Mit den "Waffen" der Kunst

Freimann · Theater und Ausstellung über das Ende des Ersten Weltkriegs

Ihler will Menschen, die vom Krieg geprägt sind, eine Stimme geben. Foto: VA

Ihler will Menschen, die vom Krieg geprägt sind, eine Stimme geben. Foto: VA

Freimann · Freimann hat eine lange Militärgeschichte. Brigitte Fingerle-Trischler, Vorsitzende der Mohr-Villa, erklärt, wie Truppenübungsgelände, Rüstungsbetrieb und Kasernen den Stadtteil geprägt haben. Eine Installation mit Mohnblumen sei daher "hier im Münchner Norden ein denkwürdiges und klares Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden".

Anlässlich des 100. Jahrestag des Endes des Ersten Weltkriegs gastiert zum Bespiel eine Tanz- und Schauspieltruppe aus Zürich in der Freimanner Mohr-Villa. Beim kostenlosen Tanztheater "Wünsch Dir was" erzählen junge Menschen Geschichten vom aktuellen Syrienkrieg, insbesondere vom Schicksal der Kinder, die in dem Kriegsgebiet aufwachsen. Die junge Truppe, bestehend aus Schülern und Studenten, stellen die Geschichten und Wünsche der Opfer des Krieges am Sonntag, 11. November um 14 Uhr im Gewölbesaal dar.

Was sind die Träume der Kriegskinder? Existieren sie noch?

Was bedeutet es, als Kind in einem Land voller Gewalt, Zerstörung und Angst aufzuwachsen? Beim Tanztheater „Wünsch Dir was“ geht Theresa Ihrler zusammen mit ihrem Tanz- und Schauspielensemble dieser Frage auf den Grund. Die Geschichte eines Jungen aus Syrien, der von der Ermordung seiner Familie erzählte, gab Ihrler den Anstoß zu diesem Theaterstück. Zunächst erarbeitete sie sein Schicksal als Solo-Performance, doch bald darauf beschloss Sie, dieses Stück Kriegsgeschichte zusammen mit Kindern und Jugendlichen aufzuführen, und suchte in verschiedenen Schulklassen nach Interessierten. Seit neun Monaten beschäftigen sich Ihrler und ihr Team nun schon mit dem Krieg in Syrien, insbesondere mit dem Schicksal der Kinder. „Es lassen sich klare Parallelen erkennen zwischen der derzeitigen Situation der syrischen Jugend und der Generation, die nach dem Ersten Weltkrieg ohne Perspektiven und Ziele zurückblieb“, erklärt Ihrler. „Mit ‚Wünsch Dir was‘ möchten wir aufmerksam machen, welch tiefe Narben der Krieg bei den Opfern hinterlassen kann. Der Zeitpunkt des 100. Jahrestags des Endes des ersten Weltkriegs ist ideal, um den Menschen, die vom Krieg geprägt sind, eine Stimme zu geben.“

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges blieb eine junge Generation zurück, die aufhörte zu träumen, ihre Kindheit und Jugend war vorbei. Krieg nimmt Träume und spült sie weg. Das war während des ersten Weltkriegs zu spüren und ist derzeit auch in Syrien gegenwärtig. Die Gruppe hinter „Wünsch Dir was“ möchte Geschichten aus Syrien erzählen, aber auch ihre Träume und Wünsche, was sich in der heutigen Welt verändern soll.

Die erst 23-jährige Münchnerin Theresa Ihrler studiert seit 2017 Schauspiel an der Zürcher Hochschule der Künste. Ihre Tanz- und Theatergruppe wuchs im Laufe der Zeit zu einer Truppe verschiedener Nationalitäten und Altersstufen heran. Gemeinsam mit ihrem Team will sie zum Nachdenken anregen und inspirieren, wieder groß zu träumen, um die Welt ein Stück weit zu verändern: „Wir spielen mit der Hoffnung und Sehnsucht einen Unterschied machen zu können, auch wenn er erstmal klein erscheint.“

Gerade Freimann hatte in Weltkriegen eine wichtige Rolle

„Wünsch Dir was“ findet zeitgleich mit dem Auftakt der Kunstaktion „Never again“ zum Gedenken an die Opfer des ersten Weltkriegs statt. Der Münchner Aktionskünstler Walter Kuhn verwandelt vom 11. November bis 3. Dezember den Königsplatz in ein Meer von mehr als 3.000 großen roten Mohnblumen aus Kunstseide zum Gedenken an die Millionen Soldaten und zivilen Opfer aller Kriege, deren internationales - vor allem aber im englischsprachigen Raum verbreitetes - Symbol die Mohnblumen sind.

Auch die Mohr-Villa wird mehrere Dutzend Mohnblumen als Symbol für den Frieden und gegen den Krieg beheimaten. Vor allem der Münchner Norden mit unter anderem Freimann hatte während der beiden Weltkriege eine große Rolle für München. Die Bayerischen Geschützwerke, die Reichsbahn, SS-Kasernen und Soldatenstationierung prägten den Stadtteil. Die Mohnblumen sind daher auch hier im Münchner Norden ein denkwürdiges und klares Zeichen gegen den Krieg und für den Frieden.

Kunst als Impulsgeber

Dr. Julia Schmitt-Thiel, Geschäftsführerin der Mohr-Vill, konstatiert, dass Erinnerungsarbeit dank des Stadtteilarchivs mit zu den wichtigen Themen der Mohr-Villa gehört. "Als Kulturhaus haben wir die Möglichkeit, mit den Mitteln der Kunst gesellschaftliche Themen und Zusammenhänge verständlich und berührend zu vermitteln. Die Mohnblumen etwa sind ein starkes Zeichen und machen neugierig, sich mit dem Thema Krieg und Frieden zu beschäftigen. Kunst kann hier immer wieder Impulsgeber sein, Menschen berühren und auch zu weiterem Handeln anregen. Denn in Frieden zu leben ist nicht selbstverständlich und den Frieden zu bewahren ist Auftrag und Aufgabe - auch mit den Mitteln der Kunst!"

Helena Nitsche vom Mohr-Villa-Team sagt, dass das Projekt "Never Again" und das Tanztheater "Wünsch Dir was" wachrütteln und sowohl an die Vergangenheit erinnern als auch Hoffnung für die Zukunft machen sollen. "Beim Betrachten der Mohnblumenfelder im Mohr-Villa Park können die Menschen Vergangenes reflektieren und sich der Bedeutung des heutigen Friedens in Deutschland und Europa bewusst machen. Denn die Mohnblumen sind ein klares Zeichen für den Frieden.

Schmitt-Thiel fügt dem hinzu: "Walter Kuhn geht mit seiner Aktion bewusst über das Gedenken an gefallene Soldaten hinaus und erinnert auch an die zivilen Opfer aller Kriege bis in die Gegenwart. Der Aktionskünstler verbindet dieses Symbol auch mit der Bitte um Verzeihung und Versöhnung für das, was Deutsche an Leid und Zerstörung in der Vergangenheit zu verantworten haben.

Das Tanztheater 'Wünsch Dir was' möchte aufmerksam machen, welch tiefe Narben der Krieg bei den Opfern hinterlassen kann. Ein Jahrestag wie 100 Jahre Ende des ersten Weltkriegs ruft danach, den Menschen, die von Kriegsleiden geprägt sind, eine Stimme zu geben.

Artikel vom 07.11.2018
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