Revival eines Schlosses

Viel »neues Altes«: zurück in die Glanzzeit Schleißheims

Schlossanlage Schleißheim glänzt wieder im alten Licht: Führungen lassen die barocke Atmosphäre wieder aufleben, bald soll auch das Traditionsbier wiederkommen. 	Fotos: red

Schlossanlage Schleißheim glänzt wieder im alten Licht: Führungen lassen die barocke Atmosphäre wieder aufleben, bald soll auch das Traditionsbier wiederkommen. Fotos: red

Oberschleißheim · Von neuen Toren, geheimen Schlossführungen und der reanimierten Schlossbrauerei: Im Schloss Schleißheim passiert viel. Dass man hier nicht nur gerne als Tourist, sondern auch durch und durch als »stolzer Schleißheimer« vorbeischaut, zeigen die regelmäßigen Führungen: nicht nur die allseits bekanntbeliebten, sondern auch die speziellen wie die »geheime Schlossführung« mit Freiherr Alexander von Wogenrain. In der historischen Schlossanlage gibt es viel zu erleben. Neues Altes gibt es allerdings auch zu bestaunen.

Ohne (neue) Tore keine Besucher

Das Neue Schloss Schleißheim entstand im Auftrag Kurfürst Max Emanuels ab etwa 1701. 1715 wurde der Architekt Joseph Effner mit der Leitung der Planungen für den anspruchsvollen Bau beauftragt, um dem Bau den heutigen barocken Glanz zu verleihen. Mit der Gestaltung der Portaltore wurde der bedeutende Bildhauer Ignaz Günther beauftragt. Die Tore aus Eichenholz wurden 1763 eingebaut. Der Bildhauer gestaltete in den Rundbögen große Wappenfelder (Allianzwappen Bayerns und Sachsens), umrahmt von reichem Figurenschmuck, Fahnen und Dekor. An den zweiflügeligen Türen entstanden prächtige Bildreliefs mit Darstellungen, die Sinnbilder der Architektur und schönen Künste, der Jagd und Gartenkunst zeigen. Nun gibt es neue (alte) Tore: zwischen Hightech und künstlerischer Interpretation. In der Fassade des Neuen Schlosses Schleißheim ist fortan etwas ganz Neues zu sehen. Die aufwendigen Kopien der geschnitzten Portale zählen zu den bedeutendsten Kunstwerken im Besitz der Bayerischen Schlösserverwaltung. Seit ihrer Entstehung vor 250 Jahren haben allerdings Witterungseinflüsse deutliche Spuren an den Toren hinterlassen. Um die Portale vor dem weiteren Verfall zu schützen, wurden die beweglichen Türflügel komplett durch bildhauerische Kopien ersetzt. Moderne Hightech-Verfahren gingen Hand in Hand mit der bildhauerischen Bearbeitung. »Wir haben uns entschieden, die abgeflachten Reliefs und Detailverluste in der Kopie so herauszuarbeiten, dass die ursprüngliche Vielschichtigkeit der Bildhauerarbeit Ignaz Günthers wieder erlebbar wird«, freut sich Bernd Schreiber, Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung. Zunächst wurden die Oberflächen der Türen gescannt. Anschließend erfolgte die Ausarbeitung der Türreliefs in Eiche mithilfe einer digital gesteuerten Fräsmaschine. Der Feinschnitt erfolgte durch die Bildhauer in 4500 Stunden Handarbeit. Die Kosten für Digitalisierung und technischer Umsetzung in Höhe von rund 140.000 Euro wurden aus Bauunterhaltsmitteln bestritten. Die originalen Portale von Ignaz Günther werden in den schützenden Innenraum verlagert und bleiben so auf lange Sicht museal erhalten.

Geheimes hinter Toren

Gehen Besucher durch die erneuerten Tore hindurch, können sie nicht nur die prunkvollen Räume besichtigen, sondern manchmal auch im Rahmen einer Sonderführung Blicke in die wenig bekannten Räumlichkeiten erhaschen. Freiherr Alexander von Wogenrain etwa, seines Zeichens »churfürstlicher Oberhofmeister am Hofe Kurfürst Max-Emanuels«, führt regelmäßig an die geheimen Orte des Schleißheimer Schlosses und öffnet die neuen Türen: auch die, die dem Besucher sonst versperrt bleiben. Einmal das Schloss ganz anders erleben. Das ist möglich bei einer solchen Kostümführung. Es geht in die kurfürstlichen Gemächer, hoch in die Dach-stühle des Schlosses, runter in den unterirdischen Geheimgang, die alte Schlossküche sowie den Schnapslagerkeller und die Teilnehmer bekommen währenddessen Einblicke in das vergangene Leben von Herrschaft und Gesinde vermittelt. Auch das historische Pumpenhaus wird dabei besichtigt. Die Frühjahr- und Sommerführungen sind ein voller Erfolg gewesen. Die nächste Führung ist erst wieder nach dem Sommer geplant. Bis dahin sorgt das Schloss für eine interessante Wiederentdeckung.

106 Jahre waren sie ohne Bier

Nach stolzen 106 Jahren Pause bekommt Schleißheim wieder sein eigenes Bier und es gibt immer mehr Zuspruch für dieses Vorhaben. Gleichsam wie der Schaum zum süffigen bayerischen Bier, so gehörte quasi zur Schleißheimer Schlossanlage über 300 Jahre lang eine Brauerei, die Anfang des 20. Jahrhunderts sogar noch zu den modernsten Brauereibetrieben gehörte. Herzog Wilhelm V. hatte die damalige »Schwaige Schleißheim« erworben, die er mit Urenkel Kurfürst Max-Emanuel schrittweise zur heute noch bestehenden Schlossanlage ausbaute. Nur wenige Jahre nach der Gründung des bekannten Münchner Hofbräuhauses errichtete dieser 1598 das Schleißheimer Brauhaus. Der Betrieb firmierte ab 1840 als »Kgl. Remonte-Depot-Brauerei Schleißheim«. Noch vor den Münchner Brauereien verfügte der Betrieb über die erste dampfbetriebene Kühlmaschine. Ein eigenes Anschlussgleis zum Schleißheimer Bahnhof ermöglichte es, das Bier auch überregional zu vermarkten. Seinerzeit ein schier unschätzbarer Marktvorteil, den damals noch keine andere Brauerei für sich verbuchen konnte. Allerdings endete die Erfolgsgeschichte 1912 mit dem Verkauf an eine Münchner Großbrauerei, die den Betrieb einstellte.

Bieridealisten sagen: »Jetzt oder nie!«

Mit dieser Tatsache wollten sich einige Schleißheimer »Bieridealisten« nicht mehr abfinden, wie sie sagen. »Warum soll es in Zeiten der Rückbesinnung auf traditionelle und regionale Produkte nicht möglich sein, dem Einheitsgeschmack der Großbrauereien Paroli zu bieten und ein traditionelles Bier herzustellen«, fragt sich Alexander Bauer vom neu gewählten Aufsichtsrat. Angestachelt durch den Erfolg zweier vergleichbarer Projekte im Münchner Umland heißt es nun: »Jetzt oder nie!«. Bierrezept sowie ein Geschäftsplan wurden bereits erstellt und ein Braupartner bereits gefunden. Selbsterklärtes Ziel ist es, neben einem handwerklichen Schleißheimer Bier ein bernsteinfarbenes Kellerbier, angelehnt an die alte Originalrezeptur des Braunbieres, herzustellen. Der 1. Bürgermeister Oberschleißheims Christian Kuchlbauer ist auch Aufsichtsratsmitglied und wünscht sich, dass die Oberschleißheimer sich mit dem »neuen alten Bier« identifizieren werden. Mittlerweile hat »Remontebräu« über 120 Genossenschaftsmitglieder, Tendenz steigend. Das erste Bier soll den Schleißheimern demnächst mit einem großen Fest vorgestellt werden. Der erste Sud ist bereits angebraut. Das Bier wird also fließen. »Ohne Erdbeergeschmack und trallala«, versichert ein Brauer. Anstehende Veranstaltungen im und um das Schloss herum sind zum Beispiel eine Kutschen- und Jagdgala am 2. September, das eben genannte Erstausschankfest am 16. September und später im Monat das »Churbayerische Freudenfest«, die Kostümführungen gehen im Herbst weiter. Man darf sich also nicht wundern, warum die Schlossanlage mehr und mehr Touristen und vor allem Einwohner anzieht. Weitere Infos zu den Projekten und Kuriositäten gibt es unter www.schloesser-schleissheim.de und zum Traditionsbier per E-Mail an info@remonte-braeu.de Daniel Mielcarek

Artikel vom 18.07.2018
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