Mieter weigern sich Abbruch-Haus zu verlassen

Spiel mit der Zeit

Das Haus an der Winzererstr. 25 - halb verfallen, aber von seinen Bewohnern heiß geliebt.	Foto: rme

Das Haus an der Winzererstr. 25 - halb verfallen, aber von seinen Bewohnern heiß geliebt. Foto: rme

Schwabing · Das Haus an der Winzererstraße 25 ist wahrlich kein Schmuckstück: ein grauer, heruntergekommener Altbau mit Wohnungen, die diesen Namen eigentlich gar nicht verdienen.

Es sind sogenannte »Burschenkammern«, die ursprünglich für die Pferdeknechte der Königlich Bayerischen Reitergarde eingerichtet worden waren: enge, baufällige Verschläge mit Toiletten auf dem Gang.

Trotzdem fühlen sich die Bewohner des Hauses hier so wohl, dass sie das Anwesen um keinen Preis der Welt verlassen möchten. »Ich lebe seit über 40 Jahren hier und werde auch hier bleiben, bis sie mich auf der Bahre hinaustragen«, erklärt eine 82jährige Mieterin. Zusammen mit 12 weiteren Anwohnern trotzt sie seit Jahren den Abrissplänen der Stadibau-Gesellschaft. Die will auf dem Areal an der Winzererstraße einen mehrstöckigen Gebäudekomplex mit 60 geförderten 3- bis 4-Zimmer-Wohnungen für Staatsbedienstete errichten.

»Seit 1988 wissen die Mieter, dass das Haus abgerissen werden soll«, erklärt Michael Wehrfitz von der Stadibau. »Seitdem haben wir den Leuten immer wieder Ersatzwohnungen in der näheren Umgebung angeboten.« 12 der ursprünglich 30 Mietparteien weigern sich jedoch standhaft, diese Angebote anzunehmen. Vor dem BA Schwabing-West protestierten sie in der vergangenen Woche erneut gegen den geplanten Neubau. Der BA sieht sich damit vor einer schwierigen Situation: Einerseits begrüßt man die Schaffung von neuem und noch dazu erschwinglichem Wohnraum, andererseits hat man Verständnis für die Lage der alteingesessenen Bewohner.

»Es geht hier um eine in Jahrzehnten gewachsene Gemeinschaft, um eine Art soziales Biotop, das nun auseinandergerissen werden soll«, meint BA-Chef Dr. Walter Klein und verweist auf das Sprichwort »Einen alten Baum verpflanzt man nicht!«

Eine befriedigende Lösung für das Dilemma hat der Bezirksausschuss allerdings ebenso wenig zu bieten wie die Baugesellschaft. Daher schieben beide die Angelegenheit weiter vor sich her. »Die Verträge laufen bis März 2004«, so Michael Wehrfritz. »Vorher wird ohnehin kein Ziegel ver Aber auch danach werden wir ohne Einwilligung der alten Mieter nichts unternehmen«, versichert er. - Schließlich besäßen einige Mieterparteien dafür sogar eine schriftliche Zusage des Bayerischen Finanzministeriums.

Trotzdem ist man bei der Stadibau optimistisch, dass der Neubau 2004 endlich in Angriff genommen werden kann. Denn auch wenn niemand es offen auszusprechen wagt, so hofft man doch, dass sich bis in zwei Jahren einiges »von selbst erledigt haben wird«: Bei den Mietern, die sich dem Umzug besonders hartnäckig widersetzen, handelt es sich nämlich um vier alte Damen über 80. rme

Artikel vom 28.03.2002
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