Kanadas. Paul ist gebürtiger Haidhausener. Nach seinem Abitur am Asam-Gymnasium in Giesing bewirbt er sich beim BDKJ für ein freiwilliges ökologisches Jahr, kurz FÖJ, im Naturkindergarten Haidhausen. Er hat Glück und bekommt den Platz in seiner Wunscheinrichtung. Zusammen mit zwei weiteren Betreuern und 16 Kindern fährt Paul ein Jahr lang dreimal die Woche vom Johannisplatz aus mit der Trambahnlinie 15 in den Perlacher Forst. Hier bekommen die Kinder einen ganz anderen Spiel- und Erlebnisraum als in den Maximiliansanlagen, wo sie den Rest der Woche unterwegs sind.

Vom freiwilligen sozialen Jahr hatte Paul schon während seiner Schulzeit viel gehört. Das ökologische Gegenstück dazu fand der 24-jährige Student der Forstwissenschaften nach eigenen Recherchen - und war sofort angetan. Raus, weg von Tisch, Büchern, Stift und Papier. „Als ich auf das freiwillige ökologische Jahr gestoßen bin, war ich mir sicher, dass das genau mein Ding ist. Da ich bereits eine Jugendgruppe bei den Pfadfindern leitete und im pädagogischen Bereich gerne etwas fitter werden wollte, habe ich mich für den Naturkindergarten entschieden“, sagt Paul. „Es war ein großartiges und lehrreiches Jahr und leider viel zu schnell vorbei. Ich durfte nochmal ein Jahr Kindheit erleben und dieses Mal konnte ich am schnellsten von allen rennen“, lacht er. „Am meisten Spaß haben mir die Spaziergänge im Wald gemacht. Es war jedes Mal auf's Neue ein Abenteuer.“

Die pädagogische Arbeit hat Paul nicht nur gut gefallen, sondern auch sein Selbstbewusstsein gestärkt. Zu merken, dass man echt gefordert und eingebunden wird. Dass die Kinder schnell Vertrauen fassen und die Eltern sich mit Fragen auch an ihn wenden. Dass er im Team so herzlich aufgenommen und als gleichwertiges Mitglied behandelt wurde. „Es war schön zu sehen, wie einfach es ist, jemand anderem eine Freude zu machen: den Kindern mit simplen Spielen oder Anregungen, dem Team mit ein bisschen Mitdenken bei der täglichen Arbeit und Interesse an der Planung für das Besondere und den Eltern, wenn man total verdreckt aus der Trambahn steigt und die Kinder mit einem dicken Grinsen erzählen, wieviel Spaß sie heute hatten.“

Ein Jahr, das man so schnell nicht vergisst

Dass Pauls zwei Jahre jüngerer Bruder Jan im selben Kindergarten ein FÖJ gemacht hat, ist kein Zufall. „Ich wusste nach dem Abi nicht so recht, was ich studieren soll. Meine Vorstellungen schwankten zwischen Psychologie, Kommunikationswissenschaften und sogar Jura", erzählt Jan. "Häufig kam eine neue Idee dazu, doch wirklich überzeugt war ich von keiner. Viele meiner Freunde sind nach dem Abi erstmal gereist, das wollte ich aber nicht. Ich brauchte Zeit, um mich zu orientieren. Paul hat immer von seinen Erlebnissen mit den Kindern berichtet. Davon, wie gut es ihm gefällt und wie viel Vertrauen ihm entgegengebracht wird. Da dachte ich, warum eigentlich nicht und habe mich auch für das FÖJ beworben.“

Das FÖJ hat den Brüdern, die beide am Asam-Gymnasium ihr Abitur gemacht haben, maßgeblich bei der Entscheidung für ihre weitere Lebensplanung geholfen. Jan studiert jetzt Grundschullehramt in München. Auch Paul hat das Jahr bei seiner Studienwahl geholfen. „Die Kinder haben ständig Fragen zu den Bäumen und Pflanzen gehabt. Es hat mich gewurmt, dass ich nur einen Bruchteil davon beantworten konnte. Auch Zuhause haben mich ihre Fragen nicht losgelassen. Nach dem FÖJ war ich ein Jahr in Kanada. Als ich die Wälder dort gesehen habe, wusste ich, dass ich Forstwissenschaften studieren möchte“, meint Paul. „Wenn ich jetzt ab und zu als Aushilfe in den Kindergarten komme, kann ich fast alle Fragen beantworten“, freut er sich. Da er sich derzeit für ein weiteres Jahr in Kanada aufhält, kommt das leider nicht allzu oft vor. Dafür springt Jan in den Semesterferien öfter mal ein. „Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen. Alle freuen sich und man ist sofort wieder mit jedem vertraut, selbst mit den neuen Kindern“, meint Jan.

Praktische Arbeit und Seminarwochen

Zum FÖJ gehören neben der Arbeit in der Einsatzstelle auch fünf über das Jahr verteilte Seminarwochen, die vom Träger organisiert werden. Beim Naturkindergarten Haidhausen ist dies der BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend). Ähnlich wie bei einer Projektwoche beschäftigt man sich intensiv mit jeweils einem Thema aus den Bereichen Umwelt- und Naturschutz sowie Ökologie. Die Seminarwochen haben zum Ziel, den Horizont über die tägliche Arbeit hinaus zu erweitern und geben den Teilnehmern die Gelegenheit, sich mit Gleichaltrigen, die ebenfalls ein FÖJ absolvieren, Erfahrungen auszutauschen und ihre Erlebnisse zu teilen. Wer sich für ein FÖJ in Bayern interessiert, kann sich unter www.foej-bayern.de umfassend informieren. Juliane Batliner

Artikel vom 07.08.2019
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