Lesung am Odeonsplatz gegen das Vergessen

Wer Bücher verbrennt, zerstört die Freiheit

Die Mohr-Villa aus Freimann beteiligt sich an der Lesung zur Mahnung der Bücherverbrennungen vor genau 85  Jahren.	Foto: VA

Die Mohr-Villa aus Freimann beteiligt sich an der Lesung zur Mahnung der Bücherverbrennungen vor genau 85 Jahren. Foto: VA

Altstadt · Die Freimanner Mohr-Villa zeichnet sich durch ein interkulturelles Programm aus und leistet sowohl durch die Stadtteilarchivarbeit, wie durch das vielfältige Ehrenamt auch eine lebendige Erinnerungsarbeit.

Zum 85. Jahrestag der NS-Bücherverbrennung durch Professor und Student am 10. Mai 1933 werden an verschiedenen Orten in ganz Deutschland Texte aus den damals verbrannten Büchern vorgelesen. So auch am Donnerstag, 10. Mai von 12 bis 14 Uhr am Odeonsplatz.

Es lesen unter vielen anderen Hans-Georg Küppers, Claus von Wagner, Max Uthoff, Gustava Evering, Renate Hausdorf, André Hartmann, Susanne Breit-Kessler, Peter Machac und Monika Strauch, Julia Cortis, Ricci Hohlt, Dozentin Margit Riedel mit 2 Promovendinnen der LMU, Gerhard Schmitt-Thiel.

Eine vollständige Liste zu den Leser findet man unter www.buecherlesung.de

Initiator und Verantwortlicher Organisator ist Gerhard Schmitt-Thiel, in Zusammenarbeit und mit Unterstützung des Kulturreferats der Landeshauptstadt München. Ihm zur Seite stehen das Paul Klinger Künstlersozialwerk e.V. und der Verein Mohr-Villa Freimann e.V., sowie Global Understanding e.V.

Info und Anmeldung zum Lesen: Mohr-Villa, Tel. 0 89 / 3 24 32 64 und unter www.buecherlesung.de

Interview mit Gerd Schmitt-Thiel anlässlich der Bücherlesung zur Erinnerung an den 10. Mai 1933, der Bücherverbrennung in München vor 85 Jahren

Münchner Wochenanzeiger: Welchen Sinn macht es, nach 85 Jahren durch eine öffentliche Lesung an die Bücherverbrennung von 1933 zu erinnern?

Schmitt-Thiel: Bücher zu verbrennen gehört wohl zu den schändlichsten und schädlichsten Aktionen totalitärer Regime, die es seinen Künstlern antuen kann. Schon Heine hat gesagt: »da, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man am Ende auch Menschen« und die Geschichte des Nationalsozialismus zeigt, wie recht er hatte.

In vielen Ländern Europas ist in der letzten Zeit ein starker Rechtsruck in den politischen Parteien zu beobachten und erinnern wir uns an die Warnung von Erich Kästner, dessen Bücher 1933 auch verbrannt wurden: »Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten … – Die Lawine hält keiner mehr auf...«

Was ist das besonders Verwerfliche daran, Bücher zu verbrennen?

Schmitt-Thiel: Wer Bücher verbrennt, zerstört nicht nur Freiheit und Meinung der Künstler, er trifft die gesamte Existenz des Menschen, macht ihn mundtot, vernichtet ihn!

Welche gesellschaftlichen Kreise waren 1933 die Initiatoren der Bücherverbrennung und war das, so kurz nach der Machtergreifung durch die Nazis, eine spontane Aktion?

Schmitt-Thiel: Es waren in erster Linie Akademiker, Professoren und Studenten und die Aktion war von langer Hand vorbereitet, sonst hätte sie so kurz nach der Machtübernahme durch die Nazis nicht so perfekt über die Bühne gehen können.

Welchen Anteil hatte die Presse an gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen? Wegbereiter oder kritische Distanz, gibt es Parallelen zu heute?

Schmitt-Thiel: PEGIDA und AFD wurden anfangs als nicht ernst zu nehmende, verachtenswerte, zu bemitleidende Dumpfbacken in unseren Mainstreammedien dargestellt. Nun im Parlament überrascht die AFD mehrheitlich als Akademiker im Nadelstreifen. Deshalb ist es uns immer wieder wichtig, mit den Lesungen darauf hinzuweisen, dass es auch damals Teile der Eliten waren, die die ersten symbolhaften, intellektuellen Verfolgungen oder Verbrennungen initiiert haben – und nicht die Straße, nicht der Mob.

Bücherlesungen zum 10. Mai hat ja auch schon Wolfram Kastner initiiert und umgesetzt. Warum auch eine Lesung am Odeonsplatz?

Schmitt-Thiel: Kastners Aktion »Brandfleck – München liest aus verbrannten Bücher« ist ein Kunstwerk – Bestandteil seiner Kunstaktionen, die er oft auch zusammen mit anderen politischen Aktionskünstlern vor allem hier in München macht. Die Lesungen, die ich seit vielen Jahren organisiert habe, ob nun im privaten Rahmen, in der Staatsbibliothek, in Bürgerhäusern, oder seit über 10 Jahren am Odeonsplatz, betrachte ich nicht als Kunst oder Kunstwerk, sondern als Erinnerungsarbeit, die an möglichst vielen Orten organisiert werden sollte. Wie dies auch durch die Themen vom Verein »Gegen das Vergessens – für mehr Demokratie e.V.« angeregt wurde. Im Übrigen, ich habe auch mehrmals am Königsplatz mitgelesen.

Artikel vom 07.05.2018
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