Vier Kirchen in 85 Jahren

Die bewegte Geschichte der Kreuzkirche in der Hiltenspergerstraße

Die dritte Kreuzkirche stand von 1950 bis 1968 in der Hiltenspergerstr., links daneben die Holzkirche, die seit 1946 als Notkirche diente. Foto re.: Der weithin sichtbare freistehende Glockenturm der Kreuzkirche heute, 1968 erbaut. F: Kreuzkirche

Die dritte Kreuzkirche stand von 1950 bis 1968 in der Hiltenspergerstr., links daneben die Holzkirche, die seit 1946 als Notkirche diente. Foto re.: Der weithin sichtbare freistehende Glockenturm der Kreuzkirche heute, 1968 erbaut. F: Kreuzkirche

Schwabing · Es dürfte wohl wenige Kirchengebäude geben, die sich so oft komplett verändert haben wie die Kreuzkirche in der Hiltenspergerstraße 55. Innerhalb der relativ kurzen Zeit von 85 Jahren erlebte die Gemeinde vier Kirchenbauten.

Vor 50 Jahren wurde die Kreuzkirche, wie sie heute in der Hiltenspergerstraße 55 steht mit ihrer von außen eher dezenten Erscheinung, aber dem weithin sichtbaren, freistehenden Glockenturm, eingeweiht. Das feiert die Gemeinde mit einem Festkonzert am 24. November. Beginn ist um 18 Uhr. Es singen und spielen das Vokalensemble InVocare, der Chor und Kinderchor der Kreuzkirche und Svanpinga Consort auf historischen Instrumenten unter der Leitung von Robert Selinger. Zu hören sind Werke von H. Schütz, J.K. Kerll und anderen. Karten zu 18 Euro sowie 13 Euro (ermäßigt für Schüler und Studenten) sind im Pfarramt der Kreuzkirche erhältlich. Ein Festgottesdienst hatte bereits Ende September stattgefunden, am 29. September 1968 hatte die Gemeinde ihr viertes Gotteshaus bezogen.

"Was der Architekt der Kreuzkirche vor 50 Jahren gestalterisch umgesetzt hat, entspricht auch dem Selbstverständnis der Gemeinde", erzählt Pfarrer Jochen Wilde: "Theodor Steinhauser hat gewohnte Prinzipien des Kirchenbaus quasi umgedreht – äußerliche Gestaltungsmerkmale, wie etwa den roten Sichtziegel, nach innen geholt. Genauso will die Gemeinde eine Begegnungsstätte für die Bewohnerinnen und Bewohner im Stadtviertel, die Menschen einladen und hereinholen. Modern und entschieden will sich die Kreuzkirchengemeinde zeigen, ohne dabei radikal zu sein oder sich dem Zeitgeist anzupassen. Und damit in die Fußstapfen der Gründungsväter und -mütter treten, die den Namen "Kreuzkirche" im Jahr 1933 ganz bewusst als Bekenntnis gegenüber dem braunen Ungeist der damaligen Zeit gewählt haben."

In der Kreuzkirchengemeinde trafen sich viele Anhänger der Bekennenden Kirche in der „Katakombe“ im Keller des Pfarrhauses. Darunter auch Albert Lempp, Kirchenvorsteher in dieser Gründungszeit und einer der mutigsten evangelischen Christen dieser Jahre. Die "Bekennende Kirche"wendete sich gegen Hitler, die Nationalsozialisten und die Judenverfolgung als Abgrenzung gegen nicht wenige Christen, die die damaligen Machthaber und ihre Ideologie unterstützten.

Und so kann heuer auch 85 Jahre Kirchengemeinde gefeiert werden und 88 Jahre Kirchenbau an dieser Stelle. 1930 war eine erste Notkirche entstanden. Diese behelfsmäßige Holzkirche hatte zuvor im Krankenhaus rechts der Isar als Spitalkapelle gedient. Eigentlich gehörten die evangelischen Bürger in diesem Teil Schwabings zu St. Markus in der Maxvorstadt, aber die Gemeinde wurde als zu groß empfunden und so wurde die Kreuzkirchengemeinde "ausgegründet", am 1. April 1933. 1944 wurde die Kirche von Brandbomben zerstört. Die zweite Kreuzkirche kam aus der Schweiz: Der Ökumenische Rat der Kirchen hatte eine ausgediente Militärbaracke ins kriegszerstörte München geschickt. 1946 wurde sie eingeweiht, neben den Trümmern der Turnhalle der ehemaligen evangelischen Hermann-Bezzel-Schule.

Das Fundament dieser Turnhalle wurde dann zum Fundament von einem Bau von Otto Bartning, Kreuzkirche Nummer Drei von 1950 bis 1968, ein Geschenk des Lutherischen Weltbundes. Otto Bartning hatte angesichts der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs ein System aus vorgefertigten Holzträgern entwickelt, das es ermöglichte, mit wenigen Mitteln vor Ort, mit Trümmersteinen und Mithilfe der Gemeinde eine Kirche zu errichten. Diese „Notkirche“ von 1950 wurde dann 1968 zum Gemeindezentrum umgebaut. Der große Gemeindesaal darin wurde am Vorabend seines 125. Geburtstags, am 12. Februar 2009, nach dem Mitbegründer der Gemeinde und Gemeindemitglied Albert Lempp benannt.

Der älteste Bau auf dem Gelände der Gemeinde ist das Haus Hiltenspergerstraße 55, in dem heute außer Wohnungen Pfarramt, Kinderhaus und Jugendkeller untergebracht sind. Es wurde in den 1920er Jahren gebaut.

Eine weitere Besonderheit ist auch die öffentliche Bücherei der Kreuzkirche. Sie steht nicht nur Gemeindemitgliedern zur Verfügung, sondern allen, Groß und Klein, die gerne lesen und Bücher anschauen. Die Ausleihe ist kostenlos. Ein Team aus ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen betreibt die Bücherei, kauft mehrmals im Jahr, vor allem nach den beiden Buchmessen Neuerscheinungen und erwirtschaftet das Geld für die Bücher beim jährlichen Sommerbücherbasar. Öffnungszeiten: Dienstag, 15 bis 17 Uhr, Mittwoch, 10 bis 12 Uhr, Donnerstag, 16.30 bis 18.30 Uhr, und Sonntag, 10.30 bis 12.30 Uhr.

Artikel vom 14.11.2018
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...