Der Zauber des Zauberns

Zaubern lernen: Wenn die Illusion dem Wissen weicht

Korbinian Häutle erklärt im Zauberkurs, wie die Illusion perfekt wird.	Fotos: cr

Korbinian Häutle erklärt im Zauberkurs, wie die Illusion perfekt wird. Fotos: cr

München · Sie nennen sich Magier, Zauberer, Illusionisten und sie unterhalten ihr Publikum mit unglaublichen Tricks. Aber was machen die Künstler da auf der Bühne eigentlich genau? Schwer rauszukriegen, denn Zauberer verraten ihre Tricks nicht. Das gilt auch für Korbinian Häutle.

Zwar gibt er Zauberkurse im Krist & Münch ­Table Magic Theater, bei denen er so einige Kniffe offenlegt, doch mit Ausplaudern hat das nichts zu tun. Viel mehr gibt er einen Einblick in die Welt der Illusion.

Bevor es hier weitergeht, muss gesagt werden: Auch in diesem Beitrag werden keine Tricks verraten, aber Ihr Glaube an die Zauberei wird unter Umständen Schaden nehmen.

Wenig erstaunlich: Es wird gar nicht echt »gezaubert« und mit Magie haben die Vorführungen nichts zu tun. Der Begriff Illusion trifft das, was die fingerfertigen Künstler vollführen, am besten. Sie machen uns was vor und wir werden müde gähnen, wenn wir wissen, wie es funktioniert, oder wir werden mit heißer Neugier auf eine Erklärung warten, die uns dann doch die Träume raubt.

Illusionisten sind Künstler. Sie machen das, was andere Bühnenartisten auch machen. Sie zeigen uns Dinge, die wir selbst nicht beherrschen und die uns Respekt und Erstaunen abnötigen. Das ist das, was man in den Zauberkursen wirklich lernt. Und wie man sein Publikum, seien es Freunde, Familie, Kollegen, mit wenig Aufwand überraschen und unterhalten kann.

Jeder kennt die »Sprüche« über die Kunst der Illusion: »Die Hand ist schneller als das Auge.« Oder: »Der Zauberer lenkt das Publikum geschickt ab und trickst außerhalb des Sichtfelds mit seinen Utensilien.«

Hier widerspricht Korbinian Häutle energisch: »Das, was wir hier machen, hat nichts mit Ablenkung zu tun.« Das Publikum wird nicht vom Ort des Geschehens weggelockt, weil im Hintergrund der Bühne ein Knalleffekt losgeht. Häutle nennt das, was man als Ablenkung vermutet, schlicht »Aufmerksamkeitssteuerung«.

Der geübte Illusionist will gerade vermeiden, dass das Publikum in alle Richtungen schaut. Er selbst gibt die Blickrichtung vor. Das klappt sehr gut bei der falschen Übergabe. Eine Schaumstoffkugel in der Größe eines Tischtennisballs wandert scheinbar unsichtbar von einer Hand in die andere. Tatsächlich legt der Künstler die Kugel mit der rechten Hand in seine linke, verschließt diese kunstvoll und alles blickt auf die linke Hand – während die Schaumstoffkugel kleingepresst in der rechten Hand verbleibt und dort auf wundersame Weise wieder auftaucht. So banal kann Zauberei sein, aber machen Sie das mal mit etwas Übung zu Hause. Ihr Publikum wird staunen (wenn nicht »Insider« darunter sind)!

Der Illusionist weiß, wie der Mensch funktioniert. Er lullt ihn regelrecht ein mit flotten und unterhaltsamen Sprüchen. Ein leichter Druck mit der Hand hier, eine scheinbar unbeabsichtigte Berührung am Arm – die Verarbeitung all dieser gleichzeitigen Reize überfordert uns ganz einfach. Wir achten nicht mehr auf den Ort des tatsächlichen Geschehens und umklammern – Überraschung! – plötzlich selbst gleich zwei Schaumstoffkugeln mit unserer Hand. Oder noch mehr.

Einen praktischen Tipp gibt Korbinian Häutle gratis mit auf den Weg: »Taschendiebe machen es genauso.« Sie halten uns einen Stadtplan vors Gesicht, fassen uns am Arm, pressen sich fast an ihr Opfer, quatschen sie im liebenswürdigsten Tonfall zu und nehmen dabei ruckzuck das Handy aus der Jackentasche und klauen auch die Armbanduhr vom Handgelenk. Also: aufpassen!

Letzteres gilt auch in der Show der Illusionisten, also das mit dem Aufpassen. Wer sich selbst den Spaß nehmen, aber gleichzeitig den Trick durchschauen will, der achtet eben nicht genau darauf, worauf der Künstler abzielt, sondern zum Beispiel auf die andere Hand, die schnell mal in die Zauberer-Hosentasche geht. Gar nicht so einfach, denn die Künstler haben ihre Kunst perfektioniert.

Das ist auch der Grund, warum Korbinian Häutle zwar Zauberkurse geben kann, seine Kollegen aus der Zunft aber doch nicht hintergeht. Er erklärt einige Hintergründe und die Teilnehmer probieren mit den Schaumstoffbällen, den Karten, den Münzen und den durchlöcherten Geldscheinen fleißig aus, doch die wahre Kunst ist es nicht, irgendwelche Tricks nachzumachen, sondern selbst welche zu ersinnen.

Wenn David Copperfield den großen Houdini nur kopiert hätte, wäre er nicht einer der Größten seiner Zunft geworden. So einfach ist das und gleichzeitig doch so schwer. Und dann halten sich die Illusionisten natürlich an das ungeschriebene Gesetz: Ihre eigenen Tricks verraten sie nicht.

Für die meisten Teilnehmer der Zauberkurse ist eines besonders schwierig. Haben sie den Trick erstmal verstanden und probieren ihn selbst aus, kommt wie von selbst der Gedanke: »Wer soll denn darauf reinfallen?« Trotzdem funktioniert es. Die Teilnehmer haben bereits nach wenigen Minuten ihre ersten Erfolge und bekommen gegenseitige Anerkennung, und zwar ausschließlich von Menschen, die den Trick dahinter jetzt kennen. Dann klappt das mit einem »arglosen« Publikum erst recht.

Ein solches befindet sich in der Regel bei den Vorstellungen im Krist & Münch Table Magic Theater. Die erste Reihe des Publikums sitzt in dem kleinen Theater direkt am Tisch des Künstlers. Dennoch gelingt es Alexander Krist und Christian Münch in ihren Shows immer wieder, auch sie zu verblüffen, auf den Holzweg zu leiten und eine Bowlingkugel aus dem Nichts erscheinen zu lassen. Wie das geht, erfahren die Kursteilnehmer allerdings nicht. Sonst geht der Zauber des Zauberns ja vollends flöten.

Von Carsten Clever-Rott

Die Grenzen dieser Welt in Frage stellen und überwinden
Während viele Kollegen bereits im frühen Kindesalter ihre Familien mit Kunststücken beeindruckten, forschte Korbinian Häutle mit Chemie-Baukästen, jonglierte mit allem Objekten in seiner Reichweite, verschlang Berge von Büchern und testete die Grenzen der Welt aus.

Als er dann zu Beginn seines Studiums der Ethnologie, Interkulturellen Komunikation und Japanologie in den Kontakt mit der Zauberkunst kam, war es, als hätte er einen verlorenen Teil von sich wiedergefunden und das Wiedersehen war umso heftiger, wie er selbst beschreibt. In der Zauberkunst fand er die Möglichkeit, die Grenzen der Welt nicht nur in Frage zu stellen, sondern auch zu überwinden.

Das begann 2004 ganz harmlos mit seiner Arbeit in dem Jonglierladen »Pappnase« in München. Dort führte er Kunden Zauber-Requisiten vor.

2008 lernte Korbinian Häutle die Gründer des Krist & Münch kennen. Er kündigte in der Pappnase und wurde zunächst Straßenzauberer. Ein Dreivierteljahr führt sein Weg durch Europa, bis nach Spanien.
Die Bestätigung für sein Talent kam 2009: Korbinian Häutle belegte den ersten Platz des Straßenzaubererfestivals in Friedrichshafen und den dritten Platz bei den deutschen Meisterschaften der Straßenzauberkunst. Heute arbeitet er fest bei Krist & Münch, wo er unter anderem Zauberkurse gibt.

Mehr zu den Kursen gibt es im Internet unter der Adresse www.magic-theater.de

Artikel vom 06.02.2017
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