Gedanken zu Weihnachten von Pfarrer Klaus Gruzlewski von der Lätarekirche

Neuperlach · Liebe verbindet Kulturen

Die »moderne These« zum 500. Reformationsjubiläum von Pfarrer Klaus  Gruzlewski, die nicht passender für den Stadtteil Neuperlach sein kann.	Foto: ar

Die »moderne These« zum 500. Reformationsjubiläum von Pfarrer Klaus Gruzlewski, die nicht passender für den Stadtteil Neuperlach sein kann. Foto: ar

Neuperlach · Wussten Sie, dass im Islam Weihnachten eine große Rolle spielt? Die Überlieferungen von Bibel und Koran überschneiden sich nirgendwo stärker als bei der Weihnachtsgeschichte – angefangen von der Begegnung Marias mit dem Erzengel Gabriel bis hin zur Geburt Jesu an einem entlegenen Ort.

> Gottesdienstordnung der Lätare- und Dietrich-Bonhoeffer-Kirche

Und wussten Sie, dass auch in Indien Weihnachten ein offizieller Feiertag ist, der auf Hindi »Bada Din« (»der große Tag«) heißt? In christlichen Missionsschulen nehmen auch hinduistische Kinder aktiv an den Feierlichkeiten teil durch Krippenspiele und Gesänge. Und selbst überzeugte Atheisten feiern das Weihnachtsfest mit allem Drumherum – der Kinder und der Geschenke wegen.

Doch was ist die eigentliche Faszination des Weihnachtsfestes? – Ich denke, dass Weihnachten ganz unabhängig von seinem Ursprung und durch sämtliche Kulturen hindurch eine eindringliche Botschaft hat. Weihnachten will uns sagen: »Es gibt keine größere Kraft als die Liebe. Sie überwindet den Hass wie das Licht die Finsternis.« So hat es der US-amerikanische Baptistenpastor und Bürgerrechtler Martin Luther King formuliert.

Diese Botschaft ist sehr aktuell in einer »postfaktischen« Gesellschaft, die dabei ist, nach einer Begrüßungs- und Willkommenskultur wieder eine Ausgrenzungskultur zu entwickeln. Eine Welt, in der der Extremismus auf allen Seiten zunimmt und in der Terrorismus und Kriegstreiberei Alltag sind, braucht diese Botschaft, die zugleich eine große Vision ist: »Liebe überwindet den Hass wie das Licht die Finsternis.«

Erstaunlicherweise erträgt diese Botschaft sämtliche Auswüchse und Entgleisungen, die an der Bedeutung von Weihnachten vorbei gehen: Wie der Marathonlauf, der uns jedes Jahr wieder von einer zur nächsten Weihnachtsfeier hetzen lässt. Oder wie wir uns mit unseren Weihnachtsgeschenken gegenseitig zu übertrumpfen versuchen, anstatt zur Besinnung zu kommen. Da ist in uns allen eine tiefe Sehnsucht nach dem, wie es »sein könnte« oder wie es »sein müsste«.

Wir wissen, dass mit schlechter Rede, mit Missgunst, gar mit Gewalt nicht Licht, sondern Dunkelheit verbreitet wird. Diese Sehnsucht nach sozialer Gerechtigkeit und Liebe verbindet Kulturen und Religionen. Unser Stadtteil Neuperlach ist für ein solches Miteinander exemplarisch. Als jemand, der mit seiner Kirchengemeinde inmitten der Kulturen und Religionen sehr gerne lebt, freue ich mich täglich über Austausch und Bereicherung. Ich bin erstaunt, wie offensichtlich friedlich das Zusammenleben in Neuperlach ist, wo über 50 Prozent der Bewohner ihre Wurzeln im Ausland haben. Ich widerspreche dem angeblich schlechten Ruf unseres Stadtteils, den ich doch ganz anders, nämlich freundlich und schätzenswert erlebe.

Dazu passt, was unsere Kirchengemeinde als »moderne These« zum aktuellen 500. Reformationsjubiläum formuliert hat, und was so etwas wie das Leitbild der Lätarekirche sein könnte: »Kirche erneuert sich durch Ablassen von Anmaßung bis Zurückweisung und Zulassen von Andersartigkeit bis Zweifel.« (Am besten mehrmals lesen!).

Und natürlich freue ich mich als evangelischer Gemeindepfarrer darauf, am Heiligen Abend die christliche Weihnachtsbotschaft weitersagen zu dürfen: Weihnachten handelt von der Herbergssuche einer heiligen Patchworkfamilie und von der erstaunlichen Christgeburt in einem übel riechenden Viehstall. Und dann hören wir von der Verkündigung dieser Geburt an die Ausgestoßenen und Randsiedler der damaligen Gesellschaft. Diese Geschichte eignet sich doch wunderbar, um daran anzuknüpfen, was auch bei uns im Argen liegt und verbesserungswürdig ist. Diese Geschichte gibt auch heute Menschen eine Perspektive, die über allen Zwiespalt und Hass hinaus hoffen lässt. Auf den Punkt gebracht sagt uns die Christgeburt: Gott selbst hat sich geschenkt. Er hat sich an uns verschenkt, um uns mit seiner Liebe anzurühren und zu verändern.

Oder noch kürzer: Mach‘s wie Gott und werde Mensch!
Frohe Weihnachten und
ein gesegnetes neues Jahr,
Ihr Pfarrer Klaus Gruzlewski

Lätare-Kirche

24. Dezember, Heiliger Abend
• 16.00 Uhr Krippenspiel • 18.00 Uhr Christvesper

25. Dezember
• 10.00 Uhr Festgottesdienst

26. Dezember
• 16.30 Uhr, am Perlacher Forst: Lätare-Kirche und Dietrich-Bonhoeffer-Kirche feiern gemeinsam Waldweihnacht von St. Paulus

31. Dezember: Silvester
• 19.00 Uhr Gottesdienst

Dietrich-Bonhoeffer-Kirche

24. Dezember, Heiliger Abend
• 16.30 Uhr Christvesper • 23.00 Uhr Christmette

1. Januar: Neujahr
• 19.00 Uhr Feierabendmahl

Artikel vom 21.12.2016
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