Aus Ringen werden Zonen

MVV-Tarifreform macht vieles leichter und einiges teurer

Die öffentlichen Verkehrsmittel werden besonders für Vielfahrer insgesamt günstiger. Andere zahlen dagegen drauf.	Foto: © 2017 MVV GmbH

Die öffentlichen Verkehrsmittel werden besonders für Vielfahrer insgesamt günstiger. Andere zahlen dagegen drauf. Foto: © 2017 MVV GmbH

München · Unübersichtlich, teuer, konfus – das Tarifsystem des Münchner Verkehrsverbundes (MVV) handelt sich regelmäßig die Kritik der Fahrgäste ein. Jetzt soll alles einfacher und für viele Benutzer besser werden, so die vollmundige Versprechung des MVV.

Grund für die Euphorie ist die Einigung bei der lange angestrebten und permanent auf der Kippe stehenden MVV-Tarifreform, die der Verbundrat am Freitag, 6. Juli, beschlossen hat. Sicher ist noch nichts, aber die ausstehende Zustimmung der acht MVV-Verbundlandkreise (München, Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Starnberg, Bad Tölz-Wolfratshausen) und des Münchner Stadtrats gilt als wahrscheinlich. Damit kann die neue Tarifstruktur am 9. Juni 2019 inkrafttreten. »So einfach und attraktiv wie nie« – mit diesen markigen Worten kündigt der MVV das neue Tarifsystem an. Tatsächlich profitieren viele Benutzer von der neuen Struktur. Aktuell veröffentlicht der MVV auf seiner Internetseite www. mvv-muenchen.de/tarifreform die vorläufige Tarifstruktur. Einfacher wird es sicher, schon allein wegen der Zusammemfassung der bisher 16 Ringe in sieben Zonen, die Zonen M (Stadtgebiet München und angrenzende Gemeinden) und M+1 bis M+6. Aber allein aus wirtschaftlicher Sicht – aus einer anderen kann man eine Preisstruktur nicht bewerten, sofern das Leistungsangebot das gleiche bleibt – gibt es einige Verlierer. Dazu gehören vor allem die Dauerkartenbesitzer in der Münchner Innenstadt, die nur kurze Strecken fahren. Das markanteste Beispiel ist die Wochenkarte, die bisher für bis zu zwei Ringe 15,40 Euro kostete. In der Zone M, dann die kleinstmögliche Tarifzone, wird sie künftig 19,20 Euro kosten, ist also annähernd 25 Prozent teurer. Dafür kann man damit Ziele in der ganzen Stadt erreichen. Gewinner sind MVV-Nutzer aus den Gemeinden, die jetzt noch im 5. Ring liegen, nach der Reform aber zur Zone M zugeschlagen werden. Dazu gehören unter anderem Aschheim, Putzbrunn, Furth, Deisenhofen und Stockdorf. Für sie wird die Wochenkarte um 24 Prozent günstiger, die Monatskarte sogar um fast 34 Prozent (59,90 Euro statt 90,40 Euro). Profitieren werden auch die Kunden aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn, Zorneding und Garching (bisher Ring 6), die auf Monatskarte fahren. Sie sparen nach dem aktuell veröffentlichten Modell über 13 Prozent pro Monat im Vergleich zum jetzt gültigen Tarif (89,90 Euro statt 103,70 Euro). Das jetzt veröffentlichte Preismodell ist noch nicht verbindlich, allerdings ein Rahmen, der der endgültigen Preisgestaltung sehr wahrscheinlich sehr nahe kommen wird.

Gut weg kommen auch die Ebersberger (bisher: Ring 11, dann Zone M+3). Sie zahlen für eine Monatskarte fast 12 Prozent weniger (143,90 Euro statt 163,90 Euro). Dafür wird ihre Wochenkarte geringfügig teurer. Überhaupt, die Wochenkarte: Diese Zeitkarte nach München wird praktisch von jedem Ort aus teurer (bis zu 18 Prozent), außer von den Haltepunkten, die bisher im 4. und 5. Ring lagen und dann zur Zone M gehören. Sie zahlen 13 bzw. 24 Prozent weniger. Dass die Monatskarten, besonders im Abo, überwiegend günstiger werden, ist besonders für diejenigen interessant, die oft und weit nach München fahren. So freut man sich auch beim MVV: »Vielfahren wird meist günstiger durch attraktive Monats-, Abo- und Jahreskarten.« Die Vokabel »meist« zeigt es an: Auch hier profitieren nicht alle. Manche Nutzer müssen mit einem Preisanstieg von bis zu 3,4 Prozent rechnen, jedoch werden die meisten mit den Monatskarten künftig preisgünstiger fahren als es noch jetzt der Fall ist. Mit der Tarifreform wird eine Vereinfachung einhergehen, die es vor allem »MVV-tarifunerfahrenen« Nutzern wie Touristen oder Gelegenheitsfahrern in der Stadt leichter machen soll. Das Nachzählen der Ringe ist dann Vergangenheit, innerhalb Münchens – mindestens bis zum Autobahnring – wird es keine Tarifgrenzen mehr geben. Auch außerhalb der Stadt wird einiges einfacher werden. Innerhalb geschlossener, gewachsener Siedlungsstrukturen und Ortschaften fallen ebenfalls die Tarifgrenzen weg. Während mit dem Umstieg von der S-Bahn auf den Bus im Umland so mancher schon unwissentlich zum Schwarzfahrer wurde, kann das nicht mehr passieren. Dafür wurden an über 70 Stellen die bisherigen Tarifgrenzen korrigiert. Daraus ergeben sich großzügigere Übergangsbereiche, also Haltepunkte, die auf einer Zonengrenze liegen und somit zu beiden Zonen gehören. Dadurch sind die Ticketpreise von beiden Seiten her gleich hoch. Und dann gibt’s da noch die Gelegenheitsfahrer, die Einzeltickets ziehen. Für sie verteuert sich die Einzelfahrt in München von 2,90 Euro auf 3,30 Euro (+13,8 Prozent). Mit der Streifenkarte sind aber weiterhin zwei Streifen fällig. Der Preis für die Streifenkarten bleibt bei 14 Euro (zehn Streifen), sodass die Einzelfahrt auf Streifenkarte weiterhin 2,80 Euro kosten wird. Die Reaktionen auf die Tarifreform sind überwiegend positiv ausgefallen. So erklärte Münchens 2. Bürgermeister Josef Schmid: »Die Tarifreform ist vor allem ein Ergebnis der hervorragenden Zusammenarbeit zwischen Stadt, Landräten und Freistaat. Das Beispiel zeigt: Von einer vertrauensvollen Kooperation auf allen Ebenen kann München nur profitieren.«

Die SPD-Stadträtin Simone Burger nennt die neue Tarifstruktur einfacher und gerechter und ergänzt: »Wer den ÖPNV regelmäßig nutzt, hat Vorteile und genau das ist das Ziel.« Christoph Göbel (CSU), Landrat des Landkreises München, betont besonders die Stärkung des ÖPNV in der Region: »Die Entlastung der Straßen vom motorisierten Individualverkehr und der Schutz des Klimas können nur gelingen, wenn mit dem ÖPNV leistungsfähige und attraktive Alternativen zur Nutzung des privaten Kfz für die Bürger zur Verfügung stehen.« Kritik kommt vom Münchner FW-Vorsitzenden Michael Piazolo, weil die kostenfreie Mitnahme von Kindern für Zeitkarteninhaber werktags nach wie vor erst ab 9 Uhr gilt. Er appelliert an die Mitglieder das MVV-Verbundes, das Tarifsystem noch kinder- und familienfreundlicher zu gestalten und die bisherige Regelung zu kippen: »Viele Eltern mit Kindern kämpfen in München mit hohen Mieten und Lebenshaltungskosten. Mit der Preisgestaltung im MVV könnten wir für eine kleine Entlastung sorgen. Das Tarifsystem wird 2019 reformiert, daher wäre jetzt auch die richtige Zeit für weitere kleine Anpassungen.« Weitere Informationen über die Tarifreform bietet der MVV auf www.mvv-muenchen.de/tarifreform an.
Von Carsten Clever-Rott

Artikel vom 13.07.2018
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