Vorsicht! Langfinger!

München · Präventionsveranstaltung der Bundespolizei am Hauptbahnhof

Gar so leicht darf mans den Langfingern natürlich nicht machen.	Foto: Bundespolizei

Gar so leicht darf mans den Langfingern natürlich nicht machen. Foto: Bundespolizei

München · Der Deutsche sichert sich gerne nach allen Seiten ab. Entsprechend beunruhigt zeigen sich viele, wenn ein Sicherheitsrisiko nicht einzuschätzen und zu beeinflussen ist. Was sie nicht bedenken: Die Wahrscheinlichkeit Opfer eines Taschendiebs zu werden ist um ein Vielfaches höher, als Opfer eines Terroranschlags zu werden. Trotzdem legen viele Menschen hier eine bemerkenswerte Ahnungslosigkeit und Leichtsinnigkeit an den Tag, beklagt die Bundespolizei.

Um besonders jetzt in der Reisezeit auf die Methoden der gewieften Taschendiebe hinzuweisen, klären erfahrene Beamte am kommenden Mittwoch, 10. August, am Querbahnsteig des Münchner Hauptbahnhofs auf. Zwischen 10 und 16 Uhr kann sich jeder über effektive passive Schutzmaßnahmen informieren. Das reicht von erhöhter Aufmerksamkeit bis hin zu besonders gesichertem Reisegepäck. Taschendiebe »arbeiten« allein, oft aber auch in der Gruppe. Einer lenkt das Opfer ab, der andere greift nach dem Geldbeutel, so schnell kann es gehen. Ähnlich erging es am 30. Juli zwei japanischen Touristen am Hauptbahnhof. Sie wurden von einem Lockvogel ins Gespräch verwickelt, während sein Komplize die schwarze Aktentasche der beiden Japaner entwendete. Der Schaden: Bargeld im Gesamtwert von rund 4.000 Euro und der Verlust verschiedener persönlicher Dokumente. Das miese »Gewerbe« als Taschendieb ist risikoarm und lukrativ. Die Aufklärungsquote liege bei lediglich rund 6 Prozent, bestätigt Polizeioberkommissarin Andrea Seefelder von der Bundespolizeidirektion München, ganz zu schweigen von einer Dunkelziffer nicht angezeigter Taten in unbekannter Größenordnung.

Die besten Chancen, einen Täter zu fassen, hat die Polizei, wenn die Tat umgehend gemeldet wird. Doch auch dann ist es für die Beamten nicht leicht, denn wenn eine verdächtigte Person die Beute bereits an einen Komplizen weitergegeben hat, fehlt das Corpus Delicti als schlagendes Beweismittel. Im Zweifel für den Angeklagten, das Opfer bleibt im Regen stehen. Mit etwas Glück lässt sich der Täter durch Aufzeichnungen von Überwachungskameras überführen. »Es geht nur über die Aufklärung«, betont Norbert Keuchel von der Bundespolizeiinspektion Rosenheim. Er ist derzeit an bayerischen Bahnhöfen unterwegs, um genau diese Aufklärungsarbeit zu leisten. Oftmals sind sich die potenziellen Opfer über die Gefahren nicht bewusst. Gerade in der Urlaubszeit herrscht eine Art persönlicher Ausnahmezustand. »Man ist in Urlaubsstimmung, total entspannt, oder im Gegenteil gestresst, weil man seinen Zug noch erwischen muss – das lenkt ab und macht es den Tätern leicht«, erklärt Wolfgang Hauner, Pressesprecher der Bundespolizeiinspektion München. Man muss an vieles denken, hat vielleicht noch Kinder dabei, auf die man achtgeben muss… da ist kein Platz mehr für Gedanken über Taschendiebe. Deshalb sollte man sich schon vor der Reise überlegen, wie man es den Tätern schwermachen kann.

Zum Beispiel, indem man Taschen nicht geöffnet mit sich trägt, das Smartphone nicht zeigt, keinen unbemerkten Blick in die Geldbörse zulässt. Das Portemonnaie in der Gesäßtasche ist praktisch eine Einladung. Sicherer ist der Brustbeutel, »auch wenn das nicht besonders modisch aussieht«, weiß Keuchel. Doch auch der Brustbeutel bietet keine hundertprozentige Sicherheit. Professionell organisierte Taschendiebe arbeiten mit einem Cutter, schneiden Taschen in Sekundenbruchteilen auf und die Trägerbänder von Brustbeuteln unbemerkt durch. Mittlerweile gibt es Sicherheitstaschen, bei denen zum Beispiel das Trägerband des Brustbeutels inwendig mit einem Sicherheitsdraht verstärkt ist. Auch in Rucksäcke und Reisetaschen kann bei der Herstellung ein Stahlgewebe in die Außenhaut eingezogen werden, sodass der Cutter keine Chance mehr hat. Gewöhnliche Reißverschlüsse lassen sich mit einem Kugelschreiber auch dann öffnen, wenn der Griff mit einem Sicherheitsschloss fixiert ist. Dagegen gibt es patentierte Doppelreißverschlüsse, an denen der Kuli scheitert. Und nicht zuletzt gibt es noch die ganz dreiste Methode, im Zug abgestellte Gepäckstücke einfach mitzunehmen. Mit einem einfachen Fahrradschloss könnte man seinen Koffer befestigen. Macht aber kaum einer. Das Problem sei, dass sich fast niemand mit einfachen oder auch aufwendigen Sicherheitsmaßnahmen beschäftigt, die auf der Reise, am Urlaubsort und auch im Alltag ihren Zweck erfüllen. Und damit machen sie es den Langfingern ungewollt leicht. »Jeder ist für sich selbst verantwortlich«, betont Andrea Seefelder, Präventionsbeauftragte der Bundespolizei Bayern. Die Polizei kann im Vorfeld mit sicherem Erfolg beraten wie am kommenden Mittwoch. Bei den Ermittlungen im Nachhinein sind die Erfolgsaussichten mehr als gering.

Carsten Clever-Rott

Artikel vom 05.08.2016
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