Gedanken zu Weihnachten von Pfarrerin Sabine Geyer, Markuskirche

Marias Lächeln

Pfarrerin Sabine Geyers neue berufliche Heimat ist seit kurzem die Markuskirche. Foto: M. Leis

Pfarrerin Sabine Geyers neue berufliche Heimat ist seit kurzem die Markuskirche. Foto: M. Leis

Maxvorstadt · Die intensivsten, vielleicht auch schönsten Weihnachtserinnerungen, die wir haben, sind oft die aus unseren Kindertagen. Seit „damals“ tragen wir sie tief in uns und messen unsere späteren Erfahrungen unwillkürlich an der Dichte dieser ersten Weihnachten: so unmittelbar und nah, so voller Neugier und Staunen… ja, an dem „offenen Himmel“ über uns, an den großen Gefühlen.

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Da wieder hin, das noch einmal spüren – diese Sehnsucht begleitet uns oft bis ins Alter, und es ist gut und schmerzlich zugleich, dass da etwas offen bleibt für uns.

Als ich viereinhalb war, durfte ich zum ersten Mal Heiligabend mit dem Kinderchor im Gottesdienst singen. Ich war so aufgeregt! Die letzten Wochen hatten wir Kinder mit großer Ernsthaftigkeit geprobt. „Macht hoch die Tür“ und „Es ist ein Ros entsprungen“ waren meine Lieblingslieder. Sie wollten wir auch singen, immer im Wechsel mit der ganzen Gemeinde.

Und dann kam der 24. Dezember, und am frühen Nachmittag trafen wir uns zum Einsingen im Gemeindehaus. Alles klappte gut, die Strophen, die Einsätze, und voller Vorfreude zogen wir unsere Mäntel an, um hinüber in die Kirche zu gehen. Wir mussten außen am Turm die Wendeltreppe hochsteigen, um auf die Empore zu gelangen. Und dabei geschah es: weil meine Freundin Katharina und ich gebummelt hatten und gequatscht, hatten wir die anderen auf dem Weg zur Kirche „verloren“.

Sie waren nicht zu sehen, nirgends. Die Menschen strömten in die festlich erleuchtete Kirche, und wir wurden einfach mitgeschoben, durch das Hauptportal hinein in den weihnachtlichen Kirchenraum. Und plötzlich standen wir da, direkt vor dem Altar, zwei kleine Mädchen, Hand in Hand, mit großen glänzenden Augen – der Tannenbaum mit seinem flackernden Kerzenlicht links von uns, die große Krippe aus Holz rechts. Da standen wir, eine gefühlte Ewigkeit lang. Standen und schauten und staunten: den Tannenbaum an mit seinen Strohsternen und roten Kugeln, den Altar mit dem aufgeschlagenen großen Buch, die Krippe mit dem leuchtenden Stern über dem Stall. Schauten und staunten, mit glänzenden Augen und geröteten Wangen – und wohlig warm war mir auch.

Denn Maria hatten ein Lächeln auf den Lippen, als sie sich über das Jesuskind in der Krippe beugte, ich sah es genau. Ich war ja so nah dran! Es gab auch echtes Stroh und winzige Holzscheite am Hirtenfeuer und Wollknäule von den Schafen… aber es war Marias Lächeln, das es mir angetan hatte. Mir wurde so besonders und warm um´s Herz, und ich hatte den Eindruck, dass ich die Erste war, die Marias Lächeln überhaupt sah. Die große Menschenmenge im Kirchenschiff bemerkte ich gar nicht mehr.

Dann begannen die Glocken zu läuten – und rissen mich fast unsanft aus meinem so besonderem Weihnachtserlebnis. Wo waren die anderen? Wir mussten doch nach oben und singen! Suchend sahen wir uns um. Da kam auch schon die Küsterin und führte uns durch den Mittelgang zur Treppe. Wir waren gerade auf der Empore angekommen, als der Chor sich aufstellen musste. Die Orgel stimmte uns ein. Und dann sangen wir auch schon: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit…“. Ich sang aus tiefstem Herzen, so, wie ich noch nie gesungen hatte – und dachte die ganze Zeit an das Lächeln in Marias Gesicht.

Ich wünsche Ihnen frohgemutes Zurückdenken an die Weihnachten, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben sind: fröhliche aus unbeschwerten Kindertagen, harte aus Kriegszeiten, vielleicht auch traurige, wenn Zerbrochenes gerade an diesem Fest nicht zu verbergen war. All diese Erfahrungen gehören ja auch zu Ihrem Weihnachten heute und haben Ihre Beziehung zu diesem Fest mit geprägt. Und ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie offen bleiben: für ganz neue, ebenso dichte, ganz andere Weihnachtserfahrungen! Eine gesegnete Weihnachtszeit für Sie!

Ihre Sabine Geyer

Artikel vom 24.12.2018
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