Ein kleines Wunder

Nach zähem Ringen kann die Messie-Hotline weitermachen

Da ist das Ding! Wedigo von Wedel (re.) und Torsten Sowa vom H-TEAM e.V. mit dem Schreiben, in dem die Fehlbedarfsförderung bestätigt wird.	Foto: cr

Da ist das Ding! Wedigo von Wedel (re.) und Torsten Sowa vom H-TEAM e.V. mit dem Schreiben, in dem die Fehlbedarfsförderung bestätigt wird. Foto: cr

München · Eine endlos erscheinende Hängepartie ist beendet, und das mit einem erfreulichen Ergebnis: Der Verein H-TEAM e.V. hat das Projekt »Messie-Hilfe-Hotline« konnte zum 1. August unter dem neuen Namen »Bayerische Messie-Hotline« und mit leicht verändertem Konzept wiederaufgenommen.

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Vorangegangen war eine jahrelange Zeit der Unsicherheit. Weil der Verein das Projekt, bei dem von Messie-Syndrom direkt Betroffene sowie Familie, Freunde und auch Vermieter kostenlos und anonym beraten werden, nicht eigenständig finanzieren kann, haben die Verantwortlichen bereits vor zwei Jahren Alarm geschlagen (wir berichteten). 12.000 Euro pro Jahr, das war und ist der Kostenaufwand, um den es geht. Die Infrastruktur stellt der Verein zweimal pro Woche für jeweils drei Stunden kostenlos bereit. Dennoch bleiben noch Kosten, die bisher ungedeckt waren und die der Verein durch Spenden beglichen hat. Jetzt hat das bayerische Gesundheitsministerium nach langen Verhandlungen eine Kostenübernahme bestätigt. Genau genommen handelt es sich um eine Fehlbedarfsförderung, ein Betrag, mit dem ein aufgelaufenes Defizit verringert oder vollständig finanziert wird.

Der Freistaat springt ein, wo sich vor zwei Jahren noch keine staatliche Stelle zuständig gefühlt hatte. Weil schon damals von den Ratsuchenden niemand ausgeschlossen werden sollte, ließ sich das Hilfsangebot nicht auf München, Bayern oder Deutschland beschränken. Also gab es aus jeweiligen Haushalten kein Geld.

Zweites Problem: Das Messie-Syndrom ist in Deutschland keine anerkannte Krankheit. Also haben auch Krankenkassen und Therapieeinrichtungen keine Möglichkeit gesehen, das Projekt zu fördern. »Unsere Beratung macht nicht gesund«, schränkt Wedigo von Wedel, einer von drei Geschäftsführern des H-TEAM e.V. und selbst Messie-Berater, ein. Das aber stellt nicht den Nutzen der Hotline für Betroffene und für die Gesellschaft in Frage.

Betroffene bekommen eine neue Perspektive, ein Licht am Ende des Tunnels. Das unkontrollierte Sammeln und Horten in den »Messie-Wohnungen« kann auch erhebliche materielle Schäden zur Folge haben, die letztlich von der Gesellschaft getragen werden – was verständlicherweise alles andere als in deren Interesse liegt.

Das Paradoxe an der Situation: Die Messie-Hilfe-Hotline wurde von allen Seiten stets gelobt – und stand dennoch vor dem Aus. Das haben auch wir vom Münchner Samstagsblatt nicht verstanden und den Kontakt zwischen dem H-TEAM e.V. und dem Landtagsabgeordneten und Sozialpolitiker Joachim Unterländer hergestellt. Daraufhin kam Bewegung in die Sache.

Unterländer und der Verein haben einen langen Atem bewiesen. Im Gesundheitsministerium ließ man sich vom Nutzen der Messie-Beratung überzeugen. Weil es sich aber nicht ausschließlich um eine Gesundheitsfrage, sondern auch um eine soziale Frage handelte, sollte die Förderung vom Sozialministerium mitgetragen werden. Da wurde es schon komplizierter.

»Auf der einen Seite ist das Messie-Syndrom ein individuelles, von Experten als Suchterkrankung anerkanntes Problem. Auf der anderen Seite ist es meist mit drohender oder eingetretener Wohnungslosigkeit verbunden«, erläutert Unterländer.

Da beide Ministerien, das Gesundheits- und das Sozialministerium, zwei unterschiedliche Haushalte hätten, seien Abgrenzung und Abstimmung nicht ganz einfach. In langen Verhandlungen haben sich alle Partner aufeinanderzubewegt, so weit das möglich war, und schließlich flatterte Ende Juli der positive ­Bescheid in die H-TEAM-Geschäftsstelle in der Plinganserstraße. »Ein kleines Wunder«, so reagierten die Mitarbeiter des H-TEAMs, als sie realisiert hatten, dass der lange Kampf erfolgreich war.

Voraussetzung für die Förderung ist zwar, dass sich der Verein weiterhin an der Finanzierung beteiligt, aber sie nun bei Weitem nicht mehr alleine tragen muss. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml betonte dazu am Dienstag: »Ich freue mich, dass es gelungen ist, den Fortbestand der Messie-Hotline finanziell abzusichern. Damit steht den Menschen in ganz Bayern nun ein kompetentes Beratungsangebot zur Verfügung. Etwa 100 Ratsuchende melden sich pro Woche beim Messie-Telefon. Klar ist: Nimmt das Messie-Syndrom schlimmes Ausmaß an, droht in vielen Fällen Obdachlosigkeit. Davor will die Staatsregierung die Menschen bewahren. Es ist wichtig, den Menschen zu helfen und ihnen klar zu vermitteln, dass sie ein Teil der Gesellschaft sind.

Spezielle Angebote wie die Messie-Hotline gehören dazu. Ich danke dem H-TEAM für sein Engagement für die Betroffenen!« Dankbarkeit, das ist überhaupt das überwiegende Gefühl, nachdem die Finanzierungsfrage gelöst wurde. »Ich danke beiden Ministerien, vor allem in diesem Fall dem Gesundheits- und Pflegeministerium für die Unterstützung«, ließ Unterländer verlauten. »Ich wünsche den Betroffenen möglichst erfolgreiche Kontakte – bei den tüchtigen Mitarbeitern des H-TEAMs bin ich mir da aber ganz sicher.«

Dankbarkeit empfinden auch diejenigen, denen die Beratung hilft. »Manchmal bekommen wir eine Rückmeldung«, berichtet von Wedel. Durchaus mit Stolz berichten die Anrufer von Fortschritten, die sie gemacht haben, Schritte auf dem Weg zurück in ein Leben ohne die Sammelsucht. Dafür hat sich der Einsatz aller Beteiligten gelohnt. Von Carsten Clever-Rott

Die Bayerische Messie-Hotline
Die Bayerische Messie-Hotline ist seit 1. August Nachfolger der im vergangenen Herbst beendeten Messie-Hilfe-Hotline. Wer vom Messie-Syndrom betroffen ist oder vermutet, eine Person in seinem Umfeld könnte betroffen sein, bekommt Rat unter Telefon 0 89/55 06 48 90. Sprechzeiten sind dienstags von 9 bis 12 Uhr und donnerstags von 15 bis 18 Uhr.

Artikel vom 11.08.2017
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