München liest

München · Jeder kann fünf Minuten aus "verbrannten Büchern" lesen

München · Es war der 10. Mai 1933, ein Frühlingstag in München. Doch über der Stadt zogen in zweifacher Hinsicht dunkle Wolken auf. Die Nazis hatten wenige Monate zuvor die Macht übernommen. Die schrecklichen Folgen dieser Machtübernahme sind bekannt. Außerdem stiegen Rauchwolken auf.

Auf dem Königsplatz brannte ein Feuer, das immer wieder mit Büchern angefacht wurde. Bücher von verfemten Autoren, von Schriftstellern, die nichts ins stramme und engstirnige Weltbild der Nazis passten. Die Münchner Bücherverbrennung ist aus heutiger Sicht ein Fanal gewesen, dem die Freiheit zum Opfer fiel. Weil sich das niemals wiederholen darf, finden alljährlich am 10. Mai auf dem Königsplatz Lesungen aus geretteten Exemplaren der einst verbrannten Bücher statt. Rund 50.000 Menschen beteiligten sich an der Bücherverbrennung im Mai '33. Verbrannt wurden Bücher von Autorinnen und Autoren wie Bertolt Brecht, Elisabeth Castonier, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Irmgar Keun, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Erich Maria Remarque, Anna Seghers, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Arnold Zweig und Stefan Zweig. In München begann der Terror gegen das angeblich "volkszersetzende Schrifttum" mit einer pompösen Auftaktveranstaltung im Lichthof der Münchner Universität. Nach einem nächtlichen Fackelzug durch die Stadt wurde dann auf dem Königsplatz der "Verbrennungsakt" inszeniert. Viele der 1933 verbrannten Bücher und ihre Autoren sind heute weitgehend unbekannt - womit die völkischen Brandstifter zynischerweise in einigen Fällen ihr Ziel erreichen haben.

Viele Autorinnen und Autoren schrieben damals für Frieden, Gerechtigkeit, Freiheitsrechte und Menschenwürde für alle. Gegen Nationalismus, Antisemitismus, Rassenwahn, Militarismus und Rechtsextremismus. Ihr Vermächtnis und diese Texte sind heute so aktuell wie vor 86 Jahren. Wie in den vergangenen Jahren lädt der Aktionskünstler Wolfram P. Kastner unter dem Titel "München liest - aus verbrannten Büchern", ein, am 10. Mai auf dem Königsplatz vorzulesen. Jeder, der selbst vorlesen möchte, kann sich unter Telefon 089/1573219 beim Wolfram P. Kastner melden. Die Vorlesezeit beträgt jeweils fünf Minuten. Gelesen wird aus den "verbrannten Büchern". Dabei kann sich jeder Vorleser sein Buch aus einer Reihe namhafter Autoren selbst aussuchen, von Alfred Adler bis Carl Zuckmayer. Der Aktionskünstler selbst wird am 10. Mai um 10 Uhr im Rasen des Königsplatzes an der Stelle der Bücherverbrennung von 1933 einen Brandfleck herstellen - "damit kein Gras über die Geschichte wächst".

Artikel vom 06.04.2019
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