Der Geduldsfaden reißt

Pflegekräftemangel: Franz X. Ziegler schreibt Brandbrief

Der Vorstand der Elterninitiative Intern3 – Schriftführer Franz X. Ziegler (4. v. li.) hat als empörter und betroffener Bürger einen offenen Brief über den Pflegekräftemangel geschrieben.	Foto: privat

Der Vorstand der Elterninitiative Intern3 – Schriftführer Franz X. Ziegler (4. v. li.) hat als empörter und betroffener Bürger einen offenen Brief über den Pflegekräftemangel geschrieben. Foto: privat

München · Wenn man tagtäglich die Not sieht, sich für eine Verbesserung der Verhältnisse einsetzt und dann erleben muss, dass die Verantwortlichen nichts unternehmen, dann ist das irgendwann nicht mehr zu ertragen.

Genauso ging es jetzt Franz X. Ziegler. Er ist Schriftführer des Vereins Elterninitiative Intern 3 e.V. im Dr. von Haunerschen Kinderspital und er nun hat seiner Wut, seiner Frustration und der Ohnmacht der Elterninitiative gegenüber der Politik in einem offenen Brief Luft gemacht.

Darin kritisiert er den Pflegenotstand an Münchner Kliniken, den die verantwortlichen Politiker sähen, aber nichts dagegen unternehmen. Ziegler zählt die Versuche der Elterninitiative auf, mit denen sie die Politik vor dem drohenden Pflegekollaps gewarnt haben. Dabei ist weniger die Anzahl auffällig, sondern viel mehr der zeitliche Ablauf: »Im Jahre 2005 reichte die Elterninitiative Intern 3 am Haunerschen Kinderspital eine Petition an den Bayerischen Landtag ein. Gründe hierfür waren neben anderen der Mangel an Pflegekräften wegen zu geringer Bezahlung und zu teurer Wohnungen in München. Die Vorsitzende des Ausschusses für Eingaben und Beschwerden Sylvia Stierstorfer (CSU) versprach Abhilfe. Passiert ist nichts!«

2013 habe die Elterninitiative aus gleichen Gründen eine weitere ­Petition eingereicht. Alle Abgeordneten im Ausschuss Gesundheit und Pflege hätten für den Antrag zur Behebung des Pflegekräftemangels gestimmt. Das Ergebnis: »Passiert ist wieder nichts.«

Im Februar dieses Jahres unternahm die Elterninitiative nochmals einen Anlauf gegen den dramatischen Pflegekräftemangel an Münchner Kliniken und reichte erneut eine Petition ein. Wieder habe der Landtagsausschuss einstimmig zugestimmt.

Die Ausschussvorsitzende Kathrin Sonnenholzner (SPD) hatte umgehend einen »Runden Tisch« am Haunerschen Kinderspital organisiert. Dieser fand am 7. Juni mit Professoren des Haunerschen Kinderspitals, der Pflegebereichsleiterin, Vertretern der Stadt München, des Freistaats Bayern, des Wohnungsbauministeriums, der Gewerkschaft Verdi und der Elterninitiative Intern 3 statt. Ergebnisse lägen bislang nicht vor.

Seit gut über zehn Jahren warnt die Elterninitiative den Landtag und die Staatsregierung jetzt vor dem Pflegekräftemangel. Die Situation wird immer prekärer. Leidtragende sind die Patienten. Die Elterninitiative unterstützt an Krebs erkrankte Kinder, die im »Haunerschen« behandelt werden, und deren Familien. Dabei hat der Verein viel Geld gesammelt und investiert Zeit und ehrenamtliche Arbeit aufgebracht, um die immer schwierigere Pflegesituation aufzufangen. Die Verantwortung sehen die Eltern vorrangig in der Politik und weniger in der unmittelbaren Verwaltung der Kliniken.

Um Probleme zu lösen, Therapien zu ermöglichen und die Familien zu unterstützen hat allein die Elterninitiative seit 1985 rund 21 Millionen Euro Spendengelder gesammelt und bewusst für die Betroffenen eingesetzt. Mit dem Geld wurden Wohnungen angemietet, in denen Eltern und Geschwister krebskranker Kinder während deren Behandlung kostenfrei wohnen können. Der Verein hat die erste onkologische Tagesklinik Deutschlands finanziert. Außerdem wurde das Geld teilweise zur Finanzierung von Drittmittelstellen und Fortbildungen von Krankenschwestern und Ärzten verwendet, was im Fall des Haunerschen und auch in anderen Kliniken Aufgabe des Staates wäre.

Die Staatsregierung kümmere sich um andere Dinge, die in manchen Fällen in der Öffentlichkeit nicht zwangsläufig auf Verständnis stießen. »Ohne Vereine wie Intern 3 könnten viele Krankenhäuser die medizinische Grundversorgung nicht gewährleisten. Ein Armutszeugnis in einem reichen Land wie Bayern«, beklagt Ziegler in seinem offenen Brief. »Manchem CSU-Politiker war die brachiale Umstellung des gymnasialen Schulsystems vom G9 auf das G8 wichtiger, als Kinder entsprechend ihrer altersgemäßen Entwicklung lernen zu lassen.«

Das größte Problem sieht der Schriftführer, der diesen Brief eigenen Angaben zufolge in eigener Verantwortung und ohne Abstimmung mit dem weiteren Vorstand des Vereins verfasst hat, im wirtschaftlichen Wettbewerb, dem das Gesundheitssystem inzwischen folgt: »In einer Zeit, in der Krankenhäuser durch das Fallpauschalensystem und die Apparatemedizin der Effizienz- und Profitsteigerung unterworfen sind ist eine ärztliche Versorgung kranker Kinder auf hohem Niveau nicht mehr gewährleistet. Staatliche und städtische Krankenhäuser dürfen keine Unternehmen sein, die hohe Renditen erzielen müssen. Sie müssen dem Wohl der Bürger dienen.«

Alle Appelle haben bisher nicht gefruchtet. Die Politik hat keine Ergebnisse zu einem Problem geliefert, dass nicht erst seit kurzem auf der Agenda steht. Dazu fällt dem Schriftführer, angesichts der bevorstehenden Landtagswahl, ein sehr bezeichnender Bibelvers ein: »An ihren Taten werdet ihr sie erkennen, nicht an ihren Worten.«

Artikel vom 02.10.2018
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...