Klingende Landkarte

Die Gemeinde Neubiberg stellt ihre allerersten »Hörpfade« vor

Klangfreunde unter sich (v. l.) Bürgermeister Günter Heyland, Ute Cox, Rüdiger Berger, Nikola Eberhorn, Heinrich Wolfensberger und Franziska Kurz. VHS-Leiter Christoph Schulz sowie Gemeinde-Archivarin Barbara Reinicke.	F.: RedN

Klangfreunde unter sich (v. l.) Bürgermeister Günter Heyland, Ute Cox, Rüdiger Berger, Nikola Eberhorn, Heinrich Wolfensberger und Franziska Kurz. VHS-Leiter Christoph Schulz sowie Gemeinde-Archivarin Barbara Reinicke. F.: RedN

Neubiberg · Es war eine mühevolle Kleinarbeit des Recherchierens, Intonierens, Schreibens, des Fakten-Sammelns und Vertonens, der sich einige Neubiberger in den vergangenen Monaten verschrieben haben, um sogenannte Hörpfade für die Gemeinde zu arrangieren.

Sie sind erste Teile einer klingenden Landkarte, welche die Gemeinde auditiv greifbar machen sollen. Ähnliche Projekte in einer Kooperation der Volkshochschulen und des Bayerischen Rundfunks finden derzeit in ganz Bayern statt und wurden auch bereits im Landkreis in diversen Gemeinden wie Sauerlach oder Oberhaching erfolgreich umgesetzt. In Neubiberg ist angesichts der erfolgreichen Umsetzung eine Fortsetzung fast schon fest eingeplant. Jetzt wurden die ersten fünf dieser spannenden Hörpfade der Öffentlichkeit präsentiert.

Tierstimmen sind zu vernehmen, irgendwo kräht ein Hahn, Schafe plöken. Der Zuhörer ist offenbar auf dem Land angekommen. »Miau, es ist für mich als Kater schön, im Umweltgarten aufzuwachen«, grüßt der Quasi-Moderator dieser Tonsequenz, Kater Carlo, sein gespanntes Publikum. Er nimmt den Hörer mit auf einen Streifzug durch die Tier- und Pflanzenwelt im Neubiberger Umweltgarten. »Viel schöner als in der Stadt, wo alles so laut ist, ist es hier«, erläutert Carlo. Schließlich trifft Carlo auf eine Gruppe von Kindern, die gerade vom Leiter des Umweltgartens, Heinrich Wolfensberger, mit den Feinheiten der örtlichen Flora und Fauna vertraut gemacht werden. Einfühlsam lässt Wolfensberger die Kinder und die Hörer teilhaben am Naturerlebnis.

Der Chef des Umweltgartens war es auch, der mit einem ganzen Team emsiger Helfer und Unterstützer dieses Hörstück für die Hörpfade entwickelt hat. Für den Umweltgarten entstand durch Zusammenarbeit diverser Akteure ein spannendes Hör-Drehbuch. »Die Idee für Kater Carlo als Moderator war eine Gruppenidee«, erzählt Wolfensberger. Den Aufbau der Ton-Sequenz hatte Julia Laun konzipiert – die im Umweltgarten derzeit ein Freiwilliges ökologisches Jahr absolviert. Nicht nur Carlo ist mit dem Ergebnis zufrieden. Bei der Präsentation gibt’s viel Applaus.

Hinter dem Resultat steht vor allem eine Menge Arbeit. Fakten recherchieren, Interviews führen, Hintergrundtöne sammeln und aufnehmen ist nur ein Teil. Das Material muss »gesichtet« und ausgewerwertet werden. »Aus 70 Stunden einen sendefertigen Dreiminutenbeitrag zu machen, wie die Vorgabe lautete, ist gar nicht so einfach«, gestand Wolfensberger lachend. Schnitt und Vertonung sind schwierige Phasen eines mehrteiligen Hörprojektes beim dem die erfahrene BR-Journalistin Sonja Kunze den Teilnehmern mit Rat und Tat zur Seite stand wie beim Raffen und Straffen der Manuskripte. Auch die gemeindliche Archivarin Barbara Reinicke stand vor allem auch in Recherchefragen zur beratenden Verfügung. Das Ergebnis in Form spannender Kurzhörspiele kann sich sehen lassen.

Bei der Präsentation überreichte der örtliche VHS-Geschäftsführer Christoph Schulz dem Neubiberger Bürgermeister Günter Heyland eben jene »klingende Landkarte«. Zu den weiteren Hörbeiträgen zählt die Geschichte der Grundschule Neubiberg, die Nicola Eberhorn arrangiert hat. Afrikanische Klänge waren in ihrem Werkstück zu Beginn zu hören. Sie rufen an der Grundschule seit geraumer Zeit die Kinder zur Pause und aus derselben wieder zurück. Auf vielstimmige Initiative ersetzt dieser Klang den heftigen Pausengong, den weder Kinder noch Lehrer liebten.

Die Geschichte dieser Entwicklung und der Schulpartnerschaft der Neubiberger mit einer südafrikanischen Lehreinrichtung machte Eberhorn zum Thema, lässt in kurzen Hörstücken Schulleitung und Schüler erzählen. Der Zuhörer erfährt Wissenswertes zur Schule und ihren Protagonisten. Für Eberhorn war das Ganze auch zuhause eine echte Gruppenarbeit. Beraten von den eigenen Kindern, die reichlich Selbsterfahrung an der örtlichen Grundschule sammelten.

Ute Cox hatte den Bahnhof Neubiberg und seine historische Entwicklung sowie den aktuellen Zeitgeist entlang der Schienenstränge auf den eigenen erzählerischen Hörspielschild gehoben. Untermalt von historischen Dampflokklängen erzählt die Hör-Autorin von den Anfängen des Bahnhofs um 1904 – als Neubiberg erst nach Streitereien und sogar Boykottandrohungen seitens der Königlich-Bayerischen Staatseisenbahnen ans Streckennetz angebunden wurde. Den frühen Aufschwung des Ortes durch die Bahnausflügler verknüpfte Cox mit Interviews heutiger Fahrgäste und deren wortreichen Wünschen nach einem Zehn-Minuten-Takt.

Rüdiger Berger hat die wechselvolle Geschichte des Neubiberger Flugplatzes nachgezeichnet. Mit historischen Einschüben zur Nazizeit, als die örtlichen Bauern ihren Grund fürs Flugfeld abgeben mussten. Über die amerikanische Besatzungszeit, als hier Flugzeuge gebaut wurden reichte der Zeitbogen über die Bundeswehr vor Ort bis zur Widmung als Landschaftspark in den Neunziger Jahren. Skater und Rampensportler hat Berger aufgenommen und die Freizeitlust vor Ort phonetisch ansprechend eingefangen. Franziska Kurz schließlich hat sich mit ihrer Konzentration aufs Waldperlacher Leiberheim sogar ein Stückerl aus Neubiberg heraus gewagt. Vor einigen Jahren hatte sie nach dem seinerzeit hochsommerlich-schweißtreibenden Umzug nach Neubiberg den herrlichen Biergarten für sich entdeckt. Klingend aneinandergeschlagene Masskrüge empfangen den Hörer ihres Beitrags. Der erfährt in der Folge, warum das Leiberheim eben Leiberheim heißt. Ja warum eigentlich? Das erklärt der Wirt Wolfgang Engel dem Zuhörer. So habe die Leibgarde des Königs um 1900 hier bevorzugt ihre Zelte aufgeschlagen, wenn sie nicht in München auf den Regenten aufpasste.

Diese und andere Geschichten sind dem liebevoll arrangierten Hörpfad jetzt zu entlocken. Weitere Textstücke sollen das Auditiv-Paket demnächst anreichern. Das Jugendzentrum Gleis 3 oder die Bundeswehr-Hochschule sind bereits im Fokus der ambitionierten Hörforscher. Ein spannendes Projekt, auf dessen Fortsetzung man sich freuen darf. RedN

Artikel vom 10.05.2016
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